Review Mosaic – Old Man’s Wyntar

(Black Metal / Neue Deutsche Todeskunst / Neofolk / Ambient) Wenn auch stilistisch ganz und gar nicht miteinander vergleichbar, so gibt es doch eine Eigenschaft, die Black Metal und Neue Deutsche Todeskunst gemeinsam haben: Beide hatten nach weit verbreiteter Ansicht ihre Glanzzeit in den 90er Jahren. Während Black Metal jedoch auch heute noch in den verschiedensten Ausformungen floriert, ist Neue Deutsche Todeskunst weitgehend in Vergessenheit geraten. Das hat Inkantator Koura jedoch nicht davon abgehalten, mit seinem Soloprojekt MOSAIC ebenjene beiden Genres mit Neofolk und Ambient zu kreuzen und damit ein einzigartiges Klanggemisch zu kreieren, das seinesgleichen sucht. Nach einigen EPs und Splits hat der deutsche Eigenbrötler unter Zuhilfenahme einiger Gastmusiker mit „Old Man’s Wyntar“ nun endlich sein erstes volles Studioalbum herausgebracht.

Dass man es hier mit weit mehr als nur einem weiteren nicht erwähnenswerten Underground-Release zu tun hat, lässt schon dessen Vorgeschichte durchscheinen. Bereits 2014 als umfangreiche, in zwei Kapitel unterteilte Konzept-EP veröffentlicht, hat MOSAIC diese nun durch Dreingabe eines weiteren Tracks als zusätzliches Kapitel und zweier Bonus-Songs zu einem 77 Minuten umfassenden Full-Length-Opus umfunktioniert. Die Platte ist als Hommage an den Winter zu verstehen, was sich nicht nur in der Musik, sondern auch in den naturbezogenen Texten widerspiegelt, in denen MOSAIC sich zum Teil an der Lyrik Georg Trakls bedient.
Die Einzigartigkeit des Debüts liegt jedoch natürlich in erster Linie in der Musik an sich. Anstatt einfach nur herkömmlichen Black Metal mit akustischen Einschüben auszuschmücken, lässt MOSAIC seine verschiedenartigen stilistischen Einflüsse stimmig ineinandergreifen, sodass keines der von ihm vertonten Genres die anderen überschattet. Ausufernde, wie ein Blizzard über den Hörer hinwegfegende Schwarzmetall-Nummern mit melancholischen Tremolo-Leads, flinkem Drumming und heiseren, verzweifelten Screams („Onset Of Wyntar“) koexistieren hier mit atmosphärischen Akustik-Tracks („Im Winter“), die zum Teil von trostlosen, fesselnden Gitarrenmelodien begleitet werden („Snowscape“).
Obwohl sich die sphärischen Ambient- und Neue-Deutsche-Todeskunst-Elemente in mehr oder weniger allen Tracks bemerkbar machen – letztere unter anderem über die verschrobenen, raunenden Cleans – ist es vor allem das düster-meditative „Black Glimmer“, das ihnen mit reduzierten Gitarren, Keyboard-Flächen und geheimnisvollem Flüstern Ausdruck verleiht. Mit den Bonus-Tracks hat MOSAIC das Album zudem zwei wahre Meisterwerke erweitert: Im verträumten, tristen Ambient-Stück „Vom ersten Schnee“ kann man förmlich spüren, wie einschläfernde Schneeflocken den eigenen Leib bedecken, während die unfassbar kalten, ausdrucksstarken Leads und Soli im 22-minütigen „Silver Nights“ dem Hörer ein ums andere Mal einen Schauer des Erstaunens über die Haut jagen.

Musikalisch und konzeptionell ist „Old Man’s Wyntar“ also nicht weniger als eine Offenbarung, eine Manifestation des Winters, wie man sie selbst im Black Metal kaum jemals zu hören bekommt. Produktionstechnisch ließe sich hingegen leider noch vieles besser machen. Ein solches Album darf natürlich nicht auf Hochglanz poliert werden, dennoch trübt der unausgeglichene, zum Teil zu dumpfe und leise Sound im konkreten Fall ein wenig das Hörerlebnis. In Kombination mit den teilweise ausschweifenden Songstrukturen und den ungewöhnlichen Genre-Einflüssen macht dieser Umstand das Debüt von MOSAIC recht schwer zugänglich. Nichtsdestotrotz darf man sich davon keinesfalls abschrecken lassen, denn „Old Man’s Wyntar“ ist ein außergewöhnliches, berührendes und stimmungsvolles Gesamtkunstwerk.

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Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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