Review Porcupine Tree – Octane Twisted

Während manche Musiker es auf kein Album in drei Jahren bringen, schmeißt Steven Wilson mit seinen unterschiedlichen Kapellen lieber drei Alben in einem Jahr auf den Markt. Nachdem er mit Storm Corrosion und Blackfield im Studio weilte, handelt es sich beim neuen Werk seiner Ursprungsband PORCUPINE TREE um ein Doppel-Live-Album, welches während der „The Incident“-Tour in Chicago (lediglich die letzten drei Songs der zweiten CD stammen von einem Konzert in der Royal Albert Hall) aufgenommen wurde.

Fairerweise muss man sagen, auch Wilsons Bandkollegen sind durchaus umtriebige Gestalten, so arbeitete Richard Barbieri mit Marillions Steve Hogarth zusammen, Gavin Harrison war weiterhin bei 05Ric aktiv und Colin Edwin wandelte nicht nur auf Solopfaden, sondern auch auf metallenen (Taste Of Blood). Gut, mag man jetzt sagen, die Tour liegt schon eine Weile zurück und den Sound von längst abgeschlossenen Aufnahmen kann ein Tüftler wie Wilson sicher flott etwas aufpolieren und fertig ist das neue Output. Ganz so einfach verhält es sich nicht, von einer Band wie PORCUPINE TREE erwartet man schließlich mit einiger Berechtigung etwas Besonderes. Und dies äußert sich im vorliegenden Fall ganz klar in der Qualität der Aufnahme. Werfen Metalbands gerne Livescheiben auf den Markt, die auf harscher, gar reudiger Atmosphäre basieren und vor Spielfehlern nur so strotzen, würde man bei „Octane Twisted“ ohne die Interaktion zwischen Band und Publikum zwischen den Songs kaum merken, dass es sich nicht um ein Studioalbum handelt. Der Sound ist großartig, die Band zockt sich traumhaft sicher durch die teilweise 15 Minuten langen Songs, Wilson trifft die Töne wie im Schlaf und die einzelnen Instrumente klingen transparent, als häte man sie alle einzeln aufgenommen und hinterher zusammengefügt.

Somit ist ein Live-Album eigentlich hinreichend geadelt, oder? Nun, vielleicht nicht so ganz, denn so ein Konzert steht und fällt immer auch mit der Trackliste. Eine Häufung von „The Incident“-Songs ist bei einer Tour zu demselben Album natürlich zu erwarten, ansonsten fokussiert man sich aber größtenteils auf älteres Material. Dies wird Freunden der frühen Tage sicher einige Freudentränen in die Augen treiben, ich für meinen Teil hätte mir den einen oder anderen Hit vom Megaalbum „In Absentia“ gewünscht, auch von „Stupid Dream“ ist lediglich „Even Less“ vertreten. So ergibt sich ein insgesamt sehr progressives Album, welches, auch wenn man die Songs im Großen und Ganzen kennt, ein wenig anstrengend daherkommt.

Kommen wir zum Schluss zur Gretchenfrage: Wer sollte „Octane Twisted“ erwerben – die Alleskäufer einmal ausgenommen? Grundsätzlich ist ein Live-Album, ähnlich wie ein Best-Of, immer gut geeignet, Hörer anzusprechen, die recht frisch dabei sind und sich an ältere Werke noch nicht so herangetraut haben. Würde hier gut passen, wer PORCUPINE TREE nur im dritten Jahrtausend kennt, wird einiges Neues für sich entdecken können. Bleibt das Risiko, mit dem alten Material nicht so warm zu werden, andererseits hat man dann immer noch ein Live-Album, welches trotz aller Perfetion im Spielerischen und im Sound die Magie eine Konzertes mit intimerer Atmosphäre als beim reinen Albumgenuss einfängt. Wie bei fast alles Live-Veröffentlichungen: Kann man haben, muss man nicht, aber wenn, dann hat man sicher einige Freude daran.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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