Interview mit Aymeric Thomas von Pryapisme

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Mit ihrem dritten Album „Diabolicus Felinae Pandemonium“ haben die französischen Spaßvögel und Katzenliebhaber PRYAPISME ein weiteres Mal Zeugnis darüber abgelegt, dass Genie und Wahnsinn oft nah beieinanderliegen. Die musikalischen Chamäleons können nämlich weit mehr, als nur Schabernack treiben. Drummer und Exzentriker Aymeric Thomas gewährt nun Einblicke in das Bandgeschehen und erzählt nebenbei von nicht aufhörenden Erektionen, Katzen mit Allmachtsfantasien und seinen erstklassischen Deutschkenntnissen.

 

 

Hallo! Vielen Dank für dieses Interview. Wie geht es dir?
Mir geht’s ganz gut, danke! Wir sind froh, dass das Album endlich draußen ist, sodass wir uns jetzt auf Live-Shows konzentrieren können.

Einige unserer Leser werden euch wohl noch nicht kennen, darum stell‘ doch bitte zu Beginn kurz deine Band PRYAPISME vor. Wie würdest du eure Musik beschreiben?
Okay, also es ist echt schwer, uns zu beschreiben. Ich bin der Schlagzeuger und einer der zwei Gründungsmitglieder der Band. Ich wurde schließlich der Hauptsongwriter. Wir fingen an, als wir auf der Highschool waren und haben uns von Anfang an dazu entschieden, nichts Bestimmtes zu machen. Wir komponieren einfach Musik, die wir gerne hören möchten. Es ist eine Mischung dessen, was wir alle mögen, ohne irgendwelche in Stein gemeißelten musikalischen Grenzen. Man könnte es „Rocococore“ nennen: Core wegen des harten Gitarrenriffings, des schnellen Drummings und der verzerrten Synthesizer und Rococo, weil wir einfach zu viele Einflüsse haben und zu viele Noten und Schnickschnack spielen, sodass unsere Musik vielleicht etwas überladen ist.

Ihr mixt die verschiedensten Musikstile miteinander, das Ergebnis klingt ziemlich ausgeflippt. Was ist eure Intention dahinter?
Wir haben keine bestimmten Intentionen, wir tun einfach, was wir wollen. Manchmal bauen wir verrückte, ironische Parts ein, weil wir einfach lustige Typen sind, aber die meiste Zeit über versuchen wir, der Musik, die wir mögen, aufrichtig Tribut zu zollen. Wir mögen es außerdem, Genres zu kombinieren, weil wir in einer multikulturellen Zeit leben. Durch das Internet brechen verschiedene Musikstile auf und entwickeln sich weiter. Viele Künstler erschaffen Mixturen und machen sich verschiedene Einflüsse zunutze, wir führen das einfach nur etwas weiter, auf eine tiefergehende, extremere Art.

Findet ihr es langweilig, wenn eine Band nur einen Musikstil spielt?
Nicht unbedingt, aber ich muss zugeben, dass ich immer frustrierter werde, wenn ich mir neue Alben anhöre. Ich mag es, überrascht zu werden, und meistens, wenn ich ein Album zum ersten Mal höre, habe ich den Eindruck, dass ich schon weiß, was auf mich zukommt. Immer dieselben Melodien, dieselbe Entwicklung. Es kommt mir so vor, als sei alles schon mal erschaffen worden und als wäre eine wahrhaftige Mutation der Musik nur durch seltsame Mischungen und Grenzüberschreitungen möglich. Von Zeit zu Zeit kann ich aber auch ein gutes Album eines gewöhnlichen Genres anerkennen. Ich höre zum Beispiel viel puren Ambient oder Electro-Industrial. Und ich kann ein Oldschool-Black-Metal-Album beim Frühstück genießen, um wach zu werden.

Welche Musiker haben euch beeinflusst?
Da kann ich nicht für uns alle sprechen, da wir alle durch so viele verschiedene Musiker beeinflusst wurden. Ich denke, die Bands, die wir alle lieben, sind Mr Bungle, Estradasphere, Naked City und John Zorn. Wir alle mögen klassische und zeitgenössische Musik, den Avantgarde Rock der 70er, verschiedene Metal-Subgenres, Videospiel- und Film-Soundtracks, elektronische Musik, balkanische, arabische, indische, balinesische, chinesische und lateinamerikanische Musik. Wir mögen und hören also so ziemlich alles.

