Interview mit King Ov Hell von God Seed

Das GORGOROTH-Nachfolgeprojekt GOD SEED schien Geschichte, bevor man sich auch nur einen Tonträger ins Regal hätte stellen können – doch nun melden sich die Black-Metal-Ikonen King Ov Hell und Gaahl mit einem Live-CD/DVD-Package zurück.
Was King Ov Hell über den Status Quo bei GOD SEED, seine Zusammenarbeit mit Shaghrath bei OV HELL, zukünftige Projekte und die Beziehung zum langjährigen Bandkollegen Gaahl zu berichten hat, könnt ihr hier nachlesen:


In wenigen Tagen erscheint die erste GOD SEED-CD, ein Live-Album einer Show, die ihr noch unter dem Namen GORGOROTH auf Wacken gespielt hattet. Wann wurde die Idee geboren, die Show als GOD SEED-Album zu veröffentlichen?
Ich sehe die Veröffentlichung als historisches Dokument: Es enthält die Musik, die ich mit Gaahl kreiert habe, als unsere Kunst unter dem Namen GORGOROTH präsentiert wurde. Wie die meisten Leute wohl mitbekommen haben dürften, sind wir beide nicht mehr bei GORGOROTH und haben GOD SEED als neues Banner, unter dem wir unsere Kunst präsentieren, auserkoren. Das, was auf der DVD und CD zu finden ist, definieren wir also als GOD SEED.
Dieser Release macht die kreative Vergangenheit von Gaahl und mir relevant für die Zukunft. Wir wollen mehr Musik zusammen kreieren, und diese Veröffentlichung ist wichtig, um die kommenden Releases in den richtigen Kontext zu stellen.

War es deine Idee, beziehungsweise dein Projekt, oder kam das Label mit der Idee daher und ihr habt dem einfach zugestimmt?
Wir wussten, dass diese Show gefilmt werden würde, und haben bereits 2008 entschieden, dass wir sie so, wie es nun geschehen ist, veröffentlichen wollen.

Würdest du sagen, „God Seed – Live At Wacken 2008“ ist eher eine Live-CD mit Bonus-DVD oder eine Live-DVD mit Bonus-CD? Welcher Teil ist deiner Meinung nach also der wichtigere, und warum?
Mit persönlich ist die DVD wichtiger. Es ist das Ende einer Ausdrucksform, an der Gaahl und ich viele, viele Jahre gearbeitet haben, und repräsentiert zugleich einen Neuanfang. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage bin, diese weiter zu treiben, als wir es auf diesem Release getan haben. Meines Erachtens nach haben wir als Band nie besser funktioniert und es gab keine Gelegenheit, unsere Kunst unter besseren Umständen zu präsentieren, als dies auf Wacken 2008 der Fall war. Es ist ein großartiger letzter Akt, denke ich.
Aber ich kann keine Antwort auf die Frage geben, die etwas als „gut“ oder „schlecht“ definiert. Ich denke, es gibt Leute, die die Band gerne auf DVD performen sehen und dabei die Musik zu hören, und es gibt andere, die eben gerne nur die Musik hören. Keines von beidem ist wichtiger als das andere – die Wahlmöglichkeit repräsentiert schlicht die verschiedenen Geschmäcker und Bedürfnisse.

Ich könnte mir vorstellen, dass viele Fans von diesem Release überrascht sein dürften, da sie GOD SEED nach Gaahls Ausstieg für tot erachtet hatten. Ist dieser Release der Grabstein oder ein frisches Lebenszeichen von GOD SEED?
Es ist eher ein Lebenszeichen. Gaahl hat GOD SEED nie verlassen… das ist lediglich die von den Medien produzierte „Wahrheit“. Wir haben GOD SEED für einige Zeit ruhen lassen, und die Idee ist, es möglichst bald zu reaktivieren.

