Review Stratovarius – Nemesis

Verdammt, wer hätte damit gerechnet? Es gibt mit „Nemesis“ ein neues Album von STRATOVARIUS und es klingt frisch, unverbraucht, mutig und modern. Ja, richtig gelesen. All diese Adjektive und STRATOVARIUS in einem Satz. Ihre letzten Alben hatte man ja nicht unbedingt als experimentierfreudig bezeichnen können und auch ich hatte mich bereits darauf eingestellt, ein weiteres Album in die Hände zu bekommen, das auf Nummer sicher geht. Aber nein, weit gefehlt. Was hat sich geändert?

Es liegt natürlich nahe, die Ursache in der Verjüngung der Band zu suchen. Vergleicht man das heutige Line-Up der Finnen mit dem von vor acht Jahren, so wurden drei Bandmitglieder (Gitarre, Bass, Schlagzeug) durch jüngere ersetzt. Lediglich Timo Kotipelto und Jens Johansson sind noch von der alten Besetzung übrig geblieben. Die Richtungsentscheidung nur darüber begründen zu wollen greift aber wohl zu kurz: Immerhin waren schon „Polaris“ (2009) und „Elysium“ (2011) mit zwei neuen Mitgliedern aufgenommen worden, die auch dort ihre Spuren im Songwriting hinterlassen hatten. Es wird sich also um einen bewussten Kurswechsel der Band handeln.

Dies zeigt sich besonders in den ersten Songs, die vor Ideen geradezu strotzen. Der Opener „Abadon“ überrascht mit erstaunlich modern klingenden Gitarren und fetten Chören. Insgesamt klingt er mehr nach Sonata Arctica als nach STRATOVARIUS. „Stand My Ground“ ist ein mutiges Experiment – wie viel darf man sich in der Melodieführung vom Eurodance beeinflussen lassen? Der eine oder andere wird sich wundern, aber insgesamt eine gelungene Sache. Auf „Out Of The Fog“ darf dann der neue Drummer Rolf Pilve zeigen, das er auch für STRATOVARIUS eher ungewöhnliche Tempowechsel routiniert beherrscht. Sogar auf den sonst so sicher gesetzten Langtrack verzichtet das Album – einmal kratzt man an der Grenze von sieben Minuten, aber länger wird es nicht. Und, man höre und staune, Kitsch gibt’s auch nicht.

Zudem hat die Band am Sound geschraubt: Der Klang ist modern, die Gitarren sind manchmal fast minimalistisch eingesetzt („Halcyon Days“). Dafür haben Johanssons Keyboards viel Platz bekommen und sorgen in vielen Songs für Ohrwurmmelodien, die tagelang nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ein gutes Beispiel ist das zu Recht vorne platzierte „Unbreakable“, das mit einer nur wenige Töne umfassenden Melodie sofort einen Volltreffer landet. Von diesem eher positiven Song abgesehen ist der gesamte Grundton des Albums düsterer, als man es von STRATOVARIUS erwartet hätte. Erst ein Song wie „Fantasy“ erinnert wieder deutlich an die lebensbejahende Einstellung, für die die Finnen bekannt geworden sind.

Keine Spur also von der Routine der letzten Alben. Auch wenn „Nemesis“ gegen Ende ein klein bisschen Energie verliert und mit „One Must Fall“ und „If The Story Is Over“ trotz einiger netter Passagen das Niveau der vorigen Titel nicht ganz halten kann – das hier ist definitiv das beste Album von STRATOVARIUS seit „Infinite“ (2000). Jeder, der glaubt, die Band habe den Kompass verloren, habe nichts mehr zum Genre beizutragen und würde nur noch neue Alben machen, um auf Tour alte Hits spielen zu können, sollte „Nemesis“ hören und schweigen. STRATOVARIUS sind endgültig zurück – schön, wir haben euch vermisst!

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

2 Kommentare zu “Stratovarius – Nemesis

  1. Ja, nach „Elements“ war da auch nicht mehr so richtig was Gutes bei. Und obwohl ich ein großer Sonata-Fan bin, würde ich auch Nemesis den Vorrang vor „Stones Grow Her Name“ geben.

  2. Nach „Elements“ hatte ich Stratovarius ziemlich aus den Augen verloren, „Nemesis“ begeistert dafür auch mich umso mehr. Ist sogar eins meiner bisherigen Lieblingsalben des Jahres, richtig stark! Finde ich sogar weit besser als die aktuelle von SONATA ARCTICA.

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