Interview mit Jim Kotsis von Mahakala

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Mit ihrem zweiten Album „The Second Fall“ haben MAHAKALA ein Album aufgenommen, das in seiner gelungenen Mischung aus Heavy und Doom Metal bereits jetzt zu den Hightlights des Jahres zählt und dem Quartett aus Griechenland hoffentlich größere Aufmerksamkeit beschert. Was der musikalische Kopf der Band, Bassist und Sänger Jim Kotsis über das neue Werk, seine Inspirationsquellen, Literatur und Mythologie zu sagen hatte, erfahrt ihr hier.


Hallo nach Griechenland und herzlichen Dank dafür, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast – ich hoffe, es geht euch gut. Würdest du kurz die Band denjenigen unserer Leser vorstellen, die vielleicht noch nichts von euch gehört haben?
Hallo auch und danke für die Interview-Gelegenheit. Wir sind MAHAKALA, eine vierköpfige Doom-Heavy-Metal-Band aus Athen und wir sind mehr als nur glücklich, gerade unser zweites Album (insgesamt unsere vierte Veröffentlichung) veröffentlicht zu haben. Wir stehen auf fette Gitarren, grooviges Schlagzeug, verzerrte Bässe, 70er-Jahre Gesang, fesselnde Songstrukturen, eingängige Refrains, Religion und deren Mythologie und das alles ist genau das, was wir letztlich versuchen, in unsere Musik zu packen.

Wie gesagt habt ihr gerade euer zweites Album „The Second Fall“ veröffentlicht. Klingt die CD so, wie ihr euch das vorgestellt habt? Seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?
Wenn etwas Zeit vergeht wird man mehr und mehr unzufrieden mit der eigenen vorangegangenen Arbeit. Man wird immer Musiker sagen hören: „Hätte ich damals das Wissen gehabt, das ich heute habe, hätte ich dies und das anders gemacht.“ Das ist aber so verflucht unfair. Ein Album aufzunehmen oder auch nur einen Song ist wie einen Moment einzufangen, als ob man ein Foto von seinem inneren Selbst macht. Wer du bist, was du tust, woran du glaubst, alles ist in deinen Songs eingefangen und schafft das, was ich die „Seele der Musik“ nenne. Zumindest ist es das, was passiert, wenn wir Musik machen. In dieser Hinsicht bin ich mehr als zufrieden mit „The Second Fall“. Es repräsentiert wer wir in den bestimmten Momenten waren, da wir das Album aufgenommen haben. Es bringt sogar Erinnerungen zurück, wenn du verstehst, was ich meine.

Was genau bedeutet der Name „Mahakala“?
Es ist Sanskrit und bedeutet „das große Schwarze“.

Euer erstes Album „Devil´s Music“ hat gute, teilweise sogar sehr gute Kritiken bekommen. Hat euch dieser Umstand hinsichtlich der Aufnahmen zu „The Second FalL“ unter Druck gesetzt?

Hm, vielleicht ein wenig. Wir sind nie eine Band mit einer riesigen Fan-Menge gewesen, aber wir wollten wirklich niemanden hängen lassen. Auf der anderen Seite gab es so viele Angelegenheiten, mit denen wir uns beschäftigen mussten, dass uns keine Zeit blieb, uns über andere als uns selbst Sorgen zu machen.

Wenn du die Hauptunterschiede zwischen eurem Debüt und „The Second Fall“ benennen müsstest, was würdest du sagen?

Es ist heavier, dichter, mehr Metal, erwachsener, es klingt europäischer und, das ist das Wichtigste, es wurde von einer komplett anderen Besetzung eingespielt. Abgesehen von mir ist jeder in der Band neu. Ich bin sehr glücklich mit meinen neuen Bandkollegen. Es scheint, als ob sie die Band in ihre bis dato beste Verfassung gebracht haben.

Euer neues Album basiert auf verschiedenen Texten von Dante, Milton und Neil Gaiman. Wie bist du dazu gekommen, gerade diese drei Autoren zu wählen?

Ich liebe sie einfach. Die „Göttliche Komödie“, „Paradise Lost“ sowie „Sandman“ sind einige der Bücher, die ich als Teenager mehrmals gelesen habe und ich wollte immer unbedingt etwas aus diesen Erfahrungen machen. Religion und deren Mythologie waren immer sehr spannende Themen für mich und ich vermute stark, dass das textliche Konzept von MAHAKALA auch weiterhin von diesen Thematiken inspiriert wird. Natürlich nicht von den gleichen Autoren. Naja, vielleicht ein wenig.

Welche Geschichten erzählen eure Songs? Geben sie eine Art Darstellung dessen, was Dante und die anderen Autoren geschrieben haben und erzählen sie letztlich eure eigenen Geschichten?

„The Second Fall“ basiert auf einem eigenständigen Konzept, das von mir geschrieben wurde und von den oben genannten Autoren lediglich inspiriert wurde. Es ist die Geschichte von Luzifers Entthronung und seiner schrecklichen Rache. Es ist eine ziemlich lange Geschichte, die sich von Song zu Song entfaltet und tiefere Bedeutungen besitzt.

Mythologische Geschichten vermitteln nicht nur Einsichten in die conditio humana, sondern enthalten häufig auch dezidiert politische Subtexte. Kann man eure Songs auch politisch verstehen – oder wollt ihr eure Musik politikfrei halten?

Verrat, Rache, Entthronung, Krieg, Arroganz, Eitelkeit … es gibt eine Menge Elemente im Konzept von „The Second Fall“, die sicherlich auch für den Bereich der Politik gelten. Als Band haben wir keine einheitlichen politischen Überzeugungen, glauben aber definitiv in die Kraft einer dieser Überzeugungen. Verändere dich selbst und sehe die Welt sich ändern.

