Interview mit Sebastian von Neaera

Totgesagte Leben länger. Fünf Jahre nach dem Ende der Band haben sich NEAERA wieder zusammengefunden und mit „Neaera“ ein starkes neues Album am Start, dass sich gleich mal den Titel „Album des Monats Februar“ gesichert hat. Über die Gründe für das Comeback, die neue Scheibe und mehr sprachen wir mit Drummer Sebastian Heldt.

NEAERA haben 2015 ihre Trennung bekanntgegeben, sowohl zeitlich als auch kreativ hat es nicht mehr funktioniert. Nun, fünf Jahre später seid ihr endgültig zurück. Wieso gerade jetzt?
Ich glaube, die Zeitspanne war einfach für jeden von uns nötig um Abstand zu gewinnen, eventuellen personellen Missverständnissen mit kühlem Kopf entgegenzutreten und diese auszuräumen. Nicht, dass wir zerstritten gewesen wären. Wir Jungs kennen uns ja schon einige Zeit länger, als es die Band gibt. Und wenn man sich so gut kennt, kann man auch akzeptieren, wenn sich persönliche Ziele von gemeinsamen unterscheiden. Durch die Möglichkeit vor zwei Jahren, bei den Impericon Festivals aufzutreten, wurden wir in die Situation gebracht wieder ein gemeinsames Ziel zu haben. Zum Glück. Das Feuer war wieder da und wir wollten diese Erfahrungen auch in Zukunft wieder möglich machen. Daraus wurde schließlich die Idee ein neues Album zu schreiben.

In den letzten Jahren wurden die Comebacks vieler Bands in der Rock-/Metal-Szene eher belächelt oder gar als Verarsche an den Fans empfunden. Hattet ihr euch im Vorfeld Gedanken gemacht, ob ihr auch mit negativen Stimmen bei eurer Rückkehr rechnen müsst?
Nein. Wir haben die Band aufgegeben, weil sich jeder Einzelne von uns mit wichtigen persönlichen Herausforderungen konfrontiert sah. Der Rahmen, den wir mit der Band ausgekleidet haben war nicht mehr passend und der Fokus hat sich für jeden von uns verschoben. Die Rückbesinnung wird aber erst mit der geänderten Perspektive möglich. Also entweder man ist raus oder eben nicht. Wir waren raus. Alle. Und für uns war immer klar, das eine Reunion auch nur dann wirklich eine ist, wenn alle Mitglieder wieder dabei sind.

Die neue Scheibe „Neaera“ wird am 28. Februar das Licht der Welt erblicken. Ist das Gefühl vergleichbar mit dem kurz vor der Veröffentlichung eures Debütalbums oder seid ihr total entspannt?
Es ist ein bisschen wie Weihnachten. Nur das man sich fragt, ob man der Beschenkte, oder der Weihnachtsmann … oder der Schornstein ist (lacht). Deshalb haben wir ja auch dieselbe Location für die Release-Show gewählt. Nostalgie gehört dazu. Natürlich wollen wir die Leute, die es interessiert, auf den folgenden Shows auch wieder schön durchschütteln. Daher sind deutlich eine gewisse Abliefer-Mentalität und leichte Nervosität spürbar.

Das Album trägt euren Bandnamen als Titel, das Cover ziert die Figur Neaera aus der griechischen Mythologie. Wieso scheint gerade diese Scheibe euch so sehr zu repräsentieren?
Das Album „Neaera“ ist in zwei thematischen Ebenen unterteilt. Die erste Hälfte der Songs benennt gesellschaftliche Missstände. Die Zweite beschäftigt sich mit persönlichen Konflikten. Die Figur Neaera ist ein Symbol für Selbstbestimmung und Freiheitskampf. Sie ist eine Sklavin, die vor Gericht Ihre eigene Freiheit erlangt hat. Diese politischen aber auch persönlichen Ebenen der Figur sind es, die sich immer wieder auf aktuelle Themen beziehen lassen. Themen, die uns selber umtreiben. Insofern ist das selftitled Album an dieser Stelle für uns auch ein gewisses Statement, sowohl nach außen, als auch nach innen, für Gerechtigkeit zu kämpfen und auf Probleme zu deuten.

