Interview mit VoA VoXyD von Sollertia

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Mit „Light“ haben SOLLERTIA ein beeindruckendes Dark-Metal-Album als Debüt vorgelegt, das mit James Fogartys wehklagendem Gesang, schwermütigen Leadmelodien und stimmungsvollen Symphonic-Elementen auf sich aufmerksam macht. Im folgenden Interview erzählt Mastermind VoA VoXyD unter anderem, wie das Projekt seinen Anfang nahm, wie er mit James in Kontakt kam und was Tschaikovskis „Schwanensee“ damit zu tun hat.

Grüß dich und danke dir, dass du dir Zeit für uns nimmst. Wie geht es dir?
Hallo, danke ebenfalls für deine Zeit. Mir geht es gut, in den USA ist gerade Memorial Day. Ich weiß noch immer nicht genau, was das heißt, aber ich werde mir das mal ansehen… Ich weiß, dass die Leute heute nicht arbeiten, das ist schon mal ein guter Anfang.

Eure Band namens SOLLERTIA gibt es noch nicht lange, es ist ein völlig neues Projekt bestehend aus John Fogarty und dir, VoA VoXyD. Wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen euch beiden?
Nun, die Komposition des Albums dauerte ziemlich lang, über ein Jahr. Normalerweise brauche ich nicht so lange, um ein Album anzufangen und zu vollenden, zumal ich es liebe, nach einem Konzept zu komponieren, so wie bei einem guten Buch, bei dem man einfach nicht aufhören kann, zu lesen, weil man so darauf versessen ist. Aber „Light“ war anders, ich wollte aus jedem Song etwas Einzigartiges herausholen und ich fing mit musikalischen Ideen an, ohne Texte zu haben, an denen ich mich orientieren könnte. Sobald das Album fertig war, dachte ich erst mal darüber nach, ein Live-Line-Up zusammenzutrommeln. Die letzten zehn Jahre habe ich mich in Ad Inferna geweigert, auf der Bühne zu spielen, und mit SOLLERTIA wollte ich einfach loslegen und live spielen. Leider brauchte es ewig, eine Band zu gründen, die Leute waren nicht verfügbar und wohl nicht allzu interessiert daran, also hörte ich damit auf, von anderen Musikern etwas zu erwarten.
Ich brauchte nur einen Sänger, um dieses Album zu veröffentlichen, einen wirklich guten, mit dem ich noch nicht zusammengearbeitet hatte. In The Woods… hatten gerade die Aufnahmen zu ihrem aktuellen Album „Pure“ beendet und ich hatte das Glück, einen ihrer Tracks hören zu können. James hat mich völlig umgehauen, immerhin war es eine große Herausforderung, die Nachfolge von Jan anzutreten. Ich entschied mich, ihn nur für einen Song zu kontaktieren, da ich inzwischen einen Sänger für SOLLERTIA gefunden hatte. Seine Arbeit war jedoch so großartig, dass ich mir niemand anderen mehr für die Songs vorstellen konnte. Ich denke, James und ich waren bezüglich des Albums auf einer Wellenlänge, er ist ja auch Multi-Instrumentalist wie ich, und darüber hinaus auch noch Sänger. „Light“ hat uns die Möglichkeit gegeben, etwas Neues, Persönlicheres auszudrücken.

James hat schon viel Erfahrung im Metal, er ist der neue Sänger bei In The Woods… und hat schon viel mit Old Forest veröffentlicht. Warum war es euch trotzdem wichtig, ein weiteres Musikprojekt zu gründen?
Wie du schon sagst, für mich war es wichtig, aber auch nur für mich, ich wollte nicht einfach nur einen weiteren Punkt auf eine Liste setzen oder so. James hatte seine eigenen Gründe dafür, mitzumachen, ich glaube nicht, dass unsere derzeitigen oder früheren Bands etwas mit SOLLERTIA zu tun haben.

