Interview mit Stefan Bayle und Wilheim von Au Champ Des Morts

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Mit „Dans La Joie“ haben AU CHAMP DES MORTS, die französischen Post-Black-Metaller um Stefan Bayle (ehem. Anorexia Nervosa), ein zutiefst atmosphärisches, aber dennoch tief im Black Metal verwurzeltes Debüt veröffentlicht. Sänger/Gitarrist Stefan und Schlagzeuger Wilheim enthüllen im folgenden Interview unter anderem, was es mit dem Bandnamen und dem Albumtitel auf sich hat, inwiefern Cold Wave in ihrer Musik zu finden ist und warum der Album-Release für sie trotz guter Kritiken etwas merkwürdig war.

AU CHAMP DES MORTS, also „auf dem Feld der Toten“ ist ein ziemlich spezifischer Name. Was genau meint ihr damit?
Wilheim: Deine Übersetzung ist nicht gänzlich zutreffend: Uns wäre es lieber, wenn man es als „zum Feld der Toten“ übersetzt. Die französische Konjunktion „au“ kann gleichermaßen „auf“ oder „zum“ bedeuten. Diese Doppeldeutigkeit war von uns gewollt, somit kann man die Phrase sowohl als die Reise als auch als das Ziel verstehen.
Stefan: Erstens ist das der Name einer bemerkenswerten Ausgrabungsstätte in Glozel in Auvergne, wo Keilschriften gefunden wurden. Dieser Fundort ist gewissermaßen die Wiege der menschlichen Schrift. Es ist ein Ort verlorenen, hermetischen Wissens, was uns viel bedeutet. Der Name impliziert aber auch ein Konzept, das den Tod betrifft, was ebenfalls ein zentrales Merkmal unserer Arbeit ist. Außerdem kann man eine Verbindung zu Schlachtfeldern und den Erinnerungen an Soldaten aus antiken Zeiten ziehen. Wir haben diesen Namen gewählt, weil er vielfältig interpretiert werden kann und weil er das perfekte Symbol für dieses Projekt ist.

Welche Bands und Musiker haben euch am meisten geprägt?
Stefan: Es ist schwer, jeden Künstler zu nennen, der unsere Musik beeinflusst hat!
Wilheim: Wir haben uns dazu entschieden, uns mit AU CHAMP DES MORTS ohne jegliche Zurückhaltung auszudrücken und all unsere Einflüsse einwirken zu lassen. Jedwede Musik, die besonders in unseren Seelen widerhallt, ohne darüber nachzudenken, ob sie dazu passt oder nicht. Das wären zum Beispiel Cold Wave, Black Metal, alter Hard Rock….
Stefan: Ich kann jedenfalls sagen, dass es Bands gibt, die ich schon Jahrzehnte gehört habe, die einen Teil unserer DNA ausmachen, wie Bathory, Celtic Frost oder And Also The Trees, Dead Can Dance, aber auch zeitgenössische Bands wie Austere, In Solitude, Alcest, The Devil’s Blood und noch mehr.

Stefan, du hast früher bei Anorexia Nervosa Symphonic Black Metal gespielt. AU CHAMP DES MORTS ist hingegen Post-Black Metal. Warum der Genre-Wechsel?
Stefan: AN sind seit praktisch zehn Jahren nicht mehr aktiv. Es war ein anderes Projekt, eine andere Zeit. Der musikalische Ausdruck von Anorexia Nervosa musste symphonisch und hysterisch sein. Nun habe ich mich dazu entschieden, etwas viel Persönlicheres zu schaffen. Wir haben jeden Song sehr intuitiv, spontan geschrieben, ohne darüber nachzudenken, wie er klingen sollte. Ich möchte damit etwas Tiegründiges ausdrücken, um auf meiner persönlichen Reise voranzuschreiten und um das aufrichtigste, kompromissloseste Album wie möglich zu kreieren. Wir hatten niemals vor, ein bestimmtes Genre zu spielen oder in einer bestimmte Sub-Kategorie hineinzupassen. Wir versuchen einfach, die Musik aus dem Äther zu extrahieren, weil wir sie brauchen. Ich denke, diese Art von Musik muss man fühlen, um sie tiefgehend zu verstehen. AU CHAMP DES MORTS klingen so, weil wir so klingen müssen. Ich mache keinen Unterschied zwischen Cold Wave, Black oder Post-Black Metal, solange es tiefsinnige Kunst ist.