Eure Band heißt PRYAPISME. Was steckt hinter diesem Wort?
Wir suchten uns den Namen aus, als wir sehr jung waren. Und betrunken. Er bedeutet, eine Non-Stop-Erektion zu haben. Wir haben nur die Schreibweise etwas geändert. Wir waren 17 jahre alt und unsere Hormone waren am Brodeln. Wenn wir damals gewusst hätten, dass unsere Band länger als 15 Jahre bestehen würde, hätten wir vielleicht einen anderen Namen gewählt. Etwas wie “The Perfect Triangle Of Metaphysic’s Salad” oder “Spinoza’s Big Band And His Mighty Trumpets Of Death” oder vielleicht “There Is An Octopus In My Sliding Drawer, He Tastes Like Papyrus”. Vielleicht aber auch “@@@V2.7: The Church Of The Space Disclosure -TAB”. Uns würden viele Namen einfallen, die besser als PRYAPISME wären. Aber die wären wohl etwas lang.

Euch gibt es bereits seit 2000, dennoch ist „Diabolicus Felinae Pandemonium“ gerade mal euer drittes Album. Warum braucht ihr so viel Zeit, um eine neue Platte zu veröffentlichen?
Wir brauchten zehn Jahre, um unser erstes Album zu veröffentlichen, da wir erstens sehr faul waren, zweitens kein Geld hatten, um die Aufnahmen in einem Studio zu bezahlen, drittens zehn Jahre brauchten, um unser eigenes Home-Studio aufzubauen und herauszufinden, wie alles funktioniert, viertens anfangs nicht gut genug mit unseren Instrumenten umgehen konnten, sodass wir viel üben und Gigs spielen mussten und fünftens viel Zeit damit verbrachten, über künstlerische Entscheidungen zu diskutieren, bevor uns klar wurde, dass wir das Ganze nicht demokratisch angehen konnten. Wir mussten lernen, vertrauensvoll zu sein und tief in die Ideen einzutauchen, wenn einer von uns die Initiative ergreift, ohne alles infrage zu stellen. Jetzt ist alles gut, wir sind jetzt effizient, aber das brauchte seine Zeit. Außerdem sind wir alle etwas perfektionistisch, wir wollen nichts veröffentlichen, mit dem wir nicht voll und ganz zufrieden sind.

Zwischendurch bringt ihr jedoch immer wieder andere Releases wie EPs heraus. Warum das, anstatt die Zeit und Mühe gleich in Full-Lengths zu investieren?
Eine EP zu kreieren ist eine andere Art des Komponierens. Wegen der kürzeren Laufzeit kann man eine Idee tiefergehend verfolgen, als das auf einem Album möglich wäre. Das ist wirklich interessant. Wir haben zum Beispiel eine pure Chiptune-EP kreiert, das ist einfach eine gute Möglichkeit, eine gewisse Ästhetik umzusetzen, ohne dass es zu lang wird. „Futurologie“ sollte ursprünglich ein Album-Track werden, aber der Song erzählt seine eigene Geschichte, also veröffentlichten wir ihn allein. Wir konnten etwas damit spielen und eine lange orchestrale Version des Tracks machen, was für uns eine ziemlich coole Stilübung war. An einer EP zu arbeiten ist eine Art Pause, in der man sich für kurze Zeit eingehend mit einer Idee befassen kann. Eine volle Platte ist hingegen ernster und hat einen größeren Hintergrund. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge in Bezug auf das Komponieren.

„Diabolicus Felinae Pandemonium“ habt ihr diesmal als Live-Formation aufgenommen. Warum habt ihr euch dafür entschieden?
2013 haben wir zwei Sessionmusiker für die Live-Shows engagiert. Sie riechen schlecht, sind aber wirklich lieb. Also wurden sie zu 100 % Teil der Band. Wir haben das Album mit ihnen zusammen aufgenommen und sie haben viele Ideen und Kompositionen eingebracht. PRYAPISME waren lange Zeit zu dritt, nun sind wir offiziell ein Quintett. Deshalb war es für uns selbstverständlich, in dieser Live-Formation das Album aufzunehmen.

Wie darf man sich das im Vergleich zu euren letzten Releases vorstellen?
Auf dieser Platte wurden wir von unseren Live-Auftritten beeinflusst. Wir wollten etwas Wärmeres schaffen. Etwas weniger Digitales und Kaltes als auf unserem vorherigen Full-Length. Die Aufnahmen waren aber nicht großartig anders. Das war eher das Mixing. Wir haben die Drums mit neuen Mikros aufgenommen, um den Raum mehr durchklingen zu lassen, wir haben verschiedene Kabinen für Bass und Gitarren verwendet, damit sie natürlicher und knackiger klingen. Außerdem haben wir versucht, die Keyboards realistischer zu programmieren. Auch, dass wir mehr arabische und orientalische Klänge einsetzen, ist ein großer Unterschied.