Welche Bands haben dich in Bezug auf SOLLERTIA am meisten beeinflusst?
Weißt du, wenn man schon über 20 Jahre lang Musiker ist, wird man nicht mehr so offensichtlich inspiriert, wie wenn man seine ersten paar Songs schreibt, denke ich. Natürlich sind die Bands, die man gerne hört, ein wichtiger Teil des Songwritings, weil man einfach das spielt, woran das Gehirn sich gewöhnt hat. Also ja, Bands wie Katatonia, die ich seit „Brave Murder Day“ verfolge – damals war ich noch 18 Jahre alt – sind einer meiner größten Einflüsse, denke ich. Aber ich glaube, nach all den Jahren schafft man mit seiner Musik eine eigene Nische. Es ist wohl ziemlich selten, dass man eine alte Band hört und sich denkt: „Oh, die klingen ja wie diese oder jene Band heute.“

SOLLERTIA kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so etwas wie „Kunstfertigkeit“, richtig? Warum beschreibt gerade dieses Wort eure Musik so gut?
Ich habe Latein schon immer geliebt. Ad Inferna heißt beispielsweise „aus der Hölle“ („ins Grab“ – Anm. d. Red.) und passte perfekt zu unserer Musik. Für SOLLERTIA habe ich etwas Dunkles gesucht, das nicht der Musik folgt, einen Namen, der zu jeder Idee passte, die ich haben würde. Dieses Projekt ist für mich so einzigartig, die Musik, die ich für dieses Album geschrieben habe, ist jene, die ich schon längere Zeit vage in meinem Kopf gehört habe. Der Track „Praying At The Chapel Perilous“ sollte ursprünglich den Titel „Sollertia“ tragen.

Was wollt ihr mit eurer Musik ausdrücken?
Wir wollen immer etwas ausdrücken, wenn wir Musik machen, aber ich finde, es ist schwer, zu beschreiben, was wirklich dabei herauskommen soll, sofern man einen Song nicht für eine bestimmte Person oder als Soundtrack schreibt, um mal ein paar Beispiele zu nennen. Die typische Antwort wäre wohl: „Ich schreibe Musik, weil ich so viel Ärger in mir habe, den ich mit Worten nicht ausdrücken kann.“ Ja, das könnte sein, aber ich denke, wenn man weiß, wie man seine Gitarre sprechen lässt, dann ist das eine Form des Ausdrucks, mit dem man das transportieren kann, was man will. Wenn du ein Requiem schreibst, weil du davon überzeugt bist, dass du sterben wirst, dann wirst du wohl über finstere Themen schreiben, aber nicht nur, denn Note für Note wird dich die Musik selbst inspirieren und du wirst vielleicht deine ursprünglichen Gedanken und das, was du ausdrücken wolltest, vergessen. Deine Musik wird darüber hinauswachsen und schließlich wirst du das vermitteln, was du wolltest, aber anders als anfangs gedacht.

Was ist deiner Meinung nach die Besonderheit, die euch von anderen Dark-Metal-Bands unterscheidet?
Jedes Album jeder Band ist einzigartig. Ich denke, es wäre prätentiös, zu behaupten, dass „Light“ etwas Besonderes an sich hat, das andere Bands nicht haben. Wenn deine Musik wahrhaft ist, wenn dein Album ehrlich kreiert wurde, dann hast du dieses Besondere, weil dieses Album dann eine Kostprobe deines Lebens ist.

Wo siehst du deine Schwächen und Stärken als Musiker?
Meine Stärke ist vielleicht, dass ich Musik einfach zum Leben brauche. Ich kann einfach nicht anders, ein Tag ohne Musik existiert für mich nicht. Selbst wenn ich mit einem Album oder Projekt fertig bin, suche ich immer nach etwas Neuem. Das geht dann wohl auch Hand in Hand mit meiner Schwäche, denn man kann nicht jeden Tag zufrieden sein. Durch diesen Drang, jeden Tag Musik zu machen, wird man extrem selbstkritisch. Wenn das, was man macht, gut ist, dann ist man mit sich zufrieden. Wenn nicht, dann fühlt man sich scheiße und denkt, dass man darüber nicht hinwegkommt. (lacht)

Sprechen wir über euer Debüt „Light“. Ein ziemlich schlichter Titel und in Anbetracht der Musik ein etwas widersprüchlicher obendrein. Was hat es damit auf sich?
Ich bin auf diesen Titel gekommen, bevor James die Texte schrieb. Für mich bedeutet er sehr viel, es ist der Ausgang aus der Dunkelheit, in der ich mit Ad Inferna war. Um es klar zu sagen, ich sah in SOLLERTIA einen Ausweg. Ja, es ward „Licht“!

