Review Whitechapel – The Somatic Defilement (Re-Release)

WHITECHAPEL sollen es also sein, der neueste Wurf der in letzter Zeit sehr aktiven Extreme-Metal-Szene. Die Band gibt es erst seit 2006, doch ihr im Vorjahr veröffentlichtes erstes Demo war anscheinend gut genug um das Label Siege of Amida überzeugen zu können. „The Somatic Defilement“ heißt ihr erster großer Streich, der auf den ersten Blick optisch schon mal einiges hermacht und entgegen des Genretrends keine Gedärme oder Fäkalien zeigt.

Eines vorweg: Wenn man ihnen einen Vorwurf machen kann, dann den, dass man sich zu sehr an einem Herren namens Jack The Ripper, der Ende des 19. Jahrhunderts in ebenjenem Stadtteil, nach dem sich die Amis benannt haben, für alles andere als Spaß und Freude sorgte. Die Blutspur, die er hinterließ, ist noch bis heute legendär und seine Präzision erschreckend. Die Brutalität, die auf dem Scheibchen an den Tag gelegt wird, werde ich ganz sicher nicht kritisieren, viel eher ist es letzteres. Technische Raffinesse schön und gut, aber was nützt das feinste Schlachtmassaker, wenn man kaum kranke Emotionen spüren kann? WHITECHAPEL metzeln alles kalt, ohne mit der Wimper zu zucken, einfach ab, was ein wenig schade ist. So wirken sie fast wie eine klinische Tötungsanstalt ohne jegliche Blutspritzer.

Genug der Kritik, denn „The Somatic Defilement“ ist trotzdem ein sehr feiner Soundtrack für den nächsten eigenen Hobby-Splatterporno. Überraschenderweise gibt es bereits beim Titeltrack gegen Ende hin sogar ein kleines symphonisches Moment, anscheinend, um inne zu halten, ehe man endgültig für den Rest der Spielzeit keine Gefangenen mehr machen möchte. Warum auch? Der Death Metal der aus Tennessee stammenden Band ist gespickt mit technischen, dennoch nicht zu verfrickelten Passagen, die auf ein paar Grindcore- oder an wenigen Stellen sogar fiese Sludge-Elemente treffen. Dabei variiert man sehr schön mit dem Tempo, so dass einem nicht nur mit Highspeed die Rübe runter gerissen wird, sondern auch nochmal genüsslich die Dampfwalze über die toten Kadaver rollt. „Prostatic Fluid Asphyxiation“ ist das perfekte Beispiel hierfür, auch wenn kaum ein Song wirklich aus der Masse hervorsticht. Man beginnt mit massiven Breakdowns und im Midtempo, ehe man einen Mittelteil einbaut, der zwar erst langsam, dann aber nur noch krank ist und abwechslungsreich bis zum Ende bleibt. Vor allem das Wechselspiel aus abartig tiefen Growls und einigen bissigen Grunts beherrscht Phil Bozeman perfekt und lässt sich von der geballten Wucht von drei Gitarristen nicht unterbuttern. Wozu man drei Gitarristen unbedingt braucht, bleibt mir zwar ein Rätsel, da andere Bands mit zweien genauso knallen, jedoch zählt hier das Endprodukt und das kann mit richtig viel Wucht überzeugen. Lyrisch fällt das Ganze erwartungsgemäß ebenso kompromisslos aus, wie es klingt, und ausgesprochene Feministen scheinen die sechs Musiker auch nicht zu sein.

WHITECHAPEL machen Jack The Ripper also alle Ehre und liefern mit „The Somatic Defilement“ ein ebenso brutales wie leider auch etwas zu klinisch perfektes Album ab. Freunde von Bands wie All Shall Perish sollten so jedoch trotzdem absolut auf ihre Kosten kommen und den Kauf auf keinen Fall bereuen. Man geht sogar durchaus noch eine kleine Spur kompromissloser ans Werk, übertreibt es jedoch manchmal mit den Breakdowns. Für ein Debüt dennoch eine sehr hörenswerte Leistung, die mit knapp 32 Minuten jedoch minimal zu kurz ausfällt.
Inzwischen sind WHITECHAPEL in der ersten Liga des Death Metal angelangt, auch wenn die Band seit besagtem Erstling in vielfacher Hinsicht eine Wandlung durchlaufen hat: Erstens hat man sich lyrisch, ähnlich wie die kalifornischen Kollegen von Pathology, von den brutalen Schlachtfantasien, die hier dargeboten werden, entfernt. Wo die letzten beiden Alben „Whitechapel“ und „A New Era Of Corruption“ außerdem schon reine Death-Metal-Alben sind beziehungsweise die Ursprünge des WHITECHAPEL-Sounds nur noch marginal erkennbar sind, wird auf „The Somatic Defilement“ noch gemetzgert ohne Ende.
„The Somatic Defilement“ ist noch ein ziemlich astreines Brutal-Death-Album mit Metalcore-Einflüssen, dessen Stil auf „This Is Exile“ schon in leicht melodischerer Form weitergeführt wurde. Hier gurgelt sich Phil Bozeman noch genüsslich mit Pig Squeals, Grunts und Frog-Noise-Vocals durch den Kosmos des Band-eigenen Schlachthauses. Der neu aufgenommene Ton der Platte erdrückt den Hörer zudem wie zwei sich aufeinander zuschiebende Wände – wer also auf die Core-Lastigkeit der früheren Releases gepaart mit einer Brutalität steht, die selbst die frühen All-Shall-Perish-Releases aussticht und an Bands wie Disfiguring The Goddess erinnert, wird den Kauf dieses musikalischen Hackebeils nicht bereuen.

Keine Wertung

Publiziert am von Pascal Stieler

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