Review Secrets of the Moon – Privilegivm

  • Label: Lupus Lounge
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

SECRETS OF THE MOON. Eine Band, die spätestens seit dem 2004er Album „Carved In Stigmata Wounds“ zu den führenden Namen im deutschen Black Metal zählt und mit als erstes genannt wird, wenn es um hochqualitative, lyrisch und musikalisch anspruchsvolle Musik dieses Sektors geht. Und das, obwohl weder das genannte Werk noch der Nachfolger „Antithesis“ in der Szene unumstritten aufgenommen wurden. Auch ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, wie ich zu beiden Werken nun stehe, zwar würde ich beide Werke ohne weiteres als Perlen des in seiner Aussage glaubwürdigeren Black Metals bezeichnen, in Wahrheit habe ich aber, gerade was „Antithesis“ angeht, Probleme, das Album überhaupt mal in voller Länge und am Stück anzuhören. Grund dafür dürften die überwiegend höhepunktfreien Songaufbauten sein, die zwar eine verdammt undurchlässige, im positiven Sinne zähe Atmosphäre konstruieren, insgesamt aber eben keine echten Wechsel beinhalten und deshalb relativ fix gleichförmig und damit äußerst anstrengend wirken. Denn „ausklinken“ kann man sich aus der Stimmung des laufenden Albums nicht, SECRETS OF THE MOON schaffen sich jederzeit und auf sehr offensive Weise die Aufmerksamkeit, die man für dieses Album aufbringen soll, und wenn man dann genug von der Stimmung hat, muss man eben ausschalten, damit es nicht nervig wird.
Da dies aber ja nun keine „Antithesis“-Rezension werden soll, kommen wir mal zum aktuellen Werk, „Privilegium“. Aus den nun erläuterten Gründen war ich einerseits begeistert, von einem neuen Werk der Deutschen zu hören, andererseits bahnte sich auch eine gewisse Skepsis an – Würde die Band, gerade nach den massiven Besetzungsproblemen der letzten Zeit, endlich in der Lage sein, den auferlegten Ansprüchen gerecht zu werden?

