Interview mit Bogdan Makarov von Skyforest

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Mit „A New Dawn“, dem dritten Album seiner ehemals als Soloprojekt geführten Post-Black-Metal-Band SKYFOREST, hat Bogdan Makarov ein Paradebeispiel dafür vorgelegt, dass Musik mit einer zuversichtlichen Grundstimmung keineswegs banal sein muss. Warum seine Musik mit der Zeit weniger depressiv geworden ist, weshalb Metal trotzdem stets ein Teil seines Schaffens sein wird und inwieweit der Zufall beim Gesang auf „A New Dawn“ seine Finger im Spiel hatte, beantwortete uns der russische Musiker im folgenden Interview.

Ich grüße dich! Danke, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Wie läuft es bei dir momentan?
Hallo! Es läuft sehr gut. Das Album „A New Dawn“ ist gerade erschienen und bisher habe ich viele positive Reaktionen darauf gesehen. Nach fast einem Jahr der Produktion fühlt es sich großartig an, es endlich zu veröffentlichen. In diesem Jahr wird auch ein weiteres Album meines anderen Projekts A Light In The Dark erscheinen, das ich in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 kreiert habe. Und noch mehr Musik ist in anderen Projekten in Vorbereitung. Dieses Jahr verspricht, produktiv zu werden.

Deine Musik war früher sehr bedrückend, ist mit der Zeit aber immer hoffnungsvoller geworden. Inwieweit hatte das mit deinen persönlichen Lebensumständen zu tun?
Natürlich spiegelt jede Musik, die ich mache, bestimmte Abschnitte meines Lebens wider. Vor Jahren war ich in einer viel schlechteren Verfassung und ich begann meinen musikalischen Weg mit Depressive-Black-Metal-Demos im Jahr 2010, im Vorgängerprojekt Annorkoth (das inzwischen eingestellt wurde, SKYFOREST ist eine direkte Fortsetzung davon). Mit der Zeit veränderte sich meine Umgebung, meine Sicht auf die Welt und das Leben und viele andere Dinge geschahen. Im Allgemeinen würde ich sagen, dass die Dinge jetzt viel besser sind als früher. Meine ganze Musik hat diese hoffnungsvollen Schwingungen, ich konnte sie nur nicht zum Leben erwecken, bevor ich mit mir selbst Frieden geschlossen hatte.

Wie fühlst du dich jetzt, wenn du auf deine früheren Alben zurückblickst?
„Aftermath“ war ein ziemlich depressives Album, was vor allem daran liegt, dass die Texte von Tim Yatras geschrieben wurden (der auf diesem Album auch für die gequälten Screams sorgte). Das Einzige, was mir daran nicht gefiel, war die Klangqualität, aber das wurde auf der neu gemasterten Version des Albums verbessert, die 2017 herauskam. Auch das Original-Artwork war schlecht gemacht – ich habe es als eine Art Collage aus verschiedenen Fotos erstellt. Ich wusste, dass es nicht optimal war, aber ich wollte es selbst machen – auf diese Weise wurde es eine ehrlichere Darstellung des Albums. Dennoch hatte die neu gemasterte Version ein anderes Artwork in einer minimalistischeren Art und Weise. „Unity“ ist in meinen Augen in jeder Hinsicht perfekt, außer vielleicht hinsichtlich des Klangs der Drums – das war das erste Mal, dass ich mit einem Akustik-Kit aufnahm und ich hatte keinen richtigen Platz, keine Erfahrung und nicht genug Ausrüstung, um es richtig zu machen, sodass ich herum improvisieren musste. Aber ich werde das nicht wieder neu mastern/aufnehmen. „Unity“ war ein großer Meilenstein in meinem Leben, das ist sicher und ich lasse es so, wie es ist. Von der „Harmony“-EP an bin ich mit allem zufrieden, von da an wurde alles mit der richtigen Überlegung gemacht.