Die Show war ja damals als GORGOROTH-Gig gebucht worden und wurde dann auch mehr oder minder inoffiziell als GORGOROTH performed. Die Seltist besteht jedoch ausschließlich aus Songs der letzten drei Alben, was wohl dem ganzen Rechtsstreit mit Infernus geschuldet ist.Könntest du uns die Umstände, unter denen die Show damals stattgefunden hat, jetzt, mit einigem zeitlichen Abstand, noch mal rekapitulieren? Hatte das Festival beispielsweise je überlegt, die Show zu canceln, um nicht selbst noch in die Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden? Oder war das für euch einfach eine Show wie alle anderen?
Das Wacken Open Air war sich natürlich des Konflikts in der Band bewusst… aber wir hatten nie irgendwelche Probleme mit irgendwelchen Dritten deshalb. Sowohl die Booker als auch die Labels waren ganz offensichtlich mehr daran interessiert, Gaahl und mich unsere Kunst auf der Bühne und auf Platte präsentieren zu sehen, weil sie wussten, für was wir beide stehen.

Die Show selbst erinnert mich sehr an die legendäre „Black Mess Krakow“-Show von GORGOROTH, die vor einigen Jahren bereits als DVD veröffentlicht wurde. Warum denkst du, sollten sich Fans GOD SEEDs „Live At Wacken 2008“ auch dann kaufen, wenn sie bereits die GORGOROTH-DVD besitzen?
„Live At Wacken 2008“ enthält eine komplett andere Tracklist: GOD SEED Songs. Abgesehen davon halte ich die Produktion sowohl des Bild- als auch des Tonmaterials auf „Live At Wacken“ qualitativ für deutlich höher. Aber auch das ist nur meine persönlich Meinung – andere Leute haben vielleicht eine andere…

Wie bereits mehrfach erwähnt, habt ihr bei dem Konzert nur GORGOROTH-Songs gespielt, zu einem GOD SEED-Studioalbum ist es nie gekommen. Gab es schon GOD SEED-Material, und wenn ja: Was ist damit passiert? Hast du es für das OV HELL-Debüt verwendet?
Ich hatte Musik geschrieben, die dafür gedacht war, ein erstes GOD SEED-Album zu werden. Zu dieser Zeit war Joey Jordison von Slipknot bereits fest eingestiegen. Er war damals ziemlich beschäftigt mit Touren, aber nach einem Treffen mit ihm in Oslo haben wir entschieden, als Trio Musik zu schreiben. Es ist dann ganz zufällig so gekommen, dass Shagrath und ich den konkreten Plan gefasst haben, gemeinsam eine Band hochzuziehen und nachdem die Musik, die ich für GOD SEED geschrieben hatte, dort ja keine Verwendung mehr fand, wurde daraus eben OV HELL.
Für mich ist jede Musik, die ich mit Gaahl geschrieben habe, GOD SEED-Musik. In der Vergangenheit haben wir sie unter dem Banner GORGOROTH veröffentlicht, aber jetzt sehe ich weder mich noch meine Musik diesem Namen noch verbunden. Wir werden die Kunst, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, in die Zukunft weitertragen, sozusagen. Ich könnte mir vorstellen, dass das für die Hörer ein bisschen verwirrend ist, aber ich sehe meine Musik als mein Eigentum an, egal unter welchem Namen ich sie in der Vergangenheit veröffentlicht habe.

Es ging damals ja die News herum, Gaahl hätte nach seinem Ausstieg bei GOD SEED der Black-Metal-Szene komplett den Rücken gekehrt. Wie sehr hat dich sein Rückzieher überrascht, nach nur wenigen Monaten gemeinsamer Aktivität bei GOD SEED?
Wie bereits vorher angesprochen, hat Gaahl GOD SEED nie verlassen… aber wie auch immer… Damals ist einfach ziemlich viel gleichzeitig passiert, unter anderem eben auch, dass Gaahl eine Auszeit von der ganzen Metal-Geschichte nehmen wollte. Keine große Geschichte eigentlich, wir waren seit dem weiterhin stets in Kontakt und haben zukünftige Releases geplant.

Wo wir grade schon von OV HELL gesprochen haben: Ist dieses Projekt noch aktiv, oder war das eine Ein-Album-Geschichte?
Das ist schwer zu sagen. Im Moment bin ich zu beschäftigt, mich um andere Bands zu kümmern als die, an denen ich gerade arbeite. Ich weiß auch, dass Shagrath mit seinen Verpflichtungen bei Dimmu Borgir ziemlich ausgelastet ist. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass wir ein weiteres Album machen, wenn wir die Zeit und Energie dazu finden. Shagrath ist einer der professionellsten Musiker, mit denen ich bisher zusammenarbeiten durfte.
Es wäre auf alle Fälle interessant, in Zukunft noch mal eine neue, härtere Version von OV HELL in Angriff zu nehmen…