Würdest du „The Second Fall“ als Konzeptalbum beschreiben? Und gibt es Konzeptalben, die einen größeren Einfluss auf deine eigene Arbeit ausgeübt haben?

Es ist definitiv ein Konzeptalbum. So lange ich für die Texte verantwortlich bin, wird man von MAHAKALA ausschließlich Konzeptalben zu erwarten haben. Ich liebe Konzeptalben! Ich bin ein großer Bewunderer von King Diamond (der ja auch ausschließlich Konzeptalben veröffentlicht) und ich liebe natürlich „Quadrophenia“ und „Tommy“ von The Who, „The Chrimson Idol“ von W.A.S.P., Queensryches „Operation: Mindcrime“, Dream Theaters „Scenes From A Memory“, sogar die „Dark Saga“ von Iced Earth. Ich habe eine Schwäche für gute Geschichte, die mit gutem Songwriting erzählt werden.

Stücke wie „Army Of The Flies“ oder „Wrath Of Lucifer (Infidels)“ scheinen starke religiöse Konnotationen zu haben. Was ist eure eigene Perspektive im Bezug auf religiöses Denken?

Ich würde sagen, dass ich das bin, was Soziologen einen „Apatheisten“ nennen würden. Wir haben keinerlei religiöse Motivation. Ich persönlich mag religiöse Mythologien, weil sie inspirierend wirken und einen starken Kontrast zu dem schlechten Einfluss bilden, den Religionen selbst auf das Leben der Menschen haben.

Sakis Tolis, Sänger und Gitarrist bei Rotting Christ (mit denen ihr einmal getourt habt) taucht als Gastmusiker auf dem Song „Wrath Of Lucifer (Infidels)“ auf – wie habt ihr euch kennengelernt und wie kam die Entscheidung zustande, gemeinsam ins Studio zu gehen?

Das ist eigentlich eine schöne Geschichte. Ich war ein Fan der frühen Scheiben von Rotting Christ, aber ich habe in den 2000ern aufgehört, ihre Musik zu hören. Unser Produzent Stelios sollte dann einmal mit ihnen als Soundtechniker touren und er lud mich zu einer ihrer Shows in Patras ein (ca. 200 Kilometer von unserer Heimatstadt Athen entfernt). Ich bin dann hingegangen und habe dort Sakis das erste Mal persönlich getroffen (wir hatten bis dahin nicht die Gelegenheit dazu gehabt) und habe mir die Band angesehen, die das erste Mal im jetzigen Line-Up gespielt hat. Das Album „Kata to Demona Eaftou” war, wenn ich mich recht erinnere, genau an diesem Tag veröffentlicht worden. Grandioses Album, nebenbei. Als wir uns schließlich trafen, sagte mir Sakis, dass er mit unserer Musik vertraut war und dass es doch schön wäre, wenn wir zusammen touren könnten, was letztlich auch passiert ist. Der Rest ist Geschichte. Wir hängen nicht viel zusammen rum, aber wir respekieren uns gegenseitig und ich glaube sehr daran, dass wir wieder gemeinsam auf der Bühne stehen werden. Wegen der Aufnahme: Ich habe nach jemanden gesucht, der den Part von Luzifer im genannten Song spielen konnte und wer wäre besser dafür geeignet als Luzifer selbst. (lacht)

Gibt es Tourpläne für den Rest des Jahres? Gibt es eine Chance, euch in Deutschland sehen zu können?

Wir arbeiten gerade an einer Handvoll Europa-Termine für den Herbst diesen Jahres. Du wirst uns vielleicht wenigstens in Berlin sehen können, wenn am Ende alles klappt.

Griechenland hat noch immer mit großen ökonomischen Problemen zu kämpfen, die zu gravierenden sozialen Problemen und Frustrationen unter der griechischen Bevölkerung geführt haben. Haben euch diese Entwicklungen als Musiker getroffen?

Machst du Witze? Natürlich haben sie uns getroffen! Wir sind ärmer als jemals zuvor. (lacht) Naja, jeder weiß, dass Musik eine teure Angelegenheit ist (alles vom Equipment oder Studiozeit bis zum Versuch, den Standards der Industrie durch Vertrieb und Vermarktung deiner eigenen Arbeit zu genügen) und weniger Geld kann diesbezüglich wirklich scheiße sein. Die gute Sache ist, dass wir durch das Musikmachen weniger frustriert sind, aber es gibt Zeiten, in denen die ökonomische Krisensituation so überwältigend ist, dass sie uns davon abhält, all das zu tun, was wir lieben.

Ich würde gerne mit dir das obliatorische Metal1-Brainstorming durchspielen. Lass mich einfach wissen, was dir durch den Kopf geht, wenn du die folgenden Worte liest:
Griechische Mythologie:
Hesiods „Theogonie“.
Ouzo: Ich hasse Anis.
Rotting Christ: Griechische Metal Overlords.
Kapitalismus: Hat die westliche Zivilisation versklavt.
Mahakala in zehn Jahren: Wahrscheinlich andere Songs, aber mit den gleichen psychischen Problemen. (lacht)

Herzlichsten Dank für das Interview. Die letzten Worte an unsere Leser gehören dir.

„Find what you love and let it kill you. Let it drain you of your all. Let it cling onto your back and weigh you down into eventual nothingness. Let it kill you and let it devour your remains. For all things will kill you, both slowly and fastly, but it’s much better to be killed by a lover.“ Charles Bukowski

Publiziert am von Manuel Förderer

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