„Dans La Joie“, euer Debüt klingt trotz einiger Post-Rock-Anleihen sehr schwarzmetallisch. Findet ihr, dass sich andere Post-Black-Metal-Bands zu sehr auf Post-Rock und Shoegazing konzentrieren?
Stefan: Wir können nicht für andere Bands sprechen und wollen keine Zeit darauf verwenden, die Musik anderer zu sezieren, um ihre Konstruktion zu analysieren. Ich finde, es gibt viele tolle Bands im Post-Black Metal, es ist einfach eine Weiterentwicklung von Black Metal, und ich bin nicht allzu feinfühlig, wenn es darum geht, die Balance zwischen Black Metal und anderen Einflüssen in unserer Musik abzuwägen. Solange ein Album etwas zu sagen hat und in sich stimmig ist, versuche ich, es anzuerkennen. Manchmal ist das ein langfristiger Prozess, wie jede spirituelle Reise, und das alleine zählt.

Eure Musik weist auch Einflüsse von Cold Wave auf. Wie äußern sich, eurer Meinung nach, diese Einflüsse und an welchen Bands habt ihr euch diesbezüglich orientiert?
Wilheim: Wie gesagt, Cold Wave war schon immer ein Teil unseres kulturellen Hintergrundes, also hat er seinen Weg ganz natürlich in unsere Songs gefunden. Ich denke, auf diesem Album kann man Reminiszenzen an And Also The Trees, The Cure, Dead Can Dance und Fields Of The Nephilim heraushören.

Wie ist das allgemeine Feedback auf euer Debüt ausgefallen?
Stefan: Viel besser als wir es erwartet hätten. Wir sind sehr froh und stolz, dass so viele Leute verstanden haben, was wir damit bezweckt haben und das ist wirklich toll. Andererseits ist es auch etwas merkwürdig für uns, weil wir an diese ganze Internet-Sache noch nicht gewöhnt sind. Als wir jung waren, kam man über Tape-Trading und Fanzines an neue Musik. An ein Foto von einer Band ranzukommen, war ein Abenteuer. Zur Zeit von AN waren Magazine der Weg, um eine Band bekannt zu machen. Nun ist alles weltweit und augenblicklich: Jeden Tag bekommen wir drei bis vier Reviews, Interviews, News, Bilder. Sogar Kinder können mit Webcams von ihrem Zimmer aus ein Review machen.

Gibt es einen bestimmten Track auf dem Album, der euch besonders viel bedeutet und wenn ja, welcher und warum?
Stefan: Das ist eine wirklich schwere Frage… Es hat so viel Spaß gemacht, diese Tracks zu komponieren und zu spielen. Jeder Song repräsentiert eine Facette von uns, unserer Kultur, unserer Vision von dieser Welt.
Wilheim: Wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es wohl „L’Etoile Du Matin“. Die Ernsthaftigkeit, der The Cure-artige Schlagzeugrhythmus, diese Cold-Wave-Atmosphäre gemixt mit dem ganzen Black-Metal-Sound machen ihn zu einem für mich sehr besonderen Song.

Von eurer ersten EP „Le Jour Se Lève“ habt ihr den Song „Le Sang, La Mort, La Chute“ auf das Debüt übernommen, den Titeltrack hingegen nicht. Warum?
Wilheim: Das ist einfach Old School. „Le Jour Se Lève“ war eine Single und „Le Sang, La Mort, La Chute“ war die B-Side. Wir mögen diesen Song sehr und wollten, dass er Teil eines vollen Albums wird, damit er auch als wichtiger Teil unseres Repertoires angesehen wird. Der Track hat es echt verdient.

