Interview mit Whitechapel

Die amerikanische Deathcore-Institution WHITECHAPEL steht mit ihrem siebten Album „The Valley“ in den Startlöchern. Dies haben wir als passenden Anlass genommen, um mit der Band über die Entstehung und Bedeutung des persönlichsten und reifsten Albums der Bandgeschichte, das Erforschen neuer musikalischer Gefilde und die Unzufriedenheit mit früheren Releases zu sprechen. Außerdem erfahrt ihr, welcher Game-Of-Thrones-Charakter sterben muss und was die Band Jack The Ripper zu verdanken hat.

 

Hallo und vielen Dank für deine Zeit. Wie geht es dir?
Soweit ganz gut, danke der Nachfrage.

WHITECHAPEL existieren nun schon seit 13 Jahren. Dennoch gibt es sicherlich immer noch einige Leute, die noch nie eure Musik angehört haben. Wie würdest du ihnen eure Musik beschreiben?
Ehrlich gesagt kommt es darauf an, welche WHITECHAPEL-Ära man beschreiben will und wie viel Erfahrung die Person mit Metal an sich hat. Daher ist es eine recht schwierige Frage. Wenn ich unser neues Album jemandem beschreiben sollte, der zumindest ein bisschen Ahnung von Metal hat, würde ich es als druckvollen, melodischen und aggressiven Metal bezeichnen. Man kann dabei nicht behaupten, dass es eine Mischung verschiedener Bands sei.

Du hast euer neues Album bereits kurz angesprochen: „The Valley“ erscheint am 29. März. Was unterscheidet es von euren vorherigen Releases?
Es ist unsere bislang reifste Veröffentlichung. Es greift einige Aspekte seines Vorgängers, „Mark Of The Blade“, auf und verfeinert diese mit mehr songwriterischer Finesse. Ebenso ist es das am besten produzierte Album unserer Bandgeschichte.

The Valley“ scheint ein weiteres Konzeptalbum zu sein, nachdem ihr beispielsweise mit „The Somatic Defilement“ bereits in eurer Vergangenheit diesen Weg gegangen seid. Auf dem Albumcover steht sogar „Based on true events“. Wovon handeln die Texte? Was bedeutet der Albumname?
Der Name bezieht sich auf Hardin Valley, einen Ort in Tennessee, in dem Phil (Anm. d. Red.: Sänger von WHITECHAPEL) aufgewachsen ist. Viele verstörende Momente in seiner Kindheit, auch in Bezug auf seine Eltern, fanden hier statt. Textlich führt uns das Album somit intensiver denn je durch die dunklen Phasen seiner Kindheit, was es zu einem sehr persönlichen Album macht.

The Valley“ ist nicht nur euer reifstes, sondern auch euer abwechslungsreichstes Album bisher. Was ist eure Motivation, musikalisch neue Wege zu erforschen? Ist dies ein Risiko, das eine Band bereit sein muss, einzugehen?
Es ist immer mit Risiko verbunden, neues auszuprobieren. Dabei zu versagen ist die beste Art zu lernen. Insofern wir diese Risiken nicht eingehen würden, würden wir als Band stagnieren. Als Band wollen wir aber lieber die weniger beschrittenen Wege gehen, was zugleich unsere Motivation ist, dieses Risiko einzugehen.

Hickory Creek“ ist euer erster Song, der ausschließlich Clean Vocals beinhaltet. Obwohl es ein brillantes Lied ist, meinst du, dass es einigen Fans missfallen wird?
Es wird immer Fans geben, denen einige unserer Songs nicht gefallen werden. Dabei spielt es keine Rolle ob es dieser oder ein Song von vor zehn Jahren ist. Fans, die sich gegen jegliche Veränderung stellen, werden selbstverständlich Probleme mit „Hickory Creek“ haben. Aber ich weiß was gute Musik ist und ich weiß in meinem Herzen, dass dieser Song großartig ist. Das klingt womöglich etwas selbstverliebt, da ich ja selbst in der Band spiele, aber es ist natürlich auch Teil des Jobs, zu wissen, was gute Musik ist und dieser Song erweckt Emotionen in mir. Die Fans, die keine Angst vor Veränderungen haben und Musik dafür lieben, was sie in ihnen auslöst, werden auch diesen Song lieben.

Bands wie Parkway Drive oder Suicide Silence wurden für die Veränderungen in ihrem Sound harsch kritisiert. Wie reagiert ihr auf negative Kritik in Magazinen oder auf euren Social-Media-Kanälen?
Wir reagieren einfach gar nicht darauf. Fertig.

