Konzertbericht: Porcupine Tree w/ Oceansize

07.10.2010 Bochum, Ruhrcongress

Üblicherweise beherbergt der Bochumer Ruhrcongress eher keine Rock- und Metalevents (dafür steht ein paar Kilometer weiter die Matrix bereit), sondern präsentiert klassische Konzerte oder Versammlungen aller Art. Am 07. Oktober öffneten sich dann aber doch die Pforten für den langhaarigen Mann und die teilweise schwarz gekleidete Frau: PORCUPINE TREE gaben sich zum zweiten Mal im Rahmen ihrer Tour zum „The Incident“-Album die HEre in Deutschland, als Support hatten sie OCEANSIZE dabei.

Diese schauten wir uns noch aus dem Innenraum an, in dem sich gegen 20 Uhr schon eine erhebliche Anzahl Musikliebhaber beinahe aller Altersstufen eingefunden hatten. Ich kannte die Band vorher nicht und hielt mich zunächst bestätigt, als sich eine minutenlange akustische Orgie über dem Publikum ergoß: softer Progrock. Die Meinung musste allerdings noch während des Openers revidiert werden, denn die Jungs legten eine ordentliche Schüppe drauf und überzogen die Meute mit reichlich fetzigem Stoff. Das konnte einerseits ziemlich gefallen, andererseits offenbarten sich so sehr zügig massive Soundprobleme, denn sobald die verzerrten Gitarre daherkam, vermengte sich alles zu einem kaum zu durchdringenden Soundbrei, der erst ganz allmählich entwirrt werden konnte. Vielleicht war es auch einfach nicht besonders geschickt, mit drei Gitarren zu agieren, der dritte Mann hätte ruhig häufiger das Keyboard bedienen können. Naja, seis drum, den Zweck als Opener haben OCEANSIZE sehr gut erledigt, die Leute waren heiß auf mehr Musik und machten insgesamt einen recht zufriedenen Eindruck. Mich haben OCEANSIZE von ihrem Können her schon beeindruckt, aber progressives Liedgut ist wohl eher nichts, wenn man per Erstkontakt mit einer Band warm werden will.

Die folgende kurze Umbaupause nutze ich – von sich rapide verschlimmernden Rückenschmerzen geplagt – um einen Sitzplatz auf der Tribüne einzunehmen. Schon irgendwie cool, ein Rock- / Metalkonzert im Sitzen zu erleben. Immerhin war so das Who-is-Who der Ruhrgebietsszene an einem Platz konzentriert, denn zwei Pätze vor uns erspähte ich auf einmal einen Mann ohne Haupthaar, dafür mit sehr langem Bart. Während ich noch kurz grübelte, woher mir dieser bekannt vorkam, löste ein weiterer Herr mit nicht mehr ganz zeitgemäßer VoKuHiLa-Frisur das Rätsel auf: Peavy und Viktor von Rage haben den kurzen Anfahrtsweg aus Herne in Kauf genommen. Gut, wenn die beiden sitzen, kann es für den Redakteur wohl keine Schande sein.

Kurz nach 21 Uhr brandete dann der Jubel auf, Steven Wilson und Co marschierten auf die Bühne und legten los. Was zu Beginn noch nicht klar war, wurde dann aber bald zur Gewissheit: Eingängigkeit war heute Abend verboten! Die Briten spielte praktisch nur überlange Nummern, teilweise aus lange vergangenen Tagen und ließen dabei ihr Überalbum „In Absentia“ vollkommen außen vor. Schaden eigentlich, die eine oder andere Nummer hätte wirklich gut gepasst, auch wenn man an diesem Abend voll auf die progressive Schiene. So entwickelten sich Songs wie „Occam\’s Razor“ vom aktuellen Album oder „Lazarus“, der Hit des sperrigen „Deadwings“ zu wahren Mitsingnummern, ansonsten regierten ewige Instrumentalpassagen, die vom fachkundigen Publikum aber schon dankbar angenommen wurden. Trotz des inzwischen hervorragenden Sounds, blieben so für mich noch einige Fragen offen bzw. Wunschsongs ungehört. Darüber konnten sich einige Herrschaften im Publikum sicher nicht beklagen, immer wieder riefen sie Songnamen in den Liedpausen und Wilson ließ sich ein ums andere Mal auf spaßige Diskussionen ein. Dies konnte man getrost als Ausgleich dafür werten, dass die Ansagen doch insgesamt eher spärlich kamen, immerhin bedankte er sich aber einige Male artig auf Deutsch.

Nun, um ein schnelles Fazit zu ziehen, ein Rockkonzert ist mit einer Metalveranstaltung wohl nicht vergleichbar, die Aktionen sowohl auf der Bühne als auch im Publikum waren insgesamt verhalten. Wilson schüttelte zwar seine Haare einige Male, aber im Zuschauerraum blieb dies auf ganz wenige unerschrockene Exemplare beschränkt. Ganz sicher ist die Musik von PORCUPINE TREE auch keine, die alleine vom headbangen lebt, die kann man – und somit war der Sitzpletz echt in Ordnung – auch auf einem Konzert eher entspannt als aufgestachelt genießen. Unter dem Strich war es sicher kein verschenkter Abend, aber bei dem ungespielten Songmaterial von PORCUPINE TREE wäre sich noch etwas mehr drin gewesen.

Publiziert am von Jan Müller

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