Interview mit Alex Pope von Ruins

Seit nun bereits neun Jahren versorgen RUINS die Welt in angenehm kurzen Abständen mit Black Metal made in Tasmania. Ihr bereits viertes Album, „Place Of No Pity“, erschien in Deutschland Ende November 2012 – mit etwas Verspätung hatten wir nun doch noch die Gelegenheit, uns mit Gitarrist, Sänger und Songwriter Alex Pope über Soundfragen, die Bandwerdung des ehemaligen Zwei-Mann-Projektes und ganz allgemein Black Metal im Land der Beutelteufel zu unterhalten.Doch lest selbst…


Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie geht es dir?
Ich habe für die Unterstützung zu danken!

Gratulation zu eurem neuen Album „Place Of No Pity“ – es ist wirklich mehr als gelungen. Ich nehme an, ihr habt schon einige Pressereaktionen erhalten – wie sind die bislang so ausgefallen? Seid ihr zufrieden?
Ich hab noch nicht viele Reviews gelesen, aber bin immer sehr interessiert daran, erste Einschätzungen in Interviews wie diesem zu hören.

Wenn du „Place Of No Pity“ in einem Satz umschreiben müsstest, würde dieser so lauten:
„Place Of No Pity“ ist die bislang ausgereifteste Verkörperung der Mission hinter RUINS.

Ok, dann lass uns das Album doch gleich etwas detaillierter betrachten. Fangen wir dazu mit dem Albumtitel an – könntest du dazu ein paar Worte verlieren?
Die Texte sind in ihrer Bedeutung sehr vielschichtig. In gewissem Maße spreche ich darüber, die Vernunft anzugreifen, sich selbst anzugreifen, das „selbst“ anzugreifen, das Ego. Die Idee des Todes in der Rolle des Beistehers. Der Tod leitet unsere Entscheidungen, der Tod ist unser Herausforderer. Der Tod gibt uns Mut, und verleiht gesteigerte Aufmerksamkeit. Wenn das Bewusstsein schwindet, zerfällt das Selbst und löst sich auf. Das ist der Ort, an dem es kein Mitleid gibt – „Place Of No Pity“. Wenn das Selbstbild nicht aufrecht erhalten werden kann, führt das nur zu einem höheren Grad an Verständnis.

Und wie setzt man so etwas in Texten um?
Wir versuchen, aus der Sicht eines Kriegers zu schreiben, was manchmal auch die Sicht eines Zauberers ist. Unbarmherzigkeit ist eine Voraussetzung für Zauberei. Unbarmherzigkeit ist das Gegenteil von Selbstmitleid. Unbarmherzigkeit ist das Gegenteil von Selbstgefälligkeit. Wir greifen das Selbstbild an, den Standpunkt der Rationalität, entkräften die Sichtweise des „Common Sense“;und wir verfechten die Idee der Willenskraft. Es ist also definitiv ein Album über den Tod. Es handelt von Leben und Tod, würde ich sagen – vom Bewusstsein.

Wie wichtig sind dir die Texte? Würdest du sie als künstlerische Dreingabe bezeichnen, oder hältst du es für unabdingbar, die Texte zu kennen, um die Musik zu verstehen?
Ich denke, die Texte sind bloß eine persönliche Sichtweise auf Ideen, die in mir herumspuken. Inhaltlich behandelt das alles Dinge, die mir wichtig sind … es geht um Themen aus meinem eigenen Leben, allerdings meist unter Verwendung von Metaphern. Diese geben größtensteils Philosophie, Dichtung und andere Dinge, die ich gelesen oder gehört habe und die mich beeindruckt haben, wieder. Das kann andererseits dazu führen, dass die Ideen für andere etwas leichter nachzuvollziehen sind, zugleich jedoch dazu, dass die Struktur dahinter etwas surrealer wird.
Ich behalte aber stets im Kopf, dass die Texte aus verschiedenste Blickwinkeln betrachtet werden können. Ich finde gut, wenn andere ihre eigenen, klareren Bedeutungen darin finden, so wie ich für mich selbst meine eigene Interpretationsweise habe, die ich auch nicht weiter ausführen werde. Das ist für mich der Grund, warum ich Kunst mache – um mit meinen Gefühlen und Gedanken klarzukommen, hintergründig Dinge aus meinem eigenen Leben zu verarbeiten; aber die Texte können ohne diesen Kontext auch weit weniger tiefsinnig aufgefasst werden.