Wann habt ihr mit dem Songwriting für „The Valley“ begonnen? Dauert es bei WHITECHAPEL Jahre bis ein Album geschrieben wurde oder seid ihr eine dieser Bands, die eine Platte in wenigen Wochen fertigstellen?
Jeder von uns schreibt das ganze Jahr über Musik und versendet die Demos an die anderen. Wir schreiben also immer. Ende Winter, Anfang Frühling 2018 haben wir uns dann zusammengesetzt und die ersten Songstrukturen gemeinsam ausgearbeitet. Dieser Prozess dauert im Normalfall etwa drei bis fünf Monate. Im Studio selbst haben wir aufgrund von Geldmangel und Terminplanungen kaum Zeit für Veränderungen. Letztendlich wurde das Album über eine Dauer von circa zwei Monaten aufgenommen. Wir weigern uns in der Zwischenzeit auch, unsere Releases innerhalb von wenigen Wochen fertigzustellen. Das ist nämlich nicht der richtige Weg um gute Musik zu schreiben.

Noch etwas zum Songwriting: Wie viel von jedem Bandmitglied steckt in der Musik von WHITECHAPEL?
Wie gesagt ist jeder von uns mit eingebunden. Obwohl manche Songs natürlich zum Großteil aus Riffs eines Mitglieds bestehen, setzen wir uns immer zusammen, tauschen unsere Ideen aus und feilen gemeinsam am Schliff der Songs. Somit benötigen wir jeden einzelnen, um unsere Alben zu schreiben.

Was ist die Verbindung zwischen dem Artwork eures neuen Albums und der Musik? Warum habt ihr genau dieses Cover ausgewählt?
Das Auge stellt Phil dar und die Landschaft, beziehungsweise das Tal, bezieht sich auf sein Leben. Wir haben uns auf dieses Cover geeinigt, da es die Idee und das Konzept des Albums in sich widerspiegelt.

Gehen wir mal zurück zu eurem 2016er Werk „Mark Of The Blade“. Was würdet ihr heute anders machen? Ist „The Valley“ eine logische Fortsetzung des Weges, den ihr auf eurem vorigen Album eingeschlagen habt?
„Mark Of The Blade“ haben wir ziemlich überhastet geschrieben und wir sind auch mit dem Sound insgesamt nicht glücklich. Es hatte einige gute Songs, aber wir haben das Gefühl, dass es sein Potential nicht voll und ganz entfalten konnte, was vor allem daran liegt, dass dem Mix und den Masters die nötigen Eier fehlten. Es klang einfach schwach. All das haben wir nun versucht besser zu machen. Trotzdem kann man sagen, dass „Mark Of The Blade“ ein wichtiger Wegweiser für „The Valley“ war.

Warum habt ihr „When A Demon Defiles A Witch“ für das erste Video von „The Valley“ ausgewählt?
Es ist einfach ein tolles Lied und die Bilder, die Phil mit seinen Lyrics beschreibt eigneten sich ideal, um ein Video daraus zu machen.

Doom Woods“ ist auch ein perfektes Beispiel dafür, wie man ein Album beenden muss und könnte mein All-Time-Favorite von WHITECHAPEL werden. Was bedeutet der Song?
Ich bin froh, dass du den Song magst. Es ist defintiv ein toller Song. Wo Phil aufgewachsen ist gab es viele Wälder, in welchen er einen Großteil seiner Zeit verbracht hat. Ich selbst kann aber leider auch nur raten, worüber Phil hier wirklich die Lyrics geschrieben hat…

Im Moment habt ihr keinen festen Schlagzeuger. Ist es schwierig ein Album ohne permanenten Trommler aufzunehmen? Und wer hat die Drums auf „The Valley“ eingespielt?
Es ist wirklich schwierig, da Schlagzeuger interessante Ideen für bestimmte Parts einbringen können, auf die wir selbst niemals gekommen wären. Es ist also ein bestimmtes Risiko, welches wir aber eingehen mussten. Für die Drums auf „The Valley“ haben wir Navene Koperweis (ehemals Animosity und Animals As Leaders) ausgesucht, der aktuell in seiner Band Entheos spielt.

Wenn man zurückgeht bis „The Somatic Defilement“ oder „This Is Exile“ haben WHITECHAPEL einen langen Weg zurückgelegt, um wie auf „The Valley“ zu klingen. Was waren deiner Meinung nach die wichtigsten Meilensteine der Bandgeschichte? Was hat WHITECHAPEL zu dem gemacht, das sie sind?
Eins unserer wichtigsten Mottos war, nie das zu machen, was andere von uns erwartet haben. Wir wurden von Beginn an als Deathcore-Band abgestempelt, obwohl wir nie ausschließlich einem Genre angehören wollten. Daher haben wir mit jedem Album mehr experimentiert, was uns zu dem macht, das wir jetzt sind.

