Review Underoath – Ø (Disambiguation)

Was wurde nicht spekuliert und geredet, nachdem Aaron Gillespie, Sänger und Schlagzeuger in Personalunion, im April diesen Jahres seinen Job bei den US-amerikanischen UNDEROATH an den Nagel hängte. Als einziges verbliebenes Gründungsmitglied galt er vielen als letztes Element, das die Truppe noch zusammenhielt. Die Band beeilte sich, diese Zweifel aus der Welt zu räumen und das nun über Roadrunner Records erscheinende neue Album „Ø (Disambiguation)“ soll beweisen, dass alles beim alten geblieben ist.

Darin sind UNDEROATH allerdings gescheitert, denn: Selten hat man das Sextett in den letzten Jahren so energisch und frisch erlebt, wie mit dem aktuellen Output; beim alten geblieben ist hier kaum etwas. Die Vermutung, dass dieser Umstand teilweise auch dem neuen Schlagzeuger Daniel Davison geschuldet ist, konnte dieser im Interview bestätigen. Tatsächlich hat sich der ehemalige Norma Jean-Drummer perfekt in die Reihen der Florida-Kombo integriert, bereichert die neue – und möglicherweise auch noch etwas ungewohnte – Ausrichtung der Band mit seinem unverkennbaren Off-Time-Spiel, den Double Bass-Attacken, kurzum: Seinem gesamten Spiel.
Dem Vorgängerwerk „Lost In The Sound Of Separation“ wurde oft eine Vertracktheit nachgesagt, die sich nicht mit dem übermäßigen Einsatz cleaner Vocals vertragen wollte. Diesen Fehler begeht „Ø (Disambiguation)“ glücklicherweise nicht. Klargesang ist zwar auch hier wieder vertreten, springt dem Hörer schon beim Opener „In Division“ ins Gesicht – das zum Track gehörige Video ist im übrigen eines der besten des laufenden Jahres; unbedingt ansehen! Spencer Chamberlain, der die Rolle des Mikrofonbefeuchters übernommen hat, achtet jedoch penibel darauf, den Sound nicht durch allzu viel Klargesang zu überladen, konzentriert sich stattdessen auf unglaublich kraftvolle Shouts und Screams. Was dabei heraus kommt, ist am wenigsten Metalcore, Hardcore: ja, aber mit großen und unüberhörbaren progressiven Elementen, am ehesten tatsächlich Post-Hardcore.
Die Instrumentalfraktion um das Sechssaiter-Duo Timothy Francis McTague und James “Hal” Smith agiert disharmonisch wie noch nie („Catch Myself Catching Myself“, „Illuminator“) und groovt nicht selten einfach höllisch. Mitunter am überraschendsten dürften die bereits angesprochenen progressiven Parts sein, die sich – zusammen mit dem Post-Hardcore-Charakter – beispielsweise in Titeln wie „Driftwood“ und „Who Will Guard The Guardians“ ausdrücken. Trotzdem sollten diese atmosphärisch äußerst dichten Songs über eines nicht hinwegtäuschen: Es gibt auch die anderen UNDEROATH. Die zügellosen, knallharten UNDEROATH, die unberechenbar mit Riff-Granaten um sich schmeißenden, die intensiver nicht sein könnten („Paper Lung“), nur um das ganze Spiel im vergleichsweise ruhigeren Schlusslicht „In Completion“ gipfeln zu lassen.

Genau diese Mischung aus aufbrausenden Nackenbrechern, Post-Hardcore-Ungeheuern und progressiven Mitdenk-Songs ist es, die „Ø (Disambiguation)“ verdammt heavy, aber keinesfalls schwerfällig macht. Die düstere Richtung, in die sich UNDEROATH mit Album Nummer sieben bewegen, steht ihnen verdammt gut zu Gesicht, die gleichzeitige Schwere und Leichtigkeit, die dem Hörer mehr Aufmerksamkeit abfordert, als er zuletzt von den in Tampa beheimateten Mannen gewohnt sein dürfte. Die zwei, drei Durchläufe, die „Ø (Disambiguation)“ braucht um richtig zu zünden, sind es definitiv wert!

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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