Interview mit Alexander Paul Blake von Eden weint im Grab

EDEN WEINT IM GRAB – warum eigentlich? Die Musik auf dem vierten Longplaywer „Geysterstunde I – ein poetisches Spektakel zu Mitternacht“ ist derart gut geworden, dass wir es uns nicht nehmen ließen, Bandleader und Mastermind Alexander Paul Blake auf den Zahn zu fühlen. Lest im folgenden, was er für finstere Nachrichten mitbringt.

Grüß Dich, Alexander. Dieser Tage erscheint Euer viertes Album „Geysterstunde I – Ein poetisches Spektakel zu Mitternacht“. Bist Du etwas aufgeregt oder sogar nervös?
Weder noch. Momentan ist es vor allem ein enormer Berg an Arbeit. Promotion, Interviews beantworten, Vorbereitung für die Konzerte oder Bestellungen bearbeiten – all diese Dinge halte einen rund um die Veröffentlichung immer ganz schön auf Trab. Grund für Nervosität besteht ja nicht, denn ich bin davon überzeugt, dass wir das bestmögliche Album aufgenommen haben, das uns zu diesem Zeitpunkt möglich war, und ich bin optimistisch, dass es die (meisten) Hörer mögen werden.

Gleich vorweg, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ich finde das neue Material klasse. Ich hoffe, das haben Dir schon viele Leute und auch die schreibenden Kollegen schon gesagt?!?
Dankeschön. Ja, die Medienreaktionen waren bisher – bis auf eine Ausnahme – auch allesamt sehr euphorisch. Da freut man sich natürlich, denn das ist immer eine schöne Bestätigung für die Monate an harter Arbeite, die man in ein Album investiert hat.

Vier Alben, aber kein erkennbarer Stil. So könnte man es negativ formulieren. Ich bin mir sicher, dass Du folgende Variation schon eher bevorzugst: vier Alben und der Abwechslungsreichtum ist noch immer nicht erschöpft. Wie kommt Eure enorme Wandelbarkeit und Vielfältigkeit zu Stande?
Ich sehe das nicht so. Eden Weint Im Grab haben einen sehr klaren Stil und ich finde, dass man unsere Musik wiedererkennen kann. Es war nur so, dass wir mit ‚Der Herbst des Einsamen‘ etwas vom ursprünglichen Pfad abgewichen sind und mit der Trakl-Vertonung etwas anderes probiert haben, indem das Hauptaugenmerk auf cineastischen Ambient-Sounds und Rezitation anstelle von Gitarren und Schlagzeug lag. Aber das Album atmete auf seine Weise dennoch den EDEN-WEINT-IM-GRAB-Geist. Mit ‚Geysterstunde I‘ sind wir nun gewissermaßen auf den ursprünglichen Pfad zurückgekehrt, versuchen uns und den Hörern den weiteren Weg aber durch die Einbindung neuer Elemente interessant zu gestalten. Die Vielfältigkeit kommt einerseits durch musikalische Offenheit zustande, denn wenn man stets offen für neue Einflüsse ist – auch außerhalb des Metal-Genres – fällt es einem natürlich einfacher, die Musik spannend zu halten. Andererseits ist es wichtig, sich nicht selbst zu limitieren, sondern Neues auch zuzulassen. Ich glaube, viele Bands haben Angst, sich durch zu viele Experimente den Ruf zu zerstören. Wir haben mit ‚Der Herbst des Einsamen‘ den kommerziellen Selbstmord einfach in Kauf genommen und das gemacht, was sich richtig anfühlte, auch auf die Gefahr hin, dass es viele Menschen nicht verstehen würden – das Gegenteil war glücklicherweise der Fall.

Ursprüchlich war EDEN WEINT IM GRAB ein reines Solo- bzw. Studioprojekt. Ich gehe daher mal schwer davon aus, dass Du trotz des Anwachsens der Truppe zum Quintett weiterhin so gut wie alle Fäden in der Hand hältst?
Ja, was aber nicht heißt, dass die anderen meine Marionetten wären. Es kann sehr bereichernd sein, wenn andere Menschen Ideen einbringen, auf die man selbst nicht kommen würde, aber diese Ideen sollten sich innerhalb eines gewissen Rahmens bewegen, damit es unverkennbar EDEN WEINT IM GRAB bleibt – darauf achte ich natürlich. Es hat sich während der Zeit von ‚Der Herbst des Einsamen‘ immer mehr eine richtige Band heraus kristallisiert, die ursprünglich nur für die Live-Konzerte konzipiert war – aber nachdem es einfach in vielerlei Hinsicht passt zwischen uns und es sich mehr und mehr wie eine Band anfühlt, lag es nahe, das auch nach außen so darzustellen und die anderen Herren mehr einzubuinden.

