Interview mit Rafael und Alain von Fall Of Mankind

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Ihre Masken sind für FALL OF MANKIND kein Stilmittel, sondern ein Instrument – um musikalisch den Finger in die offenen Wunden der heutigen Gesellschaft zu legen. In ihrem ersten Interview erzählen Rafael und Alain mehr zur Entstehungsgeschichte des Projekts, dem Konzept und warum es Musik wie diese gerade jetzt braucht.

Hallo Rafael, hallo Alain. Ihr spielt beide zusammen seit langem bei Eluveitie und seit einiger Zeit auch bei TVINNA. Nun habt ihr mit FALL OF MANKIND ein drittes gemeinsames Projekt am Start. Wie kam es dazu?
Rafael: Alain und ich kennen uns schon sehr lange. Bereits vor 15 Jahren haben wir gesagt, dass wir unbedingt mal ein gemeinsames Projekt starten wollen. Als wir dann gemeinsam bei Eluveitie gespielt haben, kam die Idee wieder auf. Aber wir wollten nicht einfach irgendetwas machen. Es sollte Gewicht haben. Es sollte Tiefe besitzen und musikalisch wollten wir keine Kompromisse eingehen.

Wie seid ihr auf FALL OF MANKIND als Name gekommen? Hattet ihr auch andere Ideen?
Rafael: Wie in jedem kreativen Prozess haben wir eine Weile gesucht und verschiedene Ideen ausprobiert. Aber nichts war so ehrlich, so klar, so unausweichlich. FALL OF MANKIND ist keine Metapher. Es ist Realität. Oft fühlt es sich aber so an, als würden dich die Dinge finden – nicht umgekehrt. FALL OF MANKIND war definitiv eines davon. Der Name kam von jemandem in unserem Umfeld. Es war sofort klar das es der perfekte Fit für unsere Band ist.

(c) Manuel Schütz

Bei FALL OF MANKIND tretet ihr erstmals mit Masken in Erscheinung, gleichzeitig aber unter euren echten Namen. Warum habt ihr euch für diese Form der „halben Anonymität“ entschieden?
Rafael: Die Masken helfen uns, Distanz zu schaffen. Sie lenken den Fokus weg von uns als Individuen und hin auf das, was wir sagen wollen. Gleichzeitig gibt es uns mehr künstlerische Freiheit. Wir wollten kein Geheimnis daraus machen, wer wir sind. Solche Dinge kommen ohnehin schnell ans Licht, weshalb wir keinen
Sinn darin sehen, uns zu verstecken. Die meisten Hörer werden wohl ohnehin nur die Masken sehen und sich gar nicht direkt fragen, wer dahinter steckt.

„Dass wir auf eine düstere Zukunft zusteuern, ist unbestreitbar. Politische Maßnahmen dagegen sind oft halbherzig oder verleugnend. Das hat uns den Antrieb gegeben, etwas zu sagen.“

Eure Teaser auf Social Media wirken sehr dystopisch, genau wie der Bandname. Wird sich dies auch musikalisch niederschlagen?
Rafael: Absolut! Das gesamte Album ist aus dieser Idee heraus entstanden. Dass wir auf eine düstere Zukunft zusteuern, ist unbestreitbar. Politische Maßnahmen dagegen sind oft halbherzig oder verleugnend. Das hat uns den Antrieb gegeben, etwas zu sagen. Wir sind keine Politiker und müssen nicht aufpassen, was wir sagen. In unserem künstlerischen Rahmen können wir frei sprechen – und das werden wir auch tun. Die Dystopie ist nicht Fiktion, sie ist Alltag. Unsere Musik klingt so, wie sich diese Zeit anfühlt.

Wie wichtig ist euch das Gesamtkonzept, also die Verbindung von eurer Musik mit einer entsprechenden Optik, Inszenierung und auch den Songinhalten?
Rafael: Uns ist Authentizität wichtig. Das, was wir tun, sind wir auch. Es ist nicht aufgesetzt oder konstruiert, nur um gehört zu werden. Wir erzählen Geschichten und die brauchen Tiefe, Form, Klang. FALL OF MANKIND ist kein Zufall, sondern eine Vision. Alles hängt zusammen. Ein Song ohne Inhalt ist nur Lärm. Ein Bild ohne Bedeutung ist nur Kulisse.