Es hält sich immer noch die Vorstellung, dass große Kunst oft aus großem Leid entspringt und dass glückliche Menschen künstlerisch weniger zu sagen haben. Wie siehst du das?
Ich bin mir nicht sicher, wie das funktioniert, aber es ist genau so, wie du es beschrieben hast. Glückliche Musik neigt dazu, einfacher und geradliniger zu sein. Sie braucht keine große Basis. Und wenn man Musik auf der Grundlage einiger unglücklicher Ereignisse im Leben im Allgemeinen schafft und philosophische Fragen aufwirft, spiegelt sich das in der Musik selbst wider und macht sie in gewisser Weise komplexer, sei es in den Texten, in den Melodien oder in beidem.

Da die Stimmung deiner Musik mittlerweile beinahe schon zuversichtlich ist, scheinen sich viele Hörer darüber uneinig zu sein, ob man sie weiterhin als Black Metal ansehen sollte. Wie denkst du darüber?
Das einzige Album, von dem ich behauptete, es sei „Atmospheric Black Metal“, war „Aftermath“. Und als ich „Unity“ veröffentlichte, beschrieb ich es als „Melancholic Metal“. Ohne jeglichen „Black“-Anteil darin. Aber es gab viele verschiedene Meinungen. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich musikalische Elemente des Black Metals verwende – kompositorische Strukturen, Gitarren- und Schlagzeugtechniken. Aber niemals die Texte und die Ideologie. Es gibt ein Genre namens „Post-Black-Metal“, und ich denke, es passt hier sehr gut, da dieses Genre im Grunde genau das ist, was ich soeben beschrieben habe – musikalische Elemente, die aus dem Black Metal übernommen wurden, ohne dass die lyrischen Themen damit verbunden sein müssen. Wie auch immer, ich denke, die Leute sollten sich mehr auf die Musik konzentrieren, anstatt das Genre zu ergründen. Sich am „Etiketten-Krieg“ zu beteiligen, bedeutet, ihn zu verlieren. Wenn ich meine Musik auf Bandcamp tagge, dann nur für die Leute, die sich diese Tags ansehen. Ich denke, die Musik wäre für sie interessant, wenn sie ein bestimmtes Genre wie „Atmospheric Black Metal“ mögen.

Du setzt allerdings immer noch einige im Black Metal gebräuchliche Stilmittel wie Tremolo-Picking und Blast-Beats ein. Warum spielen diese Elemente trotz des anderen Kontextes immer noch eine wichtige Rolle in deiner Musik?
Als ich anfing, Musik zu machen, begann ich, wie bereits erwähnt, mit DSBM. In diesem Lebensabschnitt hörte ich viele DSBM-Bands sowie einige Atmospheric-Black-Metal-Bands. Ich fand ihre Techniken wie Blast-Beats und Tremolo-Picking-Gitarren immer sehr mitreißend und emotional. Sie machen Musik schnell und heavy wie ein Hochgeschwindigkeitszug. Erst Jahre später wurde mir klar, dass ich versuchen konnte, mit diesen Techniken etwas anderes zu machen – andere Melodien, andere Instrumente und eine andere Stimmung einzubinden. Und es hat immer sehr gut funktioniert! Jetzt ist es so, als ob ich eine andere Aufgabe mit denselben Instrumenten bewältigen würde und ich sehe nichts Falsches darin, wenn es funktioniert.

Könntest du dir auch vorstellen, in Zukunft mal ein Album zu kreieren, in dem du komplett auf Metal-Parts verzichtest?
Es gibt immer einen kleinen Teil Metal in allem, was ich mache. Am weitesten bin ich davon in meinem Projekt Blurry Lights entfernt, worin ich neoklassische Musik zum Teil mit Metal-Drums mische (aber meistens eher post-rockig). Bei SKYFOREST ist bisher nur „Harmony“ nicht Metal und das war nur ein akustisches Experiment. Ich bezweifle sehr, dass ich mich vom Metal weiter entfernen werde als bei SKYFOREST. Ich glaube, wenn sich das Genre oder die Ideologie zu sehr ändert, ist es Zeit, ein neues Projekt zu machen.