Ist Dein eigenes Musikinteresse sehr weit gefächert oder wie kommt es, dass Du neben den üblichen Metalspielarten Doom, Death und Black noch Soundtrackelemente, Kirmesmusik und sogar Tango und Walzer in die Musik einfließen lässt?
Ja, definitiv. Wie erwähnt sehe ich darin eines der wesentlichen Elemente, um die Musik für mich selbst interessant zu halten. Ich mag zwar auch Bands wie beispielsweise AC/DC oder Iron Maiden, die letztendlich immer wieder dasselbe machen, aber für die eigene Kunst wäre das nicht ausreichend, und ich hoffe auch, dass EDEN WEINT IM GRAB niemals vorhersehbar wird. Andererseits ist das natürlich der schwierigere Weg, da man ständig gezwungen ist, etwas Neues zu ersinnen und der Anspruch nicht nur darin liegt, gute Songs zu schreiben, sondern diesen auch immer noch einen besonderen, eigenen Charakter mit auf den Weg zu geben.

Die Texte scheinen mir ein wesentliches Moment Eures Schaffens zu sein. Wie kann ich mir das Songwriting vorstellen? Erst Musik, dann Text. Oder umgekehrt. Oder mal so und mal so?
Ja, Musik und Texte sind gleichwertig. Die Musik unterstreicht diesmal sehr deutlich die Inhalte der Texte. Jeder Song ist eine kleine Welt für sich und erzählt eine abgeschlossene Geschichte, ähnlich wie literarische Kurzgeschichten. Wenn es um den ‚Tango Mortis‘ geht, erklingen auch Tango-Elemente, die ‚Moritat des Leierkastenmanns‘ lässt das Leiern der Orgel auch klanglich nachempfinden, die ‚Irrfahrt durchs Leichen-Labyrinth‘, jenes sonderbare Gruselkabinett zwischen den Welten, ist auch musikalisch eine rasante, aufrüttelnde Fahrt, ‚Armee der Wiedergänger‘ enthält Elemente der Marschmusik und ‚Gespenster-Revue im Theater Obszön‘ lässt auch das Ohr am Spuktheater zu Beginn des letzten Jahrhunderts teilhaben. Für das Songwriting gibt es keine Regeln. Die Songs diktieren dem Künstler, wie sie klingen wollen. Mal ergibt sich aus der Stimmung des Textes die Geschichte, die das Stück erzählt und mal steht zuerst eine Idee oder ein Text, um die die Musik herum komponiert wird.

Wonach wählst Du die Inspirationsquellen aus?
Es fällt mir schwer, diese Frage zu beantworten. Letztlich ergeben sich die Dinge einfach – die Inspirationen fliegen einem gewissermaßen zu, wenn man sich öffnet. Sie sind wie Geyster, die in eine Form gebracht werden wollen. Bei manchen Ideen weiß ich sofort, dass dies ein EDEN-WEINT-IM-GRAB-Song werden muss. Aber warum und weshalb ich diese und jene Idee aufgreife, andere aber nicht, lässt sich wohl nur mit der Intuition begründen.

Edgar Allen Poe ist natürlich ein Klassiker der Schauerliteratur, heutzutage könnte man das filmisch gesehen tatsächlich auf Tim Burton übertragen – dass er Dich inspiriert hat, war mir schon klar, bevor ich es im Info las. Das passt einfach, Burton ist ein Meister der Atmosphäre, oder?
Ja, definitiv. Was mir aber bei vielen Burton-Filmen auffiel, ist, dass die Stimmung der Musik nicht mit der Atmosphäre der Bilder einherging – zumindest in meinen Augen, das sieht ja jeder anders. Gerade bei Filmen wie ‚Nightmare Before Christmas‘ oder ‚Corpse Bride‘ war mir die Musik zu undüster und fröhlich. Es fehlte mir der Metal-Anteil, haha. Ich finde, dass was wir in einigen Liedern auf ‚Geysterstunde I‘ zelebrieren, wäre da schon besser geeignet :) Allerdings steckt keine Absicht dahinter, da sowohl die Filme von Burton als auch die Kurzgeschichten von Poe ein unbewusster Einfluss sind. Man sieht die Filme oder liest die Erzählungen und fühlt sich irgendwie gefangen und davon beeindruckt – logisch, dass sich dies auf die ein oder andere Weise auch wieder im eigenen Schaffen manifestiert, dort allerdings mit meiner eigenen Sprache und somit wieder auf eine neue Weise.