„Dans La Joie“ (zu deutsch „in der Freude“) ist ein eher ungewöhnlicher Titel für das Album, klingen die Songs doch vor allem wegen der Vocals ziemlich verzweifelt und trostlos. Warum dieser widersprüchliche Titel?
Wilheim: Uns gefiel der Kontrast zwischen dem Namen und dem Gefühl, das das Album vermittelt. Wir haben das Wort „Freude“ in seiner biblischen Bedeutung als Enthüllung der wahren Bedeutung der Sprache Gottes gebraucht. Dazu mussten wir durch tiefe Dunkelheit und Verzweiflung gehen, um das Licht wieder zu sehen.

Worum geht es thematisch auf „Dans La Joie“?
Stefan: Die Texte wurden wie die Musik geschrieben, es kam halt einfach so. Als wir dann an der Tracklist gearbeitet haben, ist uns aufgefallen, dass sich eine Art Konzept herauskristallisiert hatte. „ Wir sind die Zeugen des Todes in all seinen Formen.“ Der Tod ist in unserer Arbeit omnipräsent, in all seinen Ausformungen: Der Tod des Fleisches, der Tod der Zivilisation, der Tod der Welt.

Passend zur Musik sieht auch das Artwork ziemlich düster und trist aus. Was könnt ihr uns darüber erzählen?
Wilheim: Das Artwork wurde von dem ideenreichen Künstler Dehn Sora kreiert. Er hat es geschafft, jeden Aspekt unserer Musik in seine Arbeit zu integrieren und sein meisterhafter Umgang mit Schwarz und Weiß macht die ganze Kunst, Bild und Musik, homogen.

Bereits eure erste EP „Le Jour Se Lève“ und nun auch euer Debüt-Full-Length „Dans La Joie“ wurden über Debemur Morti veröffentlicht. Wie kamt ihr zu dem Vertrag mit dem Label?
Stefan: Nachdem wir das aufgenommen hatten, was später die EP „Le Jour Se Lève“ werden würde, schickten wir einige Kopien durch unser Netzwerk, um einen Vertrag zu bekommen. Wir erhielten einige Angebote, eines davon kam von Debemur Morti. Dieses Label wäre ohnehin unsere erste Wahl gewesen, denn sie unterstützen viele begabte Künstler der dunklen Szene. Was sie uns anboten, war jedoch jenseits unserer Erwartungen: Wir trafen Menschen mit derselben Vision und Feinfühligkeit wie unsere. Das ist für uns sehr wichtig, um zuversichtlich mit Menschen zusammenzuarbeiten. Es ist eine Ehre, Teil dieses Labels zu sein.

Was sind eure nächsten Pläne für AU CHAMP DES MORTS?
Wilheim: Wieder komponieren und uns auf die Live-Auftritte vorbereiten. Wir machen nun als Trio weiter, also wollen wir die Dinge nicht überstürzen, außerdem wollen wir unsere Performance unserem Album würdig gestalten.

Wir nähern uns langsam dem Ende dieses Interviews. Als Abschluss möchte ich euch noch unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming unterziehen. Was fällt euch zu den folgenden Begriffen ein:
Alcest: Eine wundervolle Band, so ehrfurchtgebietend.
Front National: Ich dachte, wir reden hier über Musik…
Meist erwartetes Album 2017: Das nächste Immortal-Werk.
Französische Lieblingsspeise: Limousin-Rind, besonders Rippchen, eine Tradition unserer Region.
AU CHAMP DES MORTS in fünf Jahren: Wenn die Kunst uns immer noch durchdringt, werden wir noch da sein, wenn nicht, dann nicht.
Black Metal: Mehr Geist denn Genre.

Abermals ein großes Dankeschön, dass ihr mit uns dieses Interview geführt habt. Möchtet ihr unseren Lesern noch etwas sagen?
Lasst euch von Freude und Licht durchdringen.

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