Wie ist es um deinen persönlichen Musikgeschmack bestellt? Welche Bands und Musiker inspirieren dich heutzutage?
Das meiste, was ich höre, kommt aus dem Dream-Pop, Shoegaze, Post-Hardcore und Blackgaze. Die Musik dieser Genres inspiriert mich durch ihre Atmosphäre oder ihre Produktion. Texte inspirieren mich selten, ich bin eher von der Musik selbst bewegt, manchmal achte ich darauf, wie die Instrumente eingesetzt werden. Insgesamt bin ich eher konservativ, wenn es um Musik geht, und schaue mir nur selten neue Bands an, außer wenn mir Freunde etwas empfehlen. Von Zeit zu Zeit stöbere ich zwar nach neuer Musik, aber im Allgemeinen folge ich nur den Bands, die ich bereits mag. Im Gegensatz dazu bin ich offen für jede Art von Musik und freue mich, Neues auszuprobieren. In Bezug auf die letzten Jahre würde ich nicht sagen, dass ich mich von bestimmten Bands inspirieren lasse – mein Musikstil ist bereits etabliert und entwickelt sich von selbst, aber Künstler wie Woods Of Desolation (aus Australien), Infinitas (aus Deutschland), Svarti Loghin (aus Schweden) haben mich in den Jahren 2011 bis 2013 definitiv sehr beeindruckt.

Während einige die emotionale Wirkung deiner Musik schätzen, halten manche sie wohl eher für kitschig. Wo liegt aus deiner Sicht die Grenze zwischen gefühlvoll und kitschig?
Das ist schwer zu sagen. Ich wollte nicht, dass etwas kitschig wird, außer in einigen Fällen, in denen ich es beabsichtigt habe (etwa das selbstbetitelte Album von A Light In The Dark von 2015). Ich versuche immer, die Emotionen so zu vermitteln, wie ich sie empfinde, mehr nicht.

Seit „Unity“ ist Michael Rumple in SKYFOREST für den Klargesang verantwortlich. Warum hast du dich dafür entschieden, nicht länger alles im Alleingang zu machen?
Ich habe versucht, alles alleine zu machen, sogar den epischen, klaren Gesang. „Unity“ sollte mein Ein-Mann-Projekt sein, bei dem ich alles alleine mache (einschließlich des Artworks, ja – aber es wurde stattdessen von Sergey gemacht, dazu später mehr). Aber egal, wie sehr ich es auch versuchte, ich war nicht in der Lage, meine Clean-Vocals in diesem Projekt auf das gewünschte Niveau zu bringen. Ich bat Michael, als Session-Mitglied an dem Album mitzuwirken, wobei ich dachte, dass ich für die nächste Veröffentlichung besser werden würde. Am Ende wurde ich besser, aber nicht annähernd so gut wie Michael. Und nebenbei bemerkt, ich konnte mir SKYFOREST ohne seine Stimme im Laufe der Jahre nicht mehr vorstellen. Seit der EP „Harmony“ ist er nun also offiziell das zweite Mitglied der Band.

Dein aktuelles Album trägt den Titel „A New Dawn“, was in gewisser Weise einen positiven Neubeginn suggeriert. Inwiefern ist das bei dieser Platte für dich der Fall?
„A New Dawn“ ist so etwas wie eine Rehabilitation. Während ich es kreiert habe, habe ich eine harte Zeit durchlebt und einige Dinge noch einmal überdacht, deshalb wollte ich es auf positivere Weise angehen, voller Hoffnung. Einfach als Erinnerung daran, dass es im Leben mehr gibt als nur Leiden.

Den Song „Wanderer“ hast du selbst als den vielleicht persönlichsten der Platte bezeichnet. Was hat es damit auf sich?
„Wanderer“ ist auch der am wenigsten positive von allen. Er handelt von einer langen Reise, auf der man nach einem perfekten Ort und einer perfekten Antwort auf alle Fragen sucht. Der Wanderer hat einen solchen Ort gefunden und sieht ihn aus der Ferne. Aber die Ankunft dort offenbart nur eine harte Wahrheit. Es gibt nichts. Den „richtigen“ Ort kann der Mensch nur selbst erbauen und es gibt keine universelle Wahrheit für alles. Man ist auf sich allein gestellt.