Nach einem durchaus stimmungsvollen aber noch unauffälligen Intro kündigt sich mit Leadgitarren, wie man sie vom Schlussteil von „Lucifer Speaks“ kennt, der erste echte Track „Sulphur“ vorerst einigermaßen unspektakulär an. Es folgt ein äußerst straightes, simples Riff, das seinerseits durchaus an „Versus“ vom Vorgänger zu erinnern vermag. Dann wieder die Leadgitarre, dazu sGs Gesang – und auf einmal stimmt alles. Der entscheidende Unterschied zu „Antithesis“: Der Sound wurde insgesamt deutlich weniger aufdringlich gestaltet. Ob sich das nun auf Thelemnar bezieht, der nicht jede Gelegenheit nutzt, um jede Lücke in den Riffs mit Trommelwirbel-Fills zuzukleistern oder auf die Produktion selber, die deutlich dynamischer und weicher klingt als der sehr statische „Antithesis“-Sound. Überhaupt haben SECRETS OF THE MOON wohl verstanden, was es vielen Hörern schwierig machte, mit den Vorgängern klarzukommen: Jeder einzelne Song besitzt eine klare Struktur oder jedenfalls ein sinnvolles, nachvollziehbares Konzept, dass oft sogar mit klar als solche erkennbaren Refrains aufwartet. Dazu kommt, dass das Trio im Zuge der Rationalisierung des Instrumenten-Einsatzes trotz weniger heftiger Produktion eine ganze Spur an Härte auf der einen Seite („Black Halo“, die Drums!) und Atmosphäre auf der anderen („I Maldoror“) zugelegt hat. Letztgenanntes, dessen Refrain wohl sehr ähnlich auf Satyricons „The Age of Nero“ stehen könnte, gleicht dieses (an sich sowieso nicht als solches zu bezeichnendes) Manko durch eine äußerst erhebende Gitarren-Melodie während der Strophen aus, welche man in dieser Form bei den Norwegern schon lange nicht mehr findet.
Kern des äußerst vielseitigen Albums ist ohne Zweifel der 13minütige Dreiteiler „Harvest“. Dass man den einzelnen Passagen hier besonders viel Zeit einräumt, Wirkung zu entfalten, sollte klar sein, und so sind es nach einem Schlagzeug-Intro Thelemnars knapp vier Minuten, in welchen sich eine Gitarrenmelodie in hypnotischer Manier auf „I Forgive Myself“ zupflügt, in welchem sG mit manischer Stimme eine sich steigernde Sprechpassage darbietet. Diese leitet über auf den Mittel- und Hauptteil des Songs, „The Tree of Life“. Hier zeigen SECRETS OF THE MOON alle Qualitäten des Albums auf etwa fünf Minuten vereint, allen voran mit dem Refrain, der einerseits fast schon Mitsingcharakter hat, dafür aber andererseits irgendwo auch viel zu straight voranmarschiert. Unter die Haut gehen tut er aber jedenfalls, und zusammen mit dem Refrain „I Maldoror“s stellt er die ohrwurmträchtigste Passage des Albums dar.
Das folgende „For They Know Not“ bietet ein für langsamen Black Metal fast schon unerhört treibendes Riff, ist für mich aber vor allem zusammen mit dem folgenden „Queen of Among Rats“ der Song, der am deutlichsten die „religiöse“ Seite SECRETS OF THE MOONs hervorkehrt. Denn, und das hat die Truppe vielen Kollegen weit voraus, wenn hier über Satan, die Abkehr vom Glauben und sonstige philosophische bzw. eben religiöse Inhalte gesungen wird, dann nimmt man ihnen das auch ab. Mag daran liegen, dass SECRETS OF THE MOON es vermeiden, plakativ zu provozieren, sondern ihre Ansichten auf individuelle, anspruchsvolle und folglich authentischere Weise darbieten, man glaubt ihnen ihre Aussagen jedenfalls.
Um den Verdacht von einer Song-by-Song-Rezension abzulenken, gehe ich auf die ohnehin etwas befremdliche Schlagzeug-Überleitung „Descent“ gar nicht weiter ein sondern erwähne nur noch den abschließenden Track „Shepherd“, der nämlich nochmal eine gehörige Überraschung für den Schluss bereithält und das Album unerwartet gelungen abrundet. Gänzlich unmetallisch bekommt man hier eine fast astreine Rock-Ballade inklusive sanft untermalendem Schlagzeug, Klargesang und elegischen Gitarren-Melodien geboten. Die Krone wird dem Ganzen wohl vom wie aus dem Lehrbuch kommenden Gitarrensolo zur Mitte des Songs aufgesetzt, nachdem der Hörer langsam aber sicher äußerst zufriedengestellt in den nächsten Hördurchgang entlassen wird.

SECRETS OF THE MOON machen endlich alles richtig. „Privilegivm“ ist das Album geworden, auf das man von dieser Band so lange gewartet hat. Alles hat nun seinen Sinn, alles sitzt an Ort und Stelle, alles ist schlüssig. „Privilegivm“ hat Abwechslung, „Privilegivm“ hat Stil und es ist dermaßen selbstbewusst und überzeugend dargeboten, dass man irgendwann nicht mehr anders kann, als sich von der Stimmung des Albums gefangennehmen zu lassen. Endlich kann auch ich guten Gewissens und ohne Zweifel behaupten, dass das Trio aktuell DIE Vorzeigeband im progressiv inspirierten Black Metal aus Deutschland ist, die sich traut, ihre Musik in perfektes Soundgewand zu packen, anspruchsvolle Texte bietet und obendrein auch noch jegliche Szeneklischees und -maxime hinter sich lässt, was „Privilegvm“ in seiner Gesamtheit umso erfrischender macht. Dieses ist im Black Metal wohl eines der wenigen Alben der letzten Zeit, die wirklich von sich behaupten können, nicht unauffällig abzukupfern, sondern eine wirklich individuelle Einheit bilden zu können, die, was die Abwechslung zwischen den Songs und den Charakter dieser betrifft, den Black Metal irgendwo hinter sich lässt. Oder an wieviele Alben dieses Sektors kann man guten Gewissens eine Rock-Ballade als Abschluss stellen, ohne dabei üblen Stilbruch zu begehen? Hier funktioniert es, weil es bei „Privilegivm“ eher um packende Musik, als zwingend um Black Metal geht.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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