(c) Manuel Schütz

Bei Bands mit Masken und einer härteren Gangart denken viele zunächst an Slipknot oder inzwischen auch Sleep Token. Wie hebt ihr euch davon ab? Gibt es auch Gemeinsamkeiten zu diesen Szenegrößen?
Rafael: Wir sind keine Kopie. Aber wir sind auch nicht blind. Jeder, der mit Masken arbeitet, trägt Vergleiche mit sich. Die Unterschiede liegen in der Absicht. Slipknot ist Wut. Sleep Token ist Intimität. FALL OF MANKIND ist Konfrontation. Wir wollen nicht provozieren – wir wollen zum Denken anregen.
Alain: Grundsätzlich haben diese Bands aber keinen Einfluss auf uns. Maskierte Künstler gibt es in vielen Genres. Für uns ging es darum, etwas zu erschaffen, das größer ist als wir selbst. Die Masken passen zu unserem Konzept.

„Die Unterschiede liegen in der Absicht. Slipknot ist Wut. Sleep Token ist Intimität. FALL OF MANKIND ist Konfrontation.“

Wie unterscheidet sich eure Zusammenarbeit oder auch der kreative Prozess bei FALL OF MANKIND von Eluveitie und TVINNA?
Alain: Jede Band ist anders. Wir wollen gar nicht zu sehr ins Detail gehen. FALL OF MANKIND ist unser Raum ohne Kompromisse. Wir müssen keine Strukturen bedienen, keine Erwartungen erfüllen. Hier ist alles erlaubt – solange es echt ist.
Rafael: Alain und ich kennen uns schon sehr lange. Unsere Kommunikation ist ehrlich und direkt. Es gibt keine Hindernisse. Das hilft dem kreativen Prozess so sehr.

Am 16. Mai habt ihr euren ersten Songs namens „Portent In The Dark“ veröffentlicht, als Sängerin istdarin Adrienne Cowan zu hören. Wie ist der Kontakt zu ihr entstanden? Hattet ihr zuerst den Song und habt dafür eine passende Stimme gesucht oder wolltet ihr auf jeden Fall mit ihr arbeiten?
Rafael: Wir haben uns mit allem viel Zeit gelassen. Wir wollten kein erstes Album schreiben, mit dem wir konzeptionell oder inhaltlich nicht zufrieden sind. Auch bei der Wahl der Sänger war es wie in vielen kreativen Prozessen: Es fühlt sich eher so an, als würden sie dich finden. Adrienne war mit ihrer Band „Seven Spires“ mit uns auf Tour. Sie ist nicht nur eine starke Sängerin, sondern auch ein großartiger Mensch. Solche Dinge sind uns wichtig.

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Wenn ihr es euch aussuchen könntet: Gibt es Stimmen, die ihr unbedingt bei euch hören wollt?
Alain: Klar – bei so einem Projekt hat man viele Träume und Ideen. Manche werden Realität, andere nicht. Wir haben eine Liste von Sänger:innen, mit denen wir gerne arbeiten würden. Aber wer am Ende wirklich zu uns passt und sich mit dem Konzept identifizieren kann, wird sich zeigen. Wenn sich die Stimme richtig anfühlt, dann ist sie Teil von FALL OF MANKIND. Egal, woher sie kommt.

„Es wird ein Album geben und es wird wehtun.“

Wie sehen die weiteren Pläne für eure Releases aus? Arbeitet ihr an einem Album oder eher an einzelnen Liedern?
Rafael: Es wird ein Album geben und es wird wehtun. Es wird ein Konzeptalbum mit 14 Tracks. Zehn vollwertige Songs mit Gastsänger:innen und vier Tracks, die die Storyline des Albums bilden. Der erste Teil dieser Story „[D]3V0ⱠɄ₮10₦ [001] — tHe 3Nd oF aN 3Ra“ ist bereits auf unseren Socials veröffentlicht. Der zweite Teil sowie die nächste Single folgen bald. Wir haben uns gut vorbereitet und werden so schnell nicht wieder verschwinden. Es gibt noch viele Themen, über die gesprochen werden muss.

