Festivalbericht: Festival-Mediaval VII – Tag 1

12.09.2014 - 14.09.2014 Goldberg, Selb

vorschau_2014„Denn die 7 ist die Zahl…“
Zumindest ist das FESTIVAL-MEDIAVAL auch im siebten Jahr nicht mehr aus dem Festivalkalender vieler mittelalterlich interessierter Musikbegeisterter aus allerlei Ländern wegzudenken. Und wieder einmal liefert das Wochenende am Goldberg viele mögliche Antworten darauf, warum sich die Veranstaltung über die letzten Jahre hinweg etabliert hat. 2014 steht das Festival ganz im Zeichen der irisch-schottischen Musik, mit den einzig wahren The Dubliners aka The Dublin Legends als Headliner am