Konzertbericht: Animals As Leaders

2012-04-09 München, Kranhalle (Feierwerk)


Die Frage, warum man eigentlich auf Konzerte geht, findet das Paradebeispiel einer Antwort am Ostermontag 2012 in München: Um begnadeten Musikern nicht nur Zuhören, sondern auch Zusehen zu können. Ist das, was ANIMALS AS LEADERS, das um zwei Musiker erweiterte Projekt von Mastermind Tobin Abasi, auf ihren beiden Alben darbieten schon mehr als nur beeindruckend, so ist die Frage, wie diese Musik live umgesetzt werden kann doch noch eine Nummer spannender. Da der Avantgarde-Metal-Jazz der Band aus Washington D.C. mit seinen vertrackten Rhythmen und Taktverschiebungen etwaiges Headbangen oder auch Moshen durchaus erschwert, findet sich auch an diesem Abend ein gemischtes Publikum vor der Kranhalle ein: Neben langhaarigen Hard Rockern und finster dreinblickenden Metallern finden sich auch ältere Musiknerds, studentische Hipster mit Seitenscheitel oder schlicht und ergreifend „ganz normale“ Zuschauer im Feierwerk ein.


Im Vorfeld der Veranstaltung war nirgends zu lesen, ob es eine Vorband geben würde, was sicherlich dazu beiträgt, dass die Kranhalle zum angepeilten Konzertbeginn um 20 Uhr schon gut gefüllt ist. Dennoch vergehen noch einmal ungefähr 30 Minuten, bis die drei Musiker ohne Intro die Bühne betreten und sich zu ihren Instrumenten begeben. Eine Vorband war wohl angedacht, hat allerdings kurz vorher abgesagt. Da wir dies lediglich während unseres Interviews mit Tosin mitbekommen haben, es aber nie eine offizielle Ankündigung einer Vorband gab, ist das Publikum auch weiter nicht erstaunt. Während sich nach dem Ausstieg von Navene Koperweis nun der neue Mann Matt Garstka hinter die Drums begibt, ist an den beiden achtseitigen (!) Gitarren alles beim Alten.
Nach einigen atmosphärischen Klängen und dem klassischen 1-2-3-4 auf der High-Hat kann das vorprogrammierte Kopfweh also beginnen – theoretisch. Zwar setzen die Visuals auf allen fünf Leinwänden (eine große Leinwand als „Backdrop“, zwei kleine Leinwände hinter den Gitarristen und je eine Leinwand an den beiden seitlichen Wänden) ein, der irritierte Blick zwischen Tosin und Javier Reyes zeigt allerdings an, das etwas nicht stimmt. Dass die Band in ihren komplexen Songs nicht zuletzt auf Grund der elektronischen Elemente auf einen Klick-Track angewiesen ist, hatte uns Tosin Abasi bereits im Interview verraten – allem Anschein nach ist genau hier nun das Problem zu suchen. Nach einem Neustart der Visuals und des dazugehörigen Computers (inklusive kurzem Bluescreen-Aufleuchten auf den Leinwänden) löst sich die Irritation im Gesicht der Band und es kann diesmal wirklich losgehen und nach dem erneuten Einzählen erklingen die ersten Töne von „Wave Of Babies“, welche vom Publikum mit Jubel aufgenommen werden.
Insgesamt ist die Setlist an diesem Abend ausgewogen zwischen alten und neuen Songs, der Sound ist herausragend und die dazugehörigen Visuals wissen die Musik perfekt zu unterstützen, indem sich hier abstrakte Formen und verschiedene Farben vermischen und in rhythmischen Bewegungen über die Leinwänder fließen ( neben der Musik passt auch der zu Beginn des Konzerts von der Bühne strömende süßliche Geruch hervorragend zu den gezeigten Visuals). Tobin Abasi spart auf Grund einer Erkältung an Ansagen, bedankt sich lediglich einmal kurz beim Publikum, stellt den neuen Mann am Schlagzeug vor und beschränkt sich ansonsten darauf, sympathisch zu sein und somit in den Fokus zu rücken, was die Band am besten kann: Nach unten geklappte Kiefer im Publikum erzeugen. Spätestens wenn sich Tobin zum unzähligsten mal selbst loopt und mit beiden Füßen gleichzeitig verschiedene Verzerrungen umschaltet und dabei mit seinen Fingern Dinge tut, die jeder physikalischen Logik widersprechen weiß man, womit man es hier zu tun hat. Rhythmisch perfekt unterstützt von Javier an der zweiten Gitarre bringt vor allem das Schlagzeug live eine weitere wuchtige Komponente in den Band-Sound. Dass Matt Garstka erst seit kurzem mit der Band zusammen auftritt fällt nicht auf, vielen wäre das wahrscheinlich ohne einen kurzen Hinweis von Tosin nicht einmal aufgefallen. Nach knapp 50 Minuten verabschiedet sich die Band mit dem Hit „CAFO“ von der Bühne, um dann allerdings doch noch einmal für eine Zugabe zurückzukehren. Mit welcher Genauigkeit die Band ihre komplexe Musik darbietet ist schwindelerregend, der kurze Versuch einiger Fans, tatsächlich mitzuklatschen (!) versandet und ein begeistertes Publikum begleitet die Band mit lautem Applaus von der Bühne.

Dennoch sind die Publikumsreaktionen nach knapp 60 Minuten Spielzeit mit 20€ Eintritt gespalten: Während mich ein älteres Ehepaar nach dem Konzert fragt, ob das denn jetzt die Band „Washington D.C.“ war und Animas As Leaders als nächstes spielen (ja – genauso geschehen) und man aus Gesprächen durchaus Beschwerden entnehmen kann, ist die große Menge der Anwesenden absolut zufrieden mit dem Konzert. Dass es die Band überhaupt zu Stande bringt, jeden Abend so zu spielen ohne wahnsinnig zu werden oder schlicht und ergreifend auf Grund von Schmerzen in den Händen zu weinen ist schlichtweg beeindruckend.

FAZIT: Genau wegen solchen Konzerten weiß man, warum Live-Erlebnisse derzeit einen großen Zuspruch erfahren. Die bereits auf Platte begeisternde Musik von ANIMALS AS LEADERS weiß live noch mehr zu fesseln und für begeistertes Kopfschütteln zu sorgen.

Setlist:
01. Wave Of Babies
02. Tempting Time
03. Earth Departure
04. Isolated Incidents
05. An Infinite Regression
06. Point To Point
07. Cylindrical Sea
08. Somnarium
09. CAFO

10. Weightless

Fotos von: Moritz Grütz

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