In den Texten kommen viele mathematische und generell wissenschaftliche Begriffe vor, allerdings mit emotionalem Kontext. Warum diese ungewöhnlichen Formulierungen und worum geht es konkret?
James ist ein sehr guter Texter. In einem Interview meinte er vor kurzem: „Ich hoffe, dass man durch dieses Album meine Arbeit als Texter anerkennt. Es gibt verschiedene Arten, wie ich meine Texte schreibe… Die für Ewigkeit sind von persönlicher Natur, jene für In The Woods… von spontaner Natur, jene für Old Forest von beschreibender Natur. Die Texte für SOLLERTIA sind möglicherweise die durchdachtesten, die ich seit langem geschrieben habe.“ Er bezieht sich auf Themen und Geschichten aus der klassischen Philosophie, also kann man echt sagen, dass der Kerl echt tiefgründig ist.

Welcher der Tracks bedeutet dir persönlich am meisten und warum?
Ich würde sagen „Praying At The Chapel Perilous“, weil ich ihn endlich genau so hinbekommen habe, wie ich ihn in meinem Kopf gehört hatte. Im Gegensatz zu dem, was ich zuvor gesagt habe, hat sich diesmal nicht die Gefahr verwirklicht, dass ich mein Ziel aus den Augen verliere. Ich wusste, wie ich diesen Track klingen lassen wollte und und genau so habe ich ihn gemacht.

Die Gitarren auf „Enter The Light Eternal“ klingen an manchen Stellen sehr nach einer Melodie aus Tschaikowskis „Schwanensee“. War das beabsichtigt und falls ja, aus welchem Grund?
Das war es tatsächlich. Das steht in Verbindung mit dem Artwork, diesem wunderbaren Bild, das einer meiner Freunde, Virginie Hugues, gemacht hat. Es steigt zwar kein Schwan von dem See auf, aber es erhebt sich eine Art „Geist“ darauf. Jeder, der „Schwanensee“, das Ballett, das zum Teil wirklich beeindruckend ist, gesehen hat, wird sich an den Moment erinnern, in dem das Hauptthema kommt, in dieser richtig düsteren Atmosphäre, wo dieser schwarze Vogel vor den unschuldigen Schwänen fliegt. Genau so sehe ich das Cover der Platte.

Vanja von Martyrium hat einige Gast-Vocals zu dem Album beigesteuert. Wie und warum habt ihr sie ins Boot geholt und werdet Ihr in Zukunft auch zusammenarbeiten?
Ich werde auf jeden Fall in Zukunft mit ihr arbeiten. Sie hatte diese schwarzen Wolken heraufbeschworen, die ich für „Light“ gebraucht habe. Sie ist sehr professionell, gibt immer ihr Bestes und genau so hatte ich mir das Böse auf dem Album vorgestellt. Ich kannte ihre Arbeit mit Martyrium nicht allzu gut, aber ich war beeindruckt davon, wie so ein schlankes Mädchen mit den größten Growlern der Szene mithalten kann. Sie ist sehr talentiert und hat in ihrer Musik viel zu sagen, ich liebe ihren Ehrgeiz.

Bei all den Projekten, die John am Laufen hat, könnte man meinen, dass SOLLERTIA nur eine Nebenband ist. Werdet ihr denn noch mehr veröffentlichen oder ist mit „Light“ schon alles gesagt?
SOLLERTIA ist nicht James’ Nebenprojekt. Ja, ich werde mit SOLLERTIA weitermachen, ich weiß nur noch nicht, ob es mit demselben Line-Up sein wird. Aber ich bin mit dieser Band noch lange nicht fertig.

Habt ihr auch vor, als SOLLERTIA live aufzutreten?
Ich denke noch darüber nach. Sobald ich die richtigen Leute gefunden habe, wäre das auf jeden Fall etwas, das ich machen möchte. Aber es war ganz schön hart, alles alleine zu machen (außer das Mastering, das Frederic im Studio Henosis perfekt hinbekommen hat). Ich muss zugeben, dass ich mir noch nicht darüber nachgedacht habe, ob SOLLERTIA auf die Bühne soll. Ich denke, dazu gibt es demnächst Infos!

Kommen wir langsam zum Ende. Nun noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming:
Norwegen: Windir
Black Metal: Diabolische Maskerade
Klassische Musik: Smetana
Technologie: Operationszeug
Glück: Mein Sohn, Raphael
SOLLERTIA in fünf Jahren: Etwas, auf das ich immer noch stolz sein werde.

Sehr gut, nochmals vielen Dank für deine Antworten.

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