Ok, lass uns ein bisschen über eure Arbeitsweise reden. Vielleicht erzählst du uns einfach ein bisschen, wie ihr bei RUINS Songs schreibt und aufnehmt?
Nun, ich schreib eigentlich die ganze Zeit Riffs, hab irgendwelche Ideen im Kopf und spiele damit herum – das kann aber auch Jahre dauern, von der ersten Idee bis zu dem Moment, in dem ich einen passenden Kontext dafür finde. Auch Text-Ideen werfe ich zunächst einfach zusammen, bis die Fragmente dann mit der Zeit zusammenfinden.
Bei der Entwicklung eines Songs erstelle ich immer Gruppen von Riffs, die gut zusammen passen, und versuche dann, die Geschwindigkeiten und Zusammenstellungen herauszufinden, bei denen sie am besten funktionieren. Diese Ansätze probiere ich dann in einem Jam mit Dave am Schlagzeug aus. Ehrlich gesagt mache ich einfach, was ich selbst hören will… die Ideen kommen einfach und finden ihren Weg. Wenn Dave meine Ideen dann mag, bekomme ich einen richtigen Motivationsschub, genauso, wenn es Joe taugt – das hilft mir immer, das Zeug dann fertig zu machen. Das ist eine Art natürliche Auslese, ich mache einfach, was ich machen will, die Musik, die ich hören will, und das formiert sich aus verschiedensten Stilrichtungen.

Der Sound des Albums gefällt mir deutlich besser als der eures letzten Werkes – würdest du zustimmen, dass hier deutlich mehr Druck dahinter ist, und könntest du uns erklären, was ihr dieses Mal anders gemacht habt?
Es klingt dieses Mal wirklich etwas natürlicher und direkter, ich denke, das passt auch besser zu den Songs und dem Gefühl, das wir mit ihnen wecken wollen.
Das erste Album hatte massenweise übereinander gestapelte Gitarren, um eine echte „Soundwand“ aufzubauen. Wir haben mehrere Schichten, einen eher breiten, geräumigen Sound mit viel Reverb und so weiter verwendet, um eine eher psychedelische Atmosphäre zu erzeugen, weil das besser zu unserer damaligen Musik gepasst hat. Das zweite Album war da relativ ähnlich. Auf unserem letzten Album haben wir angefangen, diese Verfeinerung vorzunehmen, den Sound schlichter und direkter zu halten. Aber ich denke, das jetzige Album profitiert vor allem von einem Plus an rohem Power – da steckt eine Art Klarheit drin – es ist transparent und sauber und knackig, aber trotzdem noch roh und schlicht. Es ist der bisher ausgereifteste Sound, und kommt unserem Anspruch an die Produktion bisher am nächsten. Es ist ein Fortschritt, obwohl es ein Schritt zurück ist – ein Schritt weg von allem nicht-essenziellen.

Das Album scheint ja zwei Artworks zu haben – wie kam es dazu und welches passt deiner Meinung nach besser zur Musik?
Nun, das ist eine lange Geschichte … auf alle Fälle bin ich mit beiden Bildern sehr zufrieden. Ich finde es interessant, die Versionen von zwei verschiedenen Künstlern zu meinen Visionen zu sehen, ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf meine Thematik. Die beiden haben nämlich auf Basis der gleichen Informationen gearbeitet.

Ihr habt einen Vertriebsvertrag mit Listenable, seid aber bei keinem Label unter Vertrag. Warum bevorzugt ihr, alles selbst zu managen?
Nun, ich würde sagen, das hat sich einfach so ergeben. Bezüglich der Produktion machen wir eben, was wir wollen, anders würde es auch nicht funktionieren. Aber wenn die Musik dann mal produziert ist, wäre Hilfe mit Pressen, Vertrieb, Marketing und Promotion natürlich erstrebenswert.

Auch ohne externe Hilfe durftet ihr schon mit so ziemlich jeder Black-Metal-Band zusammen spielen, die Australien in den letzten Jahren besucht hat. Wäre es nicht mal an der Zeit, auf andere Kontinente überzusetzen?
Bisher gibt es diesbezüglich noch keine konkreten Pläne – aber natürlich wäre das ein Ziel von uns. Wir werden 2013 einige Shows spielen, ein paar in Australien sind schon fix, und vielleicht können wir ja sogar auch noch Europa betouren.

