Review Knasterbart – Branntwein für alle

Humor und Wortwitz sind das eine, musikalische Qualität das andere. Zumindest manchmal. Im Fall der norddeutschen Gossengenossen von KNASTERBART vereinen sich diese gegensätzlichen Aspekte auf eine herrlich beschwingte und harmonische Art und Weise, die dem in weiten Teilen seit Jahren stagnierenden Folkrock-Bereich neues Leben einhaucht. Das Erfolgsrezept beruht dabei auf bekannten Eckpfeilern und jahrelanger Erfahrung der Bandgründer.

Die beiden Hauptsänger Hotze und Fummelfips haben sich mit Versengold bzw. Mr. Hurley & die Pulveraffen zu einem festen Bestandteil der hiesigen Marktszene entwickelt. Stückchenweise konnten die beiden Kapellen in den letzten Jahren aber auch bundesweit die Bühnen der Clubs und Rockfestivals erobern – immer noch unplugged mit einer stromlosen Rhythmusfraktion. Genau bei diesem Umstand setzt das Konzept von KNASTERBART an: Hier kommen echte E-Gitarren und ein echtes Schlagzeug zum Einsatz. Und wer bereits ohne elektronisch amplifizierten Druck für mächtig Stimmung sorgen kann, dem fällt es mit dem entsprechendem Instrumentarium noch einmal deutlich leichter, vor allem für die breite Masse. Für die vom Duo zur vollständigen Band angewachsene Combo mussten Hotze und Fips nicht lange nach willigem Gossengefolge an Geige, Bass und Co. suchen: So rekrutiert sich die übrige Meute größtenteils aus Mitgliedern von Versengold, die optisch – vereinfacht ausgedrückt – auf das Notwendige reduziert wurden. Musikalisch ist hingegen alles beim alten, ohne so zu klingen.

Bereits der „Gossenhauer“ als Opener verdeutlicht das, was der Refrain besagt: Bandwurm kann jeder, Ohrwurm nicht! Oder umgekehrt? Beim Sänger scheint sich etwas Verwirrung im Laufe des Lieds einzuschleichen. Mit etwas Scharfsinn betrachtet steckt allerdings viel mehr hinter der dreckigen Fassade als es den vordergründigen Anschein macht und jegliche Verwirrung ist doch nur gespielte Fassade bzw. kann als leichter Seitenhieb auf anspruchslose Chartmusik gedeutet werden. So ist auch „Branntwein für alle!“ alles andere als eine weitere, reine Saufhymne. Mit dieser Parole hissen KNASTERBART und ihre BVP (Branntwein-Volkspartei) die Fahnen für die kommende Wahl. Ihr Programm beinhaltet einerseits Einzelhaft für Dudelsack und verpackt andererseits auch Gesellschaftskritik mit einem Augenzwinkern. Das ist musikalisch so clever arrangiert, dass man beinahe blindlinks in den mehrstimmigen Refrain einstimmt – auch ohne vorangegangenen Metkonsum. Aus den Texten sprechen gleichermaßen viel Hirn und Herz. Ein YouTube-Video zeigt, dass das komplexe Verwandtschaftszenario aus „Mein Stammbaum ist ein Kreis“ in der Praxis tatsächlich so passieren könnte. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ trifft dafür nicht immer zu, zum Beispiel bei Geschlechtskrankheiten oder Blumenkohl. Musikalisch aufgelockert wird die hohe Gossenlyrik durch hervorragende instrumentale Einlagen wie den „Gossenabitanz“, der konsequenterweise auf das „Gossenabitur“ folgt. Dieses hat erwartungsgemäß mit dem konventionellen Matura wenig am Hut, denn in Liebesdingen wären die charismatischen Protagonisten beispielsweise lieber befriedigend als gut. Geschrieben wirkt diese Botschaft allerdings nicht einmal halb so charmant wie sie hier besungen wird. Gleiches gilt für die einfache Erkenntnis in „Lieber widerlich als wieder nich'“.

Nachdem „Knüppelkalle“ kurz vor Ende noch einmal ordentlich auf die 12 gibt, wird es zum Abschluss mit der Hymne an „Horst, die Filzlaus“ beinahe melodramatisch. So zeigen sich KNASTERBART auf ihrem Erstlingswerk als Band vom ersten bis zum letzten Song ungemein vielseitig, abwechslungsreich und unterhaltsam. Insgesamt überrunden sie dadurch einige Weggefährten im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch. Ein Anfang, der mehr als nur berechtigte Hoffnung macht. KNASTERBART für alle – jetzt!

Wertung: 9 / 10

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