Wo siehst du abgesehen vom Recording die größten Unterschiede zwischen eurem aktuellen Album und euren früheren Platten?
Wir haben uns auf analoge Synthesizer konzentriert, wie wir es auch auf der Bühne tun. Viele der elektronischen Parts sind nicht programmiert, sondern mit analogen Drum-Maschinen und echten Synthesizern eingespielt. Wir haben außerdem zwei Gitarristen, einer spielt mit Plektrum, der andere mit den Fingern, diesen Gegensatz wollten wir hörbar machen. Wir wollten außerdem die Verstärker gut hörbar machen, einen räumlicheren und natürlicheren Drum-Sound ohne viel Nachbearbeitung, wie es noch auf unserem letzten Album der Fall war. Der Basseinsatz ist auch neu für uns, diesmal wollten wir einen Bassisten, den man wirklich hören kann, nicht nur irgendwelche Synthesizer tief im Mix. Wir wollten also eine wärmere Platte, mit viel Präsenz von echten Musikern und weniger programmierten Instrumenten.

Ihr habt außerdem zahlreiche Gastmusiker mit an Bord. Wieso befandet ihr es für notwendig, Gäste dazuzuholen und wie kamt ihr mit ihnen in Kontakt?
Der Kontrabassist, Matt, hat schon auf unserer letzten EP gespielt und wir wollten sein Instrument für jazzigen Momente wieder mit dabeihaben. Er ist ein guter Freund, außerdem hat eine coole Chiptune-Band namens Please Loose Battle. Ich spiele übrigens auch mit ein paar Mitgliedern von PRYAPISME und Matt in Speedrunning The Apocalypse!!!, einer Cover-Band, mit der wir Videospielmusik nachspielen und dabei live im Hintergrund ein Speedrunning-Video laufen lassen. Ein anderer Gast ist Adrien, der mit unserem Bassisten in einer Band namens Zibeline spielt. Er ist ein wundervoller Musiker mit großartigen Fähigkeiten und wir wollten, dass er auf zwei Tracks Saxofon spielt. Wenn es nach mir ginge, hätten PRYAPISME einen fixen Saxofonisten. Ich liebe dieses Instrument. Ich spiele auch Klarinette, aber live kümmere ich mich schon um die Drums und die Elektronik. Ich hoffe, eines Tages kann ich mir ein zusätzliches Paar Arme kaufen… Ein weiterer Gast ist Gautier, der auch mit mir in einer Band namens Sebastockholm spielt. Ich hab ein Sample von ihm aufgenommen, wie er eine Wand mit einem Vorschlaghammer zerstört, und es in einen Track eingefügt. Das ergänzt die Musik und ist eine gute Gelegenheit, um sich bei einem kühlen Bier wiederzusehen.

Mit welchem Track des Albums bist du am meisten zufrieden und warum?
Schwierige Frage! Auf „Hyperblast Supercollider“ war und ist mein Lieblingstrack von Anfang an “Je Suis Venu, J’ai Vu, J’ai Sagouinu”, aber auf „Diabolicus“ habe ich noch keinen Liebling. Vielleicht “Totipotence D’un Erg”, aber ich kann nicht wirklich sagen, warum. Möglicherweise, weil es in meinem Kopf eine nette Geschichte erzählt, mit einer kinematographischen Herangehensweise, außerdem hatte ich viel Spaß bei der Aufnahme. Aber wenn du mich morgen nochmal fragen würdest, fiele meine Wahl vielleicht anders aus.

Eure Musik ist nahezu gänzlich instrumental, man hört ansonsten lediglich ein paar Samples oder Katzengeräusche. Warum? Und was wollt ihr mit den Samples ausdrücken?
Wir haben keinen Sänger, weil wir nichts zu sagen haben. Aber wenn wir eines Tages mal einen haben werden, dann werden die Texte sicher surrealistisch sein. Für uns sagt die Musik jedenfalls genug. Ich mag auch eigentlich keine Bands mit Sängern, ich höre meist instrumentale Musik. Die Samples haben größtenteils etwas mit Katzen zu tun. Wir haben unsere eigenen Katzen aufgenommen, aber auch unsere Nachbarin, die sich darüber aufregt, dass Katzen in ihren Garten gekackt haben. Auf “Totipotence D’un Erg” gibt es ein Sample von einem Home-Video, das wir mit einem Freund gedreht haben. Darauf sagt er: „Ich werde alle deine Zellen essen“. Es gibt auch ein paar Film-Samples, weil die gut zu den Ideen passten, die wir zu den Songs im Kopf hatten. Auf dem zweiten Track gibt es zum Beispiel ein Sample von einer Pornodarstellerin, die gerade kommt, während man Reggae hört. Außerdem hört man auch mal ein Sample von einem französischen Historiker aus den 60ern, der in etwa sagt: „Es ist leichter, sich über Priester lustig zu machen als über Banker.“ Das sind aber auch die einzigen Worte in unserer Musik. Sonst gibt es nur Miauen. Der Hörer kann das interpretieren, wie er will.

