Review Nick Cave And The Bad Seeds – Push The Sky Away

  • Label: Bad Seeds
  • Veröffentlicht: 2013
  • Spielart: Rock

Tatsächlich fünf Jahre hat der Meister seine Gefolgschaft warten lassen, bis er nach „Dig, Lazarus, Dig!!!“ ein neues Album nachgelegt hat. Ein Umstand, der insbesondere deshalb interessant ist, da NICK CAVE schon zu den umtriebigeren Kräften im Business zählt und sich früher auch gerne mal nicht mit einem Album pro Jahr zufrieden gab.

Hört man sich die ersten Klänge von „Push The Sky Away“ an, wird schnell deutlich: die lange Pause hat der Band gut getan. Nach den gigantischen Alben „Let Love In“, „Murder Ballads“, „The Boatman`s Call“ und „No More Shall We Part“ (1994-2001) kam eine insgesamt schwächere Phase mit zwar einerseits ambitioniert wirkenden Werken, die andererseits aber seltsam distanziert und uninspiriert blieben. Dies mag an der stilistischen Ausrichtung liegen, legten Cave und seine Leute mehr Wert auf einen rockigen Sound. Dabei hat sich die Band doch vor allem aufgrund ihrer melancholischen Balladen im Stil von „Henry Lee“, „No More Shall We Part“, „People Ain`t No Good“ und natürlich „Where The Wild Roses Grow“ einen Namen gemacht.
Nach dem Ausstieg von Gründungsmitglied Mick Harvey Anfang 2009 hat man sich offenbar wieder seiner Qualitäten besonnen und das ist richtig gut so. Nicht ein Song auf „Push the Sky Away“ ist auch nur ansatzweise als schnell zu bezeichnen, stattdessen kommen die typischen weichen, warmen Elemente zum Vorschein, die man zuletzt doch etwas vermisst hat. Rockiger Sound in einem Metalmagazin ist ja zunächst einmal nicht verkehrt, aber da gibt es in meinen Augen einfach bessere Vertreter. Von NICK CAVE AND THE BAD SEEDS will man rotweingeschwängerte Trübsalsmusik hören und die bekommt man hier geboten. Und dies auf einem Album, welches mit jedem Durchlauf wächst; da gibt es Lieder wie etwa „Mermaids“, „Jubilee Street“ (mit dem textlich immer wiederkehrenden Thema der Prostitution) oder auch „Push The Sky Away“, die beim ersten Durchgang hängen bleiben, andere brauchen etwas länger, wiederum andere klingen auf den ersten Blick erstmal sperrig. „Finishing Jubilee Street“ ist so ein Fall, ein Lied, welches ebenfalls mehr Beschäftigung verlangt, ist „Higgs Boson Blues“. Ein kleiner Exkurs in die Elementarteilchenphysik erklärt, dass das Higgs-Boson ein seit Jahrzehnten postuliertes, aber bis heute nicht einwandfrei nachgewiesenes Elementarteilchen ist, welches eine große Rolle im Standardmodell spielt. Für den Nachweis ist ein sehr starker Teilchenbeschleuniger notwendig, das CERN hat mit dem Large Hadron Collider möglicherweise ein Higgs-Boson aufgespürt, die Auswertung der Daten wird aber noch bis mindestens Ende des Jahres dauern. Nick Cave ist da einen Schritt weiter und präsentiert hier als einziges Lied auf „Push The Sky Away“ den „narrativen“ Stil mit überschaubarer Instrumentierung, aber viel Text – somit handelt es sich konsequenterweise um das längste Stück der CD.
Ein wenig Kritik muss man sich trotz allem aber dennoch gefallen lassen. Zum einen fehlt ein echter Hit, den die eingangs genannten Alben alle vorweisen konnten, zudem bleibt man trotz aller Melancholie hinter den Möglichkeiten abgrundtiefer Trauer, die sich beim Hörer in Wohlfühlatmosphäre umschlägt, zurück. Dies liegt nicht am recht organischen Sound vieler Lieder (ursächlich hierfür ist das Fender Rhodes mit seinem glockenähnlichen Klang), der diese Atmosphäre eigentlich noch unterstützt und auch nicht an den technischen Darbietungen der Protagonisten (vor allem Caves Vocals sind diesmal richtig klasse), aber das Songwriting hätte man an der einen oder anderen Stelle etwas konsequenter voran treiben können. Sicherlich ist das Jammern auf hohem Niveau, aber wer einmal ein solches erreicht hat, muss sich natürlich an seiner eigenen Vergangenheit messen lassen.

Und so sind wir auch schon beim Fazit. NICK CAVE AND THE BAD SEEDS haben zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder ein Album voller Melancholie, Trauer, Emotionen und Dunkelheit abgeliefert. Release war wohl gerade noch rechtzeitig im dunkelsten Winter seit Jahrzehnten, zumindest für europäische Verhältnisse. Auch wer sonst keine Musik ohne verzerrte Gitarren und prügelnde Drums mag, wird hier sicher glücklich werden, mit Grabesstimme nimmt der Australier einen mit in eine Gefühlswelt, die eben dort angesiedelt ist.
Ach ja, das Cover (Cave mit seiner Frau Susie)…großartig, diese schlicht betrachtete Leere, einfach großartig.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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