Textlich habt ihr schon immer den Finger in die Wunde gelegt und politische bzw. sozialkritische Lyrics verfasst. Aber gerade Songs wie „Rid The Earth Of The Human Virus“, „Sunset Of Mankind“ oder „False Shepherds“ klingen noch angepisster, fast schon fatalistisch. Habt ihr noch Hoffnung in die Menschheit oder vertont ihr mit „Neaera“ unseren Untergang?
Klar gibt es Hoffnung. Diese kann aber nur obsiegen, wenn man sich keiner Illusion über den Status Quo hingibt …

Auch auf „Neaera“ bleibt ihr eurem Sound treu. Gab es keine Idee, für euer Comeback ein paar musikalisch Experimente zu wagen?
Das Album sollte kompromisslos, brutal und dennoch eingängig und bühnentauglich werden. Wir wollten Songs schreiben, die auch auf kleinen Bühnen gut umsetzbar sind, und nicht technisch aufgebläht oder künstlich gestreckt werden. Eben schön auf die Mappe. Für Experimente gibt es ja immernoch Seitenprojekte. (lacht)

Vor 13 Jahren habt ihr für das Album „Armamentarium“ zuletzt mit Produzent Jacob Hansen zusammengearbeitet und vor zehn Jahren zuletzt mit Cover-Artist Terje Johnsen für „Forging The Eclipse“. Wieso also fiel die Wahl genau auf diese beiden Herren für Produktion und Artwork von „Neaera“?
Weil der persönliche Zugang schon vorhanden war und die Kommunikation effektiv sein sollte. Uns war bewusst, dass diese beiden langjährigen Partner und Freunde, die erste Wahl fürs Drumherum sein würden, wenn wir das Album zügig voran bringen wollten.

Gibt es Aspekte des Bandlebens, auf die ihr trotz aller Freude über das Comeback gar keine Lust habt?
Natürlich. Die langen Überbrückungszeiten und strapaziösen Reisen sind keinem von uns jemals wirklich ein Vergnügen gewesen. Zudem sind es viele Kompromisse und unliebsame Entscheidungen die ebenso auf die Stimmung drücken und Freundschaften und Familienleben strapazieren.

Man kann wohl zurecht sagen, dass ihr inzwischen zu den alten Hasen gehört und schon einiges erlebt habt. Gleichzeitig hattet ihr mit eurer Auszeit auch etwas Abstand von der Szene bekommen. Nun seid ihr zurück und mal ehrlich: War es früher ohne Dinge wie Smartphones auf Konzerten, Streaming-Dienste oder Social Media besser?
Tja. Die Frage, was nach Social Media kommt, bleibt ja auch noch offen … Früher wurden Facebook oder Instagram belächelt, heute werden sie eben genutzt. Smartphones sind für jeden praktisch. Für uns liefen im Vorhinein viele Absprachen über einen beliebten mobilen Chat. Man kann sich als Gruppe einfach besser organisieren. Auf der anderen Seite können dann leider viele nicht mehr ohne … also war früher doch alles besser. (lacht)

Wie sieht die Zukunft von NEAERA aus?
Wir freuen uns auf die anstehenden Konzerte und hoffen, vielleicht noch ein paar Fans dazuzugewinnen.

Besten Dank für Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein Brainstorming: Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein?
Mötley-Crüe-Comeback: Ist es schon wieder so weit?
Horror: Die neuen „It“-Filme fand ich stark!
Star Wars: Nur die Originale.
Tofu: Mit Gewürz durchaus machbar.
Social Media: Ich persönlich bin da seit einigen Jahren immerhin bei FB raus. Aber wie oben bereits erwähnt geht es wohl nicht wirklich ohne …

Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Danke für euer Interesse. Ich hoffe, man sieht sich bald! Metal on!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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