Ich war etwas überrascht, zu lesen, dass euer Drummer, David Haley, auch für die Holländer Pestilence hinter den Kesseln sitzt – kannst du uns sagen, wie es dazu kam? Ich meine, viel weiter könnte man auf der Welt ja nicht auseinander wohnen …?
Dave ist gern beschäftigt und fördert seine Drum-Skills gerne in verschiedenen Stilrichtungen. Alle seine Bands sind auf ihre Weise echt cool, finde ich – er steht einfach auf den Abwechslungsreichtum. Er hat auch schon als Session-Drummer für diverse internationale Bands gearbeitet, insofern ist das für ihn auch nichts Neues. Aber wie das mit Pestilence weitergehen wird, keine Ahnung? Sie haben ihn angefragt, insofern war es vielleicht eine Empfehlung? Aber das weiß ich nicht genau …

Mittlerweile seid ihr ja vom Duo zur Band geworden – kannst du uns die Geschichte von RUINS kurz umreißen?
Bis ungefähr 2006 waren wir ja nicht einmal eine echte Band, wie wir es heute sind – Dave und Ich hatten die Idee zu dieser Band so 1998/99 – wir haben die Idee hinter RUINS dann eine ganze Zeit mit uns herumgetragen, bevor wir dann wirklich ein paar Songs geschrieben haben.Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen fixen Plan für eine Band im traditionellen Sinne. Das hat sich erst mit der Zeit entwickelt und im Endeffekt hat es bis 2006 gedauert, bis wir ein festes Lineup zusammen hatten und Shows spielen konnten. Seit 2008/09 sind Joe und Kai etwas mehr involviert. Das letzte Album ist das erste, auf dem wirklich alle vier Bandmitglieder der Live-Truppe auch auf dem Album gespielt haben. Bisher hatte ich immer alles selbst eingespielt und später den anderen Jungs gezeigt, wie sie es spielen sollen. Ich bin immer noch der Songwriter, aber Joe ist mittlerweile auch über die technische Seite des Produzentenjobs, den er für uns macht, auch in die Musik mehr involviert … auf diesem Album spielt er ja auch Gitarre. Und auch Kai, unser Bassist, wurde dieses mal in die Feinarbeiten an den Bass-Parts deutlich mehr einbezogen.


Ihr habt neue Bandphotos – auf ein paar davon steht ihr in Alltagsklamotten und ohne Corpsepaint der Sonne, die Location sieht ein wenig aus wie ein Campingplatz. Ehrlich gesagt eines der unpassendsten Band-Photos einer Black-Metal-Band, die ich je gesehen habe – zumal sie meiner Meinung nach weder zu RUINS allgemein, noch zur Musik oder euren alten Photos im Speziellen passen. Gibt es zu den Bildern eine Geschichte, beziehungsweise was war euer Konzept dahinter?

Das Photo entstand vor meinem Haus, haha! Insofern ist das eine sehr persönliche Darstellung. Die Sonne war für uns nicht so sehr von Bedeutung wie der Schatten, der mit ihr kommt – aber das Bild, auf das du dich beziehst, reflektiert das nicht so richtig. Ich wollte ehrlich gesagt überhaupt keine Bandphotos mehr machen – wir haben das immer auf der Nötigste reduziert. Ich hatte mir eigentlich überlegt, dass es zu diesem Album kein Photo geben sollte. Ich wollte, dass die Leute verstehen, dass es nur um die Musik geht und das Ich komplett heraushalten.
Aber dann dachte ich mir, dass es auch irgendwo eine neue Ära ist, die wir jetzt als komplette Band beginnen – und wir hatten ja bislang keine Bilder der gesamten Band. Insofern erschien es mir als coole Idee, auszuprobieren und zu reflektieren, wo die Band mit dem neuen Album und ihrer neuen Identität jetzt steht. Ich wollte zeigen, dass das ein sehr minimalistisches Album ist, und ich denke, hier kommt der Schlichtheits-Gedanke wieder in den Sinn.
Wir haben schon gescherzt, dass meine Augen so eingesunkene, schwarze Gruben sind, dass ich gar kein Makeup brauche, um grimmig zu schauen, haha. Manchmal benutzen wir für Livekonzerte Corpsepaint, es kann helfen, das normale, Menschliche auszublenden und den Fokus darauf zu lenken, was für die Atmosphäre wichtig ist. Es kann helfen, diese Atmosphäre den Zuhörern zu übermitteln. Aber wir nutzen es nicht immer – irgendwie finden wir unsere Balance zum theatralischen… ich meine, wir drücken oft einfach nur das aus, was wir in dem Moment ausdrücken müssen.
Wir setzen uns gerne von allen anderen ab: Wenn wir mit einer Band spielen, die Corpsepaint verwendet und Kostüme und all das, dann lassen wir es oft bleiben, um das, wofür wir stehen, auf einem grundlegenderen Level klarzumachen: Substanz statt Style, Funktion über Fashion – alles reduziert auf das Feeling von ein paar Kerlen, die ein paar Töne raus feuern, zur Sache kommen, nicht übertrieben herausgeputzt auftreten. Einfach eine heftige Band, die jede romantisierte Atmosphäre vergessen macht.
Auf der anderen Seite entsteht eine Lücke, wenn wir mit Bands spielen die sich einfach als normale Kerle präsentieren, die auch irgendwer anders im Raum sein könnten – dann versuchen wir, dieses andere Extrem zu sein, eher eine Theateraufführung, oder ein einheitliches Bühnenoutfit – das ist immer ein effektives Mittel um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Ich glaube, dass wir eine mitreißende Kraft entwickeln, die uns hilft, eine tranceartige Atmosphäre zu erschaffen – ganz egal, wie wir uns optisch präsentieren. Wir können wie ein Haufen abgerissener Punks aussehen, oder eine düstere Verbindung schwarzer Magier .. haha. Wir sind beides! haha! Und auch, wenn wir uns für keines von beidem halten, sind wir ziemlich sicher beides – zumindest in der ersten Auffassung anderer.