Im Sommer spielt ihr in Deutschland einige Festivals. Bei welchen Songs freust du dich am meisten darauf, sie live zu spielen?
Ich freue mich immer darauf, viel neues Material zu spielen, nicht nur speziell auf einzelne Songs.

Ihr habt mit fünf Songs bereits die Hälfte des Albums vorab veröffentlicht. Welchen Mehrwert hat eine Band davon?
Aufgrund von Streaming und Social Media ist vieles anders als noch vor einigen Jahren. Unsere Idee ist es, einen Überblick zu geben, wie das Album klingen wird und hoffen, dass dadurch viele auf das Gesamtwerk gespannt sind.

Gibt es irgendwas auf „The Valley“, das du im Nachhinein gerne noch ändern würdest?
Ganz ehrlich: Nein. Ich bin mit jedem einzelnen Song absolut zufrieden. In der Vergangenheit hatten wir Alben, auf denen das definitiv nicht der Fall war, aber auf „The Valley“ bin ich sehr stolz!

Deathcore wurde schon vor einigen Jahren für tot erklärt, dennoch schaffen es Bands wie ihr, Fit For An Autopsy oder Shadow Of Intent frischen Wind reinzubringen. Wie würdest du den Zustand des Genres beschreiben?
Es wurde verunstaltet und überstrapaziert. Ich habe das Gefühl, dass viele junge Bands es einfach machen, um Bestandteil des Genres zu sein und dabei nicht die Musik schreiben, die sie fühlen und lieben. Sprich, sie sollten es nicht machen, weil jeder andere es macht oder es gerade in ist, sondern offen gegenüber verschiedenen Einflüssen sein und sich von dem inspirieren lassen, was sie lieben.

Wie siehst du die Zukunft des Metals? Willst du uns einen Newcomer verraten, den wirklich niemand verpassen darf?
Metal wird es immer geben! Und allmählich wird es auch in der Gesellschaft immer mehr anerkannt. In letzter Zeit habe ich sehr viel Vola gehört, eine schwedische Band. Sie sind zwar nicht unbedingt Newcomer, aber ich habe sie letztens erst entdeckt. Eine überragende Band, die es absolut wert ist, mal reinzuhören.

Welche Musik hörst du beim Auto fahren?
Entweder einen Classic-Rock-Radiokanal oder einfach das, worauf ich gerade Lust habe. Meine Spotifysuche umfasst wirklich alles.

Auf welches Album, außer euer eigenes, freust du dich im Jahr 2019 am meisten?
Ich bin sehr auf das neue Slipknot-Album gespannt und, obwohl ich nie ein großer Tool-Fan war, habe ich allerhöchsten Respekt für ihr musikalisches Talent und ihren einzigartigen Sound. Sie sind Meister ihrer Zunft, weshalb ich mich auch riesig darauf freue, ihr neues Album zu hören. Bis jetzt gibt es auf jedem ihrer Alben einige Songs, die ich sehr mag.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Bis jetzt steht die „Chaos And Carnage“-Tour in Nordamerika an und anschließend einige Festivals in Europa. Danach werden wir wohl für das nächste Album schreiben und Ideen sammeln.

Zum Abschluss kommen wir zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming. Was kommt dir bei folgenden Begriffen in den Sinn?
Game Of Thrones Staffel 8: Bitte tötet irgendjemand Cersei.
Trump/Kim Jong-un: Kleinkinder in Windeln.
Stanley Cup Play-Offs: Eishockey ist besser als Basketball oder Fußball. Die Spieler heulen nicht wegen kleinen Wehwehchen oder täuschen Fouls vor.
Musikstreaming: Ein notwendiges Übel. Es wird nie wieder verschwinden.
Jack The Ripper: In gewisser Weise würde ich sagen, dass wir dank ihm berühmt sind. Etwas seltsam, wenn man darüber nachdenkt.

Vielen Dank für deine Zeit! Ich wünsche euch viel Glück und Erfolg mit „The Valley“ und freue mich darauf, die neuen Songs live zu hören. Die letzten Worte überlasse ich dir:
Auch dir vielen Dank für deine Zeit und die Mühen. Ebenso ein großes Danke an alle, die uns unterstützen! Ohne euch wären wir nicht, wo wir sind!

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Publiziert am von Silas Dietrich

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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