Betitelt ist das Album als „Geysterstunde I“ und auch das Info spricht schon davon, dass ein zweiter Teil noch daherkommen wird. Ist da schon alles im Kasten oder zumindest die Musik fertig? Wird es nahtlos an Teil I anknüpfen oder sich doch sehr vom aktuellen Material unterscheiden?
Noch ist gar nichts im Kasten. Erst einmal wollen wir den ersten Teil auf die Bühne bringen und etwas Zeit verstreichen lassen, in der ich mich wieder anderen Projekten widme. Dass es einen zweiten Teil geben wird, ist aber sicher, da gerade thematisch noch so viele Ideen im Raum schwirren, die nach einer Umsetzung schreien. Das Konzept verlangt einfach eine größere Umsetzung als nur mit einem Album. Ich gehe davon aus, dass der zweite Teil auch musikalisch ein Zwilling des ersten sein wird, aber das lässt sich immer schwer planen, denn allzu oft nimmt die Musik ein Eigenleben an, das man selbst so nicht beabsichtigt hatte.

Woher rührt eigentlich die Tendenz, das „i“ durch ein „y“ zu ersetzen. Das habe ich bei einigen Mittelalterbands beobachtet, was für einen Sinn macht es?
Das ist eine Spielerei, die aus einer x-beliebigen ‚Geisterstunde‘ eine ganz besondere ‚Geysterstunde‘ nach EDEN-WEINT-IM-GRAB-Art macht. Um ehrlich zu sein, setze ich das y für das i ja nicht konsequent ein, sondern nur wenn ich das Gefühl habe, es ist mal wieder an der Zeit. Der Ursprung dafür liegt in unserem Motto ‚Trauer, Tod und Träumerey‘, das unsere ersten T-Shirts zierte. Seitdem setzen wir den Hörern immer mal wieder ein y für ein i vor :) Ich finde auch, es lässt das Ganze noch etwas poetischer erscheinen. Mittelalterbands waren allerdings keine Inspiration dabei – diese Szene ist uns sehr fern.

Weshalb gibt es Deiner Meinung nach Pseudonyme? Kommt da nicht auch das Gefühl auf, dass sich der Betreffende nicht öffentlich zu seiner Kunst bekennen will?
Haha, ich schäme mich nicht für die Musik von EDEN WEINT IM GRAB. Daran liegt es nicht. Ich kann da nur für mich sprechen, nicht für andere Künstler. Es geht darum EDEN WEINT IM GRAB von meinen anderen Projekten zu trennen, und es geht darum, sich selbst als Privatperson zurück nehmen und die Musik für sich stehen zu lassen. Die Menschen sind heutzutage oft an Boulevardthemen interessiert und wollen am liebsten bis ins kleinste Details wissen, was im Privatleben anderer passiert. Ich für meinen Teil möchte dieses aber nicht mit jedermann teilen und finde, es spielt auch keine Rolle, ob ich in schwarzer oder roter Bettwäsche schlafe. Zudem ist EDEN WEINT IM GRAB eine abgeschlossene Welt für sich – wie ein düsteres Märchenreich, in das man eintaucht. Und das tue auch ich als Schöpfer dieser Welt. Ich vergleiche das gerne mit der Rolle eines Schauspielers oder Romanautoren, die mit Hilfe ihrer Fantasie oder schauspielerischen Gabe eine neue Welt erschaffen, jedoch in dem Moment, wo sie aufhören zu schreiben oder zu schauspielern nicht mehr unbedingt Teil dieser Welt sind. Um es kurz zu machen, EDEN WEINT IM GRAB ist der Versuch, düstere, morbide Kunst zu erschaffen und Alexander Paul Blake ist in dieser Kunstwerk der Dirigent, aber Alexander Paul Blake ist nur ein Teil von mir – ein Teil, den ich beim Einkaufen oder Duschen meist draußen lasse :)

Wie sehr musst Du zwischen Deiner Musik und Deinem „sonstigen“ Leben differenzieren. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht immer ganz leicht ist, wenn man ein Konzept so stark in den Fokus rückt, wie Ihr es bei „Geysterstunde I“ getan habt.
Wie gesagt, das eine ist die Welt der Kunst, das andere ist das Privatleben. Diese Welten korrelieren bisweilen, aber ich muss sie zwangsweise auch oft trennen, da ein reines Leben in der Kunst nicht möglich ist. Und natürlich lebt man solch ein Album wie ‚Geysterstunde I‘ ein Stück weit während der Entstehung und hat es beim Schlafengehen und Aufwachen und all die Zeiten dazwischen im Kopf. Aber das wiederum heißt nicht, dass man die Kunstfigur auf Fotos oder in Videos automatisch mit dem Menschen gleichsetzen sollte, der die Nahrung heranschafft, um die körperliche Manifestation von Herrn Blake in dieser Gesellschaft am Leben zu halten.