Ok, ich hätte jetzt noch ein paar Fragen zur Metal-Szene in eurer Heimat, Tasmanien. Wie ist es, dort Black Metaller zu sein? Ich könnte mir vorstellen, dass das dort nicht sonderlich populär ist?

Als ich jung war und damit angefangen habe, gab es hier nur eine Handvoll Leute, und ich bin mir recht sicher, dass es heute nicht viel anders ist, bezogen darauf, wie viele Leute hier diesen Lifestyle wirklich leben. Aber extremer Metal ist natürlich heute definitiv auch hier ein weiter verbreitetes Phänomen.

War es damals nicht schwierig, Musiker für eine Band zu finden, oder wart ihr eine eingeschworene „Szene“?
Es ist wirklich eine sehr kleine Szene, aber ich hatte das Glück, musikalisch gute Beziehungen zu haben. Das ist wirklich schwierig, dass sich da die richtigen Leute finden – das muss ja irgendwei passen, so was kann man nicht erzwingen. Na ja, kann man schon, viele Bands funktionieren so, aber das hält nicht, und es ist im Nachhinein dann ja auch vergeudetes Engagement.

Wie wichtig ist das Internet als „Brücke zur (Musik-)Welt“ in einem Land wie Tasmanien? Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass ihr nicht so viele Musik-Läden habt, die Metal-CDs oder Merchandise verkaufen?
Ich bin jetzt Mitte 30, insofern habe ich weit vor dem Aufkommen des Internets angefangen Musik zu hören. In vielerlei Hinsicht bin ich da jetzt auch nicht mehr so aktiv … ich habe bestimmte Freunde, wie meinen Musikgeschmack kennen und mich auf dem Laufenden halten, aber meistens bin ich ganz zufrieden, wenn ich mein eigenes Ding mache und meine alten Klassiker abspiele! Aber für die jungen Leute stimmt das wohl auf jeden Fall … Dave, Joe und Ich mussten als wir jung waren alle noch extra ins Ausland gefahren, um Musik zu kaufen. Das waren schon auch geile Zeiten …

Ok, das war dann auch schon meine letzte Frage. Wenn du dem nichts mehr hinzuzufügen hast, würde ich das Interview gerne mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden.
Was fällt dir ein, wenn du folgende Begriffe hörst:
Ozonloch:
Strahlung, Hautkrebs … aber ich denke auch an die Löcher in der Magnetosphäre
Facebook: Stalk-book, interessiert mich nicht wirklich, deshalb können sie mir auch nichts! Aber sicherlich auch ein mächtiges Instrument.
Deutschland: Effizienz, Intelligenz, Disziplin, Präzision …haha! Uniformen. Sorry, mein Freund, aber ich denke „SIEG HEIL!“ haha! Ich höre auch gerne Wagner. Jetzt denke ich an Göttinnen und Bier. Ich denke, Deutschland ist ein sehr interessantes Land und ich bin sehr froh, sagen zu können, dass wir von den Deutschen sehr gute Resonanzen auf unsere Musik bekommen!
Fußball: Interessiert mich nicht wirklich. Ich bin mit Australian Rules Football groß geworden, aber auch das interessiert mich heute nicht mehr so. Ich stehe Martial Arts und andere Sportarten wie Skateboarden – individuelle Ausdrucksformen statt Teamsport. Und ich mag Poker.
Rotwein: Ich trinke nicht viel Wein…
Black Metal: De Mysteriis Dom Satanas.

Ich danke dir für dieses Gespräch!

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