Du sprichst von „Bands, an denen du gerade arbeitest“ – könntest du uns kurz zusammenfassen, welche das derzeit sind?
Das neue GOD SEED-Album habe ich eingespielt. Die gesamte Musik für den ersten Studiorelease ist komponiert und aufgenommen. Ich bin mit meinem Job diesbezüglich also durch, alles Material liegt jetzt bei Gaahl. Es ist jetzt sein Job, die Kiste zuzumachen, sozusagen.
Wir haben schon immer so gearbeitet: Ich komponiere und nehme die Musik auf, und wenn ich damit durch bin, fängt sein Teil des Jobs an.
Abgesehen davon habe ich eine andere Band in Arbeit, TEMPLE OF THE BLACK MOON betitelt. Ich arbeite da mit Rob Caggiano (Anthrax), Dani Filth (Cradle Of Filth), John Tempesta (The Cult) und Ice Dale (Enslaved) zusammen. Auch da sind wir quasi durch mit dem Songwriting. Derzeit stellen wir uns da eine Crue zusammen, Label, Manager und so weiter, und werden hoffentlich dieses Jahr noch das Album veröffentlichen.
Darüber hinaus habe ich noch eine dritte Band am Start, über die ich aber derzeit noch nicht viel sagen kann, außer, dass es das ist, auf das ich derzeit all meine kreative Energie konzentriere.

OV HELL war ja auch schon eine Art “Norwegisches Black-Metal-Allstar-Team“ – war es schwer, Musiker wie Frost oder auch Shagrath für dein Projekt zu gewinnen, und ist es kein Nachteil für eine Band, wenn alle Beteiligten so vielbeschäftigte Berühmtheiten sind? Wäre es nicht einfacher gewesen, weniger bekannte Musiker mit mehr Zeit, die sie in das Projekt stecken können, zu suchen?
Gute Frage… ich weiß eigentlich keine Antwort darauf. Ich denke, wenn du eine Band betreiben willst, bei der dir wichtig ist, dass jeder zu 100 Prozent dahintersteht, wäre es wohl einfacher, das mit Musikern zu machen, die auch mehr Zeit haben. Persönlich geht es mir aber nur darum, was für die Musik das Richtige ist: Für mich ist es wichtiger, gute Leute dabei zu haben, die mit ganzem Herzen Musiker sind, als mittelmäßige Musiker mit viel Zeit.
OV HELL wäre jedenfalls nicht OV HELL gewesen, hätten nicht Frost und Shagrath mitgemacht.

Das Bandphoto zeigt aber nur dich und Shagrath, der Bandname entspricht sogar deinem (gekürzten) Pseudonym… warst du nicht der Kopf hinter der Sache?
Ich glaube, du machst dir da zu viele Gedanken. Das ist einfach ein Bandname und nichts mehr als das, um ehrlich zu sein.

Norwegen hat ja eine Menge guter Sänger zu bieten, vor allem auch in der Bergener Black-Metal-Szene. Warum hast du ausgerechnet Shagrath ausgewählt? Ich würde meinen, er ist nicht der Erste, der einem in den Sinn kommt, wenn es um truen oder rohen Black Metal geht, wie du ihn mit GOD SEED oder zuvor GORGOROTH gemacht hast…
Shagrath war aber in der Tat der Erste, an den ich gedacht habe. Er ist ein ambitionierter und großartiger Sänger. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir, wenn wir uns früher getroffen hätten, auf dauerhafterer Basis in der gleichen Band gelandet wären. Er ist immer zuverlässig und hat Talente – extrem wichtige Talente, damit eine Band funktioniert – die vielen anderen fehlen. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich für viele Unbeteiligte das, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, sehr von Dimmu Borgir unterscheidet, aber die Wahrheit ist, dass es gar keinen so großen Unterschied gibt. Zumindest nicht für mich…

Der bereits angeschnittene Rechtsstreit über den Namen GORGOROTH war damals ja ein großes Thema in den Metal-Medien. Am Ende hat ihn Infernus gewonnen, er durfte den Bandnamen behalten, du und Gaahl mussten auf GOD SEED ausweichen.
Bereust du irgendetwas aus dieser Zeit oder glaubst du, Fehler gemacht zu haben, oder hast du mit alledem deinen Frieden gefunden?