(c) Manuel Schütz

Wird es bei FALL OF MANKIND auch bekannte Gesichter von euren anderen Projekten zu hören geben?
Rafael: Auf jeden Fall. Auf unserer Liste stehen Sänger:innen, die wir kennen oder mit denen wir getourt sind – aber auch solche, die noch gar nicht wissen, dass sie auf der Liste stehen. Es sind bekannte Namen dabei und Künstler:innen aus weniger bekannten Bands. Wichtig ist nur: Sie müssen zu uns passen und sie sollten etwas zu sagen haben.

Speziell Eluveitie stelle ich mir sehr zeitintensiv vor. Neben der eigentlichen Musik kommt dazu Social Media, Promo, Live-Shows, Bandproben und vieles mehr. Wie priorisiert ihr das nun und wie geht ihr diese Themen bei FALL OF MANKIND an?
Alain: Das ganze Leben eines Musikers ist heute zeitintensiv – das betrifft viele. Wir priorisieren kein Projekt über ein anderes. Aber mit FALL OF MANKIND haben wir etwas, in dem sehr viel von uns steckt. Wir arbeiten mit den Menschen, mit denen wir arbeiten wollen. Aktuell läuft alles gut parallel, den Rest werden wir sehen.

Habt ihr bereits eine Vorstellung oder konkrete Pläne, wie und wann FALL OF MANKIND live zu erleben sein wird?
Rafael: Sobald wir merken, dass echtes Interesse da ist und die Shows zu uns passen. Ein grobes Live-Konzept gibt es bereits. Und auch hier gilt: Wenn, dann richtig! Keine halben Sachen! Die Zeit wird es zeigen.

(c) Manuel Schütz

Ist es einfacher für euch, mit diesem Projekt Fuß zu fassen, da ihr auf bestehende Kontakte zurückgreifen könnt?
Rafael: Sicher. Aber es hilft nur bis zur Tür. Durchgehen müssen wir allein. Man fängt aber trotzdem wieder von vorne an. Es ist ein Irrglaube, dass es durch Eluveitie oder TVINNA automatisch leichter wäre. Du musst dich wie alle anderen beweisen.
Alain: Und wir wollen auch, dass FALL OF MANKIND für sich selbst steht – nicht als Nebenprojekt, sondern als eigene Marke.

Vielen Dank für eure Zeit. Zum Abschluss ein kleines Metal1-Brainstorming:
Klimawandel: Rafael: Wir spüren es. Wir wissen es. Aber wir handeln nicht. Irgendwann wird das Klima nicht mehr wandeln – sondern brechen.
Zuversicht: Alain: Ein schwieriges Thema in unserer Zeit. Doch genau jetzt brauchen wir Zuversicht. Nicht naiv, sondern als aktiven Willen, Dinge zum Besseren zu wenden. Ich hoffe, dass wir sie als Gesellschaft wiederfinden.
Donald Trump: Rafael: Für uns ein Symbol des Widerstands gegen Veränderung. Sein Erfolg zeigt, wie viele Menschen sich an alte Strukturen klammern,
statt Neues zu wagen. Das ist kein rein amerikanisches Problem – diese Tendenz zieht sich durch die ganze westliche Welt.
FALL OF MANKIND in 10 Jahren: Alain: Wir machen keine Prognosen – aber wir glauben, dass es Bands wie unsere braucht. Musik darf wieder
unbequem sein. Sie darf Fragen stellen, statt nur zu unterhalten. Wir hoffen, dass wir in zehn Jahren einen kleinen Teil dazu beigetragen haben, Menschen zum Nachdenken zu bringen.

Die letzten Worte gehören euch
Rafael: Wir leben in einer Welt, die taumelt – zwischen Ignoranz und Erkenntnis, zwischen Hoffnung und Resignation. FALL OF MANKIND ist unser Versuch, dem etwas entgegenzusetzen. Kein Moralkompass, kein Zeigefinger – nur ehrliche Musik, aus Überzeugung. Wenn wir damit Menschen zum Nachdenken bringen, hat es sich gelohnt.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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