In dem Konzept hinter eurer Musik geht es um eine Art Katzenapokalypse. Warum werden denn die Katzen den Menschen unterjochen?
Wir machen Scherze über sie, aber Katzen sind inzwischen ein Teil unserer Welt, wie sie es nie zuvor waren. Schon im antiken Ägypten wurden sie verehrt. Wir versuchen, uns einzureden, dass sie dumme und lustige Kreaturen sind, aber in Wirklichkeit haben sie Pläne, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Man muss sich nur mal die Millionen Views unter den lustigen Katzenvideos auf YouTube ansehen, sie beherrschen schon jetzt die Welt. Sie sind geduldig, aber eines Tages werden sie ihr böses Gesicht zeigen, die werden in allen Nationen die Kontrolle übernehmen, unsere ganze Landwirtschaft in Fleischklößchen verwandeln, jeden Baum zu Katzenminze machen und witzige Videos von Menschen, die auf die Fresse fliegen, ins Internet stellen. Hoffen wir mal, dass ein paar Katzen in der Zukunft Heime für verwaiste Menschen öffnen werden. Und manche werden uns wohl zähmen.

Was fasziniert euch so an Katzen?
Zu Beginn unserer Zeit als Band probten wir immer in einer Katzenpension. Wir waren umgeben von mehr als 30 Katzen und sie sind auch jetzt noch immer da, wenn wir unsere Musik aufnehmen oder mixen. Sie sind süß, aber böse. Sie kuscheln gern, aber riechen fürchterlich, wenn sie aufs Katzenklo gehen. In Wirklichkeit sind sie einfach die perfekten Weggefährten. Gerade jetzt, da ich die Antworten für dieses Interview schreibe, habe ich eine Katze vor mir vor dem Bildschirm des Computers stehen. Er will euch übrigens etwas sagen: „::::dfflDJfjjjjjj,,4“.

Wie sind eure nächsten Pläne für PRYAPISME?
Unser erster Plan, als wir diese Band gründeten, war, mit Rock ’n’ Roll feste Freundinnen zu finden, das haben wir alle geschafft. Unser zweiter Plan war es, die ganze Welt zu erobern, das versuchen wir weiter. Außerdem werden wir zum ersten Mal die Musik für ein Videospiel machen. Ich weiß noch nicht, wann genau die erscheint, und ich kann noch nichts Genaueres dazu sagen, aber es wird definitiv das nächste Opus von PRYAPISME. In der Zwischenzeit werden wir möglichst viel live auftreten und unseren Katzen weiterhin Liebe und Futter geben.

Wir nähern uns langsam dem Ende unseres Interviews. Zum Abschluss noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming:
Nyan Cat: Um ehrlich zu sein, musste ich dafür meine Freundin fragen. Ich muss wohl im Kälteschlaf gewesen sein. Ist jedenfalls süß.
Bestes Retro-Videospiel: Natürlich „Rockman 2 / Megaman 2“. Und „Duck Hunt“.
Bestes Metal-Genre: Das, bei dem zum Schluss die Katze den Drachen UND die Prinzessin bumst.
Donald Trump: Ich bevorzuge Bruce Dickinson.
Kratzbaum: Die perfekteste menschliche Erfindung seit dem Buchdruck.
PRYAPISME in zehn Jahren: In der Geschäftsführung der größten Katzenminzefirma. Und mit zumindest einem Grammy in einer völlig neuen Kategorie: Die erste Band, die von Katzen angeführt wird.

Sehr gut, dann nochmals danke sehr, dass wir mit dir dieses Interview führen durften. Die letzten Worte gehören dir:
„Petra und Monica sind auf den spielplatz mit ein bademutze um fußball zu spielen. Draußen ist es kalt. Die vögel singen. Sie möchten kartoffeln und meerschweinchen zu essen.“ Sieben Jahre lang in der Schule Deutsch gelernt… Faszinierend, nicht wahr? Danke dir vielmals und danke auch dem Leser.

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