Nun, es hat natürlich mehr Ärger verursacht als geplant, hehe. Ich bereue nichts, aber ich denke, ich hätte wohl besser daran getan, bereits „Ad Majorem Satanhas Gloriam“ als GOD SEED-Album zu veröffentlichen, wie das damals, 2006, auch ursprünglich geplant war, und von da an weiterzumachen.

Hast du seit den Zwistigkeiten mit Infernus gesprochen?
Ein paar Mal, ja….
…und hast du dir das letzte GORGOROTH-Album „Quantos Possunt Ad Satanitatem Trahunt” angehört?
Ja. Es ist ein gutes Album.

Das andere große Thema damals war ja das Outing von Gaahl, gefolgt von seinem Gewinn der Auszeichnung “Gay Of The Year” auf der Bergen Gay Gala. Wusstest du als langjähriger Bandkollege von seiner sexuellen Orientierung und war das ein Thema in der Band? Hat er es vielleicht bewusst geheim gehalten, weil er Angst hatte, dass der Ruf der Band in einer nicht immer als sehr weltoffen und tolerant bekannten Szene Schaden nehmen könnte?
Ich habe außerhalb der Musik und bis zu einem gewissen Grad aufgrund der gleichen Sicht auf das „Chaos“ nie viele Interessen mit Gaahl geteilt.
Seine sexuelle Ausrichtung hat mich bei alledem nie interessiert. Die Musik und die Kunst, die wir machen, sind mit solchen Themen nicht verbunden. Ich war nie sonderlich daran interessiert, die Schwulenbewegung voranzutreiben, und GOD SEED wird nie für solche Themen stehen. Ich interessiere mich aus diesem Grunde eigentlich generell nicht für die sexuelle Orientierung anderer. Gaahl hat vielleicht aus seiner persönlichen Situation heraus eine andere Sichtweise auf das Thema, aber das hat mit mir genauso wenig zu tun wie mit seinem Engagement bei GOD SEED.

Ok, zu guter Letzt hätte ich noch ein paar Fragen zu deiner Person: Ich habe gehört, dass du als Grundschullehrer in Bergen gearbeitet hast. Musst du noch einen regulären Beruf ausüben, oder verdienst du mittlerweile mit deiner Musik genug Geld, um davon leben zu können?
Ich arbeite noch neben der Musik. Ich war immer an der Entwicklung des Menschen und seiner Erziehung interessiert. Das hat aber absolut nichts mit meiner Musik zu tun.

Wissen deine Kollegen und die Eltern der Kinder, dass du deine freie Zeit weiß bepinselt, blutverschmiert und nietenbehangen auf Bühnen rund um den Globus verdingst? Hattest du damit irgendwann schon einmal Probleme, oder ist Metal in Norwegen so etabliert, dass derartiges als „normal“ angesehen wird? In Deutschland wäre so etwas nahezu unvorstellbar, musst du wissen – es gäbe immer irgendwen, der sich beschweren oder sogar klagen würde, käme derartiges über den Lehrer seines Kindes heraus…
Ich weiß es nicht. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen meinem täglichen Beruf und der Kunst, die ich kreiere. Ich musiziere, um etwas mir Heiliges zum Ausdruck zu bringen, und ich arbeite, um mein Essen auf den Teller zu bekommen.

Und wie ist es möglich, bei einem solchen Job für Monate auf Tour zu gehen?
Alles ist möglich, wenn man den entsprechenden Aufwand betreibt.

Ok, das war meine letzte Frage. Ich würde das Interview gerne mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming abschließen, wenn du nichts dagegen hast. Ich nenne dir einige Begriffe, und du sagst mir, was dir dazu als erstes in den Sinn kommt:

Deutschland: Karl-Heinz Rummenigge
Facebook: Mafia Wars
Metal1.info: Deutschland
Black Sabbath-Reunion: Ronnie James Dio
Satan: Gott
Children: Eiscreme

Vielen Dank für deine Antworten!
Ich wünsche dir das Beste, persönlich, wie für deine musikalische Zukunft – hoffentlich sieht man dich mit GOD SEED dann in Zukunft auch wieder auf deutschen Bühnen!

Die letzten Worte gehören dir:
This shadow grows. This shadow… humanity.

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