Bevor ich Eure CD bekam, war mein einziger Berührungspunkt mit EDEN WEINT IM GRAB ein altes Foto auf mp3.de, ich meine, es war ein rosanes Auto darauf. Nun haben sich die ersten sozialen Netzwerke ja schon totgelaufen, würdest Du einen Ausblick wagen, wohin die Reise gehen wird im Netz der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten?
Ein rosafarbenes Auto??? Ich habe da so meine Zweifel, ob du nicht etwas durcheinander bringst, lieber Jan, denn ich kann mich nicht an ein solches Bild erinnern und sehe so spontan auch keinen Platz für rosafarbenes Autos im EwiGen Kosmos. Dort ist nur Platz für Leichenwagen oder alte Pferdekutschen mit Spinnenweben in den Scheiben und geisterhaften Reitern :) Um Ausblicke auf die Zukunft der sozialen Netzwerke zu wagen, fehlt mir die Kompetenz. Mp3.de war für uns aber eine große Hilfe, um im Internet etwas Bekanntheit zu erlangen, da unser Debüt ‚Traumtrophäen Toter Trauertänzer‘ dort Tausende Male frei herunter geladen wurde. Mittlerweile gibt es die Seite ja nicht mehr und wir haben das Album u.a. auf Jamendo neu hochgeladen. Auch MySpace war vor einem Jahr noch das Maß aller Dinge und mittlerweile interessiert es niemanden mehr, weil alle Welt bei Facebook ist. Die digitale Welt ist so schnelllebig. Ich denke, anstatt sich Gedanken zu machen, was als nächstes kommt, ist es besser, sich davon frei zu machen und auf soziale Netzwerke gar nicht angewiesen zu sein. Es ist eine Scheinwelt. Als Hilfsmittel sind sie praktisch, gerade für uns als Band, aber man sollte sie nicht mit der realen Welt verwechseln und hin und wieder auch einfach abschalten und sich auf die wahren Werte des Lebens besinnen.

Ok, trägst Du Dich bitte zum Schluss noch ins auf EDEN WEINT IM GRAB spezialisierte Metal1-Charakterbuch ein :)
Lieblingsautor: da gibt es viele, aber ich sage jetzt einfach Georg Trakl – was bleibt mir nach einem Album wie „Der Herbst des Einsamen“ auch anderes übrig :)
Lieblingsgeschichte: ich kann mich zwischen den 15 Geschichten auf „Geysterstunde I“ nicht entscheiden, sie hätten die Erwähnung hier alle verdient
Lieblingstageszeit: Mitternacht natürlich, wobei ist das eine „Tages“zeit?
Lieblingsfolterinstrument: die eiserne Jungfrau, weil sie uns noch heute gute Musik beschert
Lieblingstodesart: aus dem nächtlichen Traum heraus in eine andere Welt wandeln
Lieblingssoundtrack: die Musik in meinem Kopf, die meinen Lebensfilm untermalt
Lieblingsjahrmarktattraktion: der Leierkastenmann und die Geysterbahn natürlich
Lieblingskulturepoche: die Romantik

Ok, dann bedanke ich mich für Deine Antworten; Euch alles Gute, bis zum nächsten Mal gehören die letzten Worte Dir.
Danke an dich, Jan, für das Interview und an alle Leser von Metal1, die es bis hier geschafft haben. Als nächstes empfehle ich all jenen, die uns noch nicht kannten, einen Klick auf das Video von ‚Moritat des Leierkastenmanns‘ und auf unsere Download-Sektion auf www.edenweintimgrab.de, wo es nach wie vor zahlreiche Songs zum freien Download gibt. Allen, die ins schon kennen, wünsche ich einige schaurig-schöne Stunden mit ‚Geysterstunde I‘, auf dass eure Fantasie dieses Werk mit Leben fülle!

Publiziert am von Jan Müller

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