Review Van der Graaf Generator – The Least We Can Do Is Wave To Each Other

VAN DER GRAAF GENERATOR waren 1970 noch jung. Nach dem etwas unbeholfenen Debüt „The Aerosol Grey Machine“ gilt „The Least We Can Do Is Wave To Each Other“ als das Album, auf dem der markante Sound der Briten sich erstmals entfalten konnte. Was es dennoch von den Nachfolgern unterscheidet, ist der Umstand, dass hier zum letzten mal in der Karriere der Band ein Bassist zu hören war. Nicht zuletzt aber, weil Peter Hammill & Co. sich auf dieser Platte noch nicht derart waghalsig in Experimente stürzten wie später, dürfte sie die für Einsteiger angenehmste sein.

„Darkness (11/11)“ beginnt, als wäre es ein Heavy-Metal-Album, mit Windrauschen und undefinierbaren hintergründigen Klängen. Doch spätestens nach dem groovigen Bass-Einstieg, den Einsätzen psychedelischer Synthie-Sounds und des labilen, jazzigen Saxophons grenzt man sich dann auch schon wieder gründlich von allem ab, was dem Hörer bekannt vorkommen mag. Die bedeutungsschweren, unheilvollen Melodien im Kontrast zum rockigen Rhythmus schaffen eine Atmosphäre, welche gleichermaßen befremdet wie fasziniert. Der noch eher verhaltene Einsatz der verstörenden Komponenten sorgt dennoch dafür, dass das Songbild flüssig bleibt, VAN DER GRAAF GENERATOR agierten hier häufig noch vergleichsweise oberflächlich – dafür aber auch auf Anhieb einigermaßen verständlich. Dazu passt auch, dass Peter Hammill noch eher zurückhaltend singt, von den Großtaten einer Scheibe wie „Still Life“ sind hier zwar bereits Ansätze zu hören, doch hatte sich merklich weder die Stimme entsprechend entwickelt noch das zugehörige Selbstbewusstsein eingestellt. Dafür gibt es noch etwas mehr Gitarre – man merkt jedoch, warum Hammill damit nach diesem Album weitgehend Schluss machte, ein im Kontext dieser Band doch verzichtbares Element.
Clean und gemäßigt, das sind Stichworte, die wohl auf annähernd alles zutreffen, was auf „The Least We Can Do…“ zu finden ist. Man wäre fast geneigt, die Scheibe als eine leicht krude, vor allem aber poetische Mischung aus Hard Rock, Jazz und Prog zu bezeichnen, wären da nicht Songs wie „White Hammer“. Nachdem dieser wiederum sechs Minuten lyrisch geschwelgt ist, findet er sich, nachdem die Orgel, unversehens von den anderen Instrumenten alleingelassen, ebenfalls verstummt ist, plötzlich in einem Saxophon-Gewitter wieder, das sich vollkommen verstörend über einem walzenden Doom-Death-Metal-Riff entfaltet. Die freejazzigen, dröhnenden Bläser gegen die donnernde Kirchenorgel – ein Weltuntergangsszenario, wie man es von einer mit der Materie vertrauten Band kaum besser zu hören bekommen könnte; und das 1970!

Hin und wieder zeigen VAN DER GRAAF GENERATOR also doch Ausbrüche, die einen Teil der späteren Prachtentfaltung vorwegnehmen. Trotzdem traut sich die Band auf „The Least We Can Do…“ noch zu wenig zu, das ist alles ganz schön und nett anzuhören, aber der richtige atmosphärische Kick fehlt, dafür ist vieles zu beliebig und unkonzentriert. Da viele Neueinsteiger aber gerade die Unzugänglichkeit am Sound der Folgejahre bemängeln, ist der etwas selbstvergessene Charakter der Scheibe vielleicht zur Erschließung der Band dennoch wichtig. Und Fans kommen mit der Über-Ballade „Refugees“, „White Hammer“ und der abgedrehten Achterbahnfahrt „After The Flood“ ebenfalls auf ihre Kosten.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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