Die Texte lesen sich wieder sehr ermutigend und tröstend. Hattest du beim Schreiben den Gedanken, dass du den Leuten damit Kraft spenden könntest?
Ja, diesmal ist es mir in den Sinn gekommen, weil ich schon seit „Unity“ derartiges Feedback bekommen habe. Ein paar Leute haben mir gesagt, dass es ihnen auf die eine oder andere Weise „das Leben gerettet“ hat. Das sind sehr schöne Worte, die man da zu hören bekommt. Andererseits waren meine Texte nie herausragend, aber ich bin mir zumindest sicher, dass sie vollkommen ehrlich sind.

Sowohl die Texte als auch das Artwork beinhalten viele Naturmotive. Denkst du, dass das Streben nach Harmonie den Menschen unweigerlich aus dem urbanen Raum wegführt?
Städtische Orte bedeuten viele Menschen um einen herum. Um mit sich selbst Frieden zu schließen, kann man sich nicht einfach in eine Wohnung einschließen. Es ist sogar eine ziemlich deprimierende Umgebung, vor allem mit all den Geräuschen von draußen. Aber allein der Aufenthalt im Wald oder in der Nähe des Ozeans fühlt sich befreiend und erfrischend für den Körper und die Gedanken an. Bessere Luft spielt dabei sicher auch eine Rolle. Die Geräusche der Meereswellen, der Flüsse und des Windes zwischen den Zweigen sind sehr entspannend.

Im Zuge der Platte ist auch Gastgesang von Claire De Lune zu hören. Warum wolltest du gerade sie in diesen Songs singen lassen?
Ich hatte die Idee, eine Sängerin auf dem Album singen zu lassen, als ich gerade dabei war, Instrumentalmelodien zu schreiben. Ich wusste noch nicht, wer das sein würde, und dachte, ich würde zu gegebener Zeit ein paar Termine für ein Vorsingen organisieren. Aber plötzlich meldete sie sich bei mir und sagte, dass sie meine Musik mochte und wie sie sich auf sie auswirkte, und zufällig war sie auch die Sängerin von Edenfall und bot mir ihren Gesang an, wenn ich Lust dazu hätte. Nachdem ich ihre Auftritte gehört hatte, war ich mir sicher, dass sie die Richtige für den Job ist!

Das Cover des Albums wurde erneut von Sergey Shenderovsky kreiert. Denkst du, dass seine Bilder längerfristig gesehen zu einem Markenzeichen von SKYFOREST werden?
Auf jeden Fall. Wir arbeiten seit „Unity“ zusammen, und es ist immer ein Vergnügen, mit ihm zu arbeiten. Er versteht meine Ideen sehr gut und seine malerischen Fähigkeiten sind tadellos. Ein wahrer Profi seines Fachs. Ich kann seine Dienste absolut empfehlen, er kann hier kontaktiert werden: https://www.facebook.com/shenderovsky/

Bislang hast du immer sehr schnell neue Musik veröffentlicht. Zuletzt gab es jedoch eine Phase, in der du längere Zeit nichts herausgebracht hast. Denkst du, der Nachfolger von „A New Dawn“ wird wieder etwas früher das Licht der Welt erblicken?
Es gab eine ziemliche Lücke zwischen den Alben, wenn man die „Harmony“-EP nicht mitzählt, ja. Da bin ich mir nicht ganz sicher. Es hängt von vielen Dingen ab, vor allem aber von der Inspiration. Für ein Projekt wie SKYFOREST braucht man mehr Zeit, um sich aufzuladen, neue Ideen und Lebenserfahrungen zu sammeln. Aber mit Sicherheit ist dieses Album nicht das letzte.

Ich würde das Interview an dieser Stelle gerne mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming abschließen. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Symphonische Musik: Dimmu Borgir
Spiritualität: Drone-Ambient-Musik
Elitismus: Die Metal-Archiv-Webseite
Camping: Irgendwo in den Bergen entspannen und in der Nähe eines Lagerfeuers die Sterne anschauen.
Lo-Fi-Produktion: Verdrießlich
Liebe: Violet Cold

Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Möchtest du noch ein paar letzte Worte an die Leser richten?
Vielen Dank an alle, die sich das neue Album angehört und ein paar nette Worte hinterlassen haben. Eure Unterstützung ist immer willkommen! Und danke für die netten Fragen.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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