Review Nick Cave And The Bad Seeds – Let Love In

Worin besteht die Relevanz, die Notwendigkeit, eine Review für ein Metal-Magazin über eine Band zu schreiben, die auf den ersten Blick mit Metal erst mal nicht viel am Hut hat? Eine Band wie NICK CAVE AND THE BAD SEEDS zum Beispiel. Nun, so lange muss man gar nicht suchen, um eine treffende Verbindung zu finden, sind doch Metallica, die vermutlich kommerziell größte Metal-Band aller Zeiten, eingefleischte Fans von CAVE, was soweit führte, dass sie auf ihrem Cover-Album „Garage Inc.“ mit „Loverman“ einen Titel von demselbigen interpretierten. Dies ist aber nur ein Aspekt, der die Ansammlung von so unterschiedlichen Musikern wie eben Nick Cave, aber auch Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten) oder Barry Adamson, der u.a. Soundtracks für Filme von David Lynch schrieb, auch für Freunde der härteren Gangart interessant macht. So sind die Texte dieses „Poeten des Untergangs“ hintergründiger, emotionaler und sehr oft auch viel böser als von praktisch der gesamten Metal-Elite. Und nicht zuletzt sehnt sich wohl auch fast jeder Metaller hier und da nach etwas gemächlicherem Stoff.

Und den findet er auf „Let Love In“ reichlich vor. Zwar ist das Album keineswegs durchgehend im Schlafwagen-Tempo angesiedelt und es gibt mit „Jaggling Jack“ und „Thirsty Dog“ auch zwei ultracoole Up-Tempo-Nummern, größtenteils dominieren aber balladeske, jedoch nicht schmalzige Momente. So geht „Ain`t Gonna Rain Anymore“ mit seiner beinahe als minimalistisch zu bezeichnenden Instrumentierung, der Cave-typischen Grabesstimme und den zuckersüßen Melodien, die zu gleich Leid und Freude verströmen, genau ins Herz rein, eben den Weg, den auch „Nobody`s Baby Now“ einschlägt. Dieser Song ist sicher etwas bekannter, der er u.a. auch auf der Best-Of-Compilation „The Best Of Nick Cave And The Bad Seeds“ zu finden ist. Ist das lyrische Vorgehen des gebürtigen Australiers häufig von beißender Ironie durchsetzt – was ihn als klaren Vertreter der Romantik ausweist –, wird hier auf eine sehr gefühlvolle Weise das Thema Verlust thematisiert. Auch aufgrund der Ehrlichkeit in Wort und Musik kann hier jeder sich und seine persönliche Geschichte auf irgendeine Art entdecken, was das Lied zu einem wahren Brillanten unter neun weiteren Edelsteinen macht.

Im Dunst zwischen den angesprochen schnellen Nummern und den Balladen finden sich weitere Songs, wo jeder für sich eine eigene Erwähnung verdient hätte, so etwa der von einer schönen Gitarrenmelodie im ¾-Takt geprägte Titeltrack oder die das Album eröffnenden respektive abschließenden „Do You Love Me“-Tracks. Genauer möchte ich aber nur noch auf „Lay Me Low“ eingehen. Der Song startet sehr ruhig und bedächtig, entwickelt sich in der Folgezeit aber zu einer vergleichsweise „harten“ Nummer, die eine selten gehörte Intensität versprüht und dabei abwechslungsreich bleibt, ein Umstand, der von den wenigen Kritikern der BAD SEEDS gerne mal ins Feld geführt wird. Nick Cave versteht sich nicht nur als Musiker, sondern vor allem als Poet – er war Ende der 80er, Anfang der 90er auch als Schriftsteller aktiv und erfolgreich (u.a. „Und die Eselin sah den Engel“) – und für die Umsetzung seiner manchmal episch-langen Gedichte benötigen seine Lieder häufig sehr viel Spielraum (so hat etwa „O`Malley`s Bar“ auf „Murder Ballads“ über 30 Strophen und ungefähr 150 Textzeilen), so dass die Gefahr besteht, dass die Lieder langweilig werden. Auch ein zweiter Kritikpunkt (Nick Cave kann nicht singen), kann nicht nur, aber vor allem durch diesen Song, ausgeräumt werden, auch wenn man sagen muss, dass er mit den BAD SEEDS einen wunderbaren Hintergrundgesang an seiner Seite bzw. hinter sich hat.

In Sachen Düsternis können sich hier wahrhaftig viele Bands eine ordentliche Scheibe abschneiden, hier kann jeder Möchtegern-Bösewicht in Sachen Aggression noch einiges abschauen. Denn wie sagte Mikael Akerfeldt (Sänger und Gitarrist von Opeth) während der „Damnation-Akustik-Tour“ auf den Hinweis „Play harder!!!“: „We do play hard, but in a different way“. Und genau dieses Motto kann auch hier gelten und das Schöne dabei ist: auch das Gefühlvolle kommt hier nicht zu kurz, so dass ich nur raten kann, dieser Ausnahme-Band die eine oder andere Chance zu geben, hier lässt sich einiges ungeahntes entdecken. Meiner Meinung nach schon beinahe ein Klassiker (wenn man vom leicht polarisierenden Cover einmal absieht)!

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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