Interview mit Morten Veland von Sirenia

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Mit dem neuen SIRENIA-Album „Dim Days Of Dolor“ beweist Mastermind Morten Veland einmal mehr, dass er als Songwriter noch längst nicht ausgedient hat, während die neue Sängerin Emmanuelle Zoldan einen überzeugenden ersten Auftritt hinlegt. Im folgenden Interview mit Veland erfahrt ihr unter anderem, wie er heute zu den alten Tristania-Platten steht, wie es sich mit der neuen Sängerin arbeitet und was ihm beim Songwriting am Schwersten fällt.

sirenia6Zuerst mal etwas Allgemeines: Sowohl mit deiner alten Band Tristania als auch mit SIRENIA spielst du mehr oder weniger Gothic und Symphonic Metal. Wo siehst du die markantesten Unterschiede zwischen den zwei Bands?
Wow, ich bin wirklich verblüfft, dass jemand mich dieser Tage immer noch nach Tristania fragt, immerhin ist es schon 16 Jahre her, dass ich mit dieser Band gebrochen habe. Ich muss allerdings zugeben, dass ich ihre Musik schon jahrelang nicht gehört habe, also weiß ich gar nicht, wie sie heute klingen. Als sich im Januar 2001 unsere Wege getrennt haben, war es meine Intention, weiterhin die Musik zu machen, die ich zu dieser Zeit mochte. Als ich SIRENIA ins Leben rief, wollte ich allerdings ein paar Dinge anders machen, ich wollte nicht einfach ein zweites Tristania erschaffen, sondern etwas Anderes. Die größte Veränderung war wohl, dass ich eine modern ausgerichtete Sängerin in die Band aufgenommen habe, keine klassisch orientierte. Da ich bei beiden Bands der Hauptsongwriter bin bzw. war, gibt es natürlich einige Gemeinsamkeiten, aber ich habe versucht, mich musikalisch mit SIRENIA weiterzuentwickeln. Ich denke, SIRENIA und Tristania haben sich damals in verschiedene Richtungen bewegt.

Wenn du an Alben wie „Widow’s Weeds“ oder „Beyond The Veil“ zurückdenkst und sie dann mit der neuen Platte von SIRENIA, „Dim Days Of Dolor“ vergleichst, was kommt dir dann in den Sinn?
Das sind zwei völlig verschiedene Dinge und Zeiten, es liegen 18 bzw. 19 Jahre zwischen diesen Alben. Wenn ich heute eines dieser frühen Alben von Tristania einlege, bin ich von Nostalgie erfüllt. Ich denke, diese beiden Alben sind großartige Werke, insbesondere, wenn man bedenkt, wie jung wir damals noch waren. Ich sehe schon einige Gemeinsamkeiten zwischen diesen zwei Platten und „Dim Days Of Dolor“, was ziemlich cool ist. Andererseits ist es schon auffällig, wie weit wir inzwischen in Sachen Sound und Produktion gekommen sind.

Version 2„Dim Days Of Dolor“ ist euer erstes Album nach der Trennung von Ailyn. Emmanuelle Zoldan ist eure neue Leadsängerin, sie sang bereits im Chor für euch. Warum fiel eure Wahl gerade auf sie?
Die Wahl fiel auf Emmanuelle, weil sie einfach so eine vielseitige Sängerin ist. Sie beherrscht alle möglichen Techniken und Stile. Wir arbeiten schon länger als ein Jahrzehnt mit ihr, dabei war sie hauptsächlich Teil des Chors. Ich war schon immer ein Fan von ihrer Stimme, hab sie schon immer gemocht und war mir sicher, dass sie ihre Sache großartig machen und gut in die Band passen würde. Wie erwartet waren die Aufnahmen fantastisch, es war für uns beide auch eine sehr lehrreiche Erfahrung. Deshalb denke ich, dass sich unsere Zusammenarbeit in den kommenden Jahren sogar noch verbessern wird. Dank ihr ist das Album noch facettenreicher, sie variiert ihren Gesang sehr gut, das war für uns echt ein Schritt nach vorne. Ich kanns schon jetzt kaum erwarten, neue Sachen für ihre Stimme zu schreiben, besonders jetzt, wo ich über ihre Stärken als Sängerin genauer Bescheid weiß.

Wie unterscheidet sich das Arbeiten mit ihr von dem mit Ailyn?
Es ist viel einfacher, mit Emma zu arbeiten, sie ist professioneller, besser ausgebildet und hat mehr Erfahrung als Sängerin. Unserer letzten Sängerin mangelte es bezüglich des Gesangs an Kraft und Diversität, aber ihre Stimme war sehr schön, vor allem auf ihren ersten beiden Alben mit uns. Darüber hinaus waren die Aufnahmen mit Emma in einer Woche erledigt, beim vorherigen Album dauerte das einen Monat. Eigentlich sogar mehrere Monate, wenn man dazurechnet, wie oft wir die Aufnahmen verschieben mussten.

sirenia4Nachdem du auf „The Seventh Life Path“ wieder mehr Growls eingesetzt hast, machen sie auf „Dim Days Of Dolor“ nur noch einen kleinen Teil des Gesangs aus. Wolltest du Emmanuelle mehr ins Rampenlicht stellen oder gibt es einen anderen Grund dafür?
Die Menge der Growls variiert bei uns von Album zu Album. „The Seventh Life Path“ war düsterer und gewissermaßen oldschool, deshalb brauchte es meiner Meinung nach mehr Growls. „Dim Days Of Dolor“ ist hingegen ein melodischeres Album, deshalb verlangt es mehr weiblichen Gesang. Außerdem ist Emma so eine tolle Sängerin, da fühlte es sich natürlich an, ihr mehr Platz einzuräumen. Viele Fans waren der Meinung, dass Ailyn für SIRENIA zu poppig klang, in Emma haben wir jetzt aber wohl die richtige Sängerin für die Band gefunden. Sie singt auch live sehr gut, was sonst offenbar eine Seltenheit ist.

Wie ist das Feedback der Fans zu eurem neuen Album bisher ausgefallen?
Ich denke, manche Fans waren anfangs skeptisch, was nur natürlich ist, wenn ein so wichtiges Bandmitglied ausgetauscht wird. Nachdem sie das Album als Ganzes gehört hatten, schienen die Fans allerdings Emmas Qualitäten als Sängerin würdigen zu können. Ich finde, sie hat auf diesem Album wirklich fantastische Arbeit abgeliefert, wir alle sind schon ganz aufgeregt, wie es in Zukunft weitergehen wird. Die letzten drei Jahre waren eine eher depressive Phase für die Band, aber Emma hat die Energie wieder zurück in die Band gebracht.

Welcher ist dein persönlicher Lieblingstrack auf „Dim Days Of Dolor“?
Ich denke, alle Songs sind toll, alle haben ihre eigenen Qualitäten. Es fällt mir sehr schwer, mich nur für einen Song zu entscheiden, aber ein paar meiner Favoriten sind: „Goddess Of The Sea“, „Treasure ’n’ Reason“ und „Dim Days Of Dolor“. Ich liebe auch die französische Version von „Aeon’s Embrace“.

Die Songs scheinen textlich für sich zu stehen, gibt es dennoch vielleicht einen roten Faden, der sich durch das Album zieht?
Ja, die Songs wurden individuell geschrieben, es gibt kein typisches zusammenhängendes Konzept oder so. Ich denke, die düstere, melancholische und trostlose Atmosphäre kann man aber als roten Faden betrachten. Mich hat es als Songwriter schon immer zu den dunkleren Seiten des Lebens gezogen.

Ich habe den Eindruck, dass euer neues Album besser produziert ist als „The Seventh Life Path“, vor allem die Drums klingen viel organischer. Siehst du das auch so und falls ja, woran liegt das?
Da stimme ich dir zu hundert Prozent zu. Diesmal haben wir mit einem anderen Soundtechniker bezüglich Mixing und Mastering zusammengearbeitet, die Wahl fiel auf Jacob Hansen. Ich finde, er hat seine Sache echt gut gemacht und genau den Sound produziert, den die Musik von SIRENIA wirklich braucht. Rückblickend bin ich mit vielen Dingen auf unseren letzten Alben nicht zufrieden. Deshalb fühlt es sich super an, endlich wieder ein richtig gut klingendes Album veröffentlicht zu haben. Ich würde gern auch auf dem nächsten Album mit Jacob zusammenarbeiten.

sirenia2Das Artwork scheint denselben Stil zu haben wie auch schon eure letzten Alben. Was kannst du uns darüber erzählen?
Die Artworks unserer letzten beiden Alben wurden von Gyula Havancsak kreiert, die sind wirklich toll geworden. Er hat es geschafft, dieses bestimmte Gefühl und diese Atmosphäre einzufangen, die ich in einem Artwork suche. Ich finde beide Artworks echt episch und eindringlich, sie lösen etwas in mir aus, und genau darum geht es für mich bei Kunst. Seine Arbeit ist einfach so detailliert und tiefgründig. In der Vergangenheit haben wir schon mit einigen Designern zusammengearbeitet, aber ich denke, wir haben in ihm den perfekten Künstler für unsere Artworks gefunden.

„Dim Days Of Dolor“ ist bereits euer achtes Album, da wurden schon viele Ideen verarbeitet. Fällt es dir mit der Zeit immer schwerer, kreativ zu bleiben, oder hast du immer noch so viele neue Einfälle wie zu Beginn deiner musikalischen Karriere?
Es fällt mir leicht, musikalisch kreativ zu bleiben, aber es ist schwer, sich neue Texte einfallen zu lassen. Ich habe schon weit mehr als hundert Songs geschrieben, da ist es nicht leicht, neue Themen für die Texte zu finden und seine Art des Schreibens frisch zu halten.

Was hörst du momentan am meisten?
Leonard Cohen, David Bowie und Lana del Rey.

Was sind deine Pläne für die nahe Zukunft von SIRENIA?
Zuerst werden wir uns mal im Dezember um die ganze Pressearbeit zu unserem neuen Album kümmern. Nächstes Jahr fangen wir wieder mit dem Touren an, zuerst geht’s wohl nach Griechenland und Rumänien, vielleicht auch Bulgarien. Für März haben wir Lateinamerika geplant, im Mai hoffentlich Nordamerika. Im Sommer sind wir wieder auf Festivals, im Herbst touren wir wieder durch Europa.sirenia5

So, dann kommen wir langsam zum Ende unseres Interviews. Zuletzt würde ich dich noch bitten, an unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming teilzunehmen. Bitte sag uns, was dir zu den folgenden Begriffen einfällt:
Gothic: The Sisters Of Mercy
Musikalisches Highlight von 2016: Leonard Cohen – „You Want It Darker“
Begräbnis: Cohen und Bowie
Oper: Carmina Burana
Orchester: London Symphony Orchestra
CD – Vinyl: „Dim Days Of Dolor“

Nochmals vielen Dank, dass wir deine Zeit in Anspruch nehmen durften! Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen willst?
Das Vergnügen war ganz meinerseits, gerne. Grüße an alle Leser da draußen. Hört euch „Dim Days Of Dolor“ an und trefft uns doch nächstes Jahr auf Tour. Ich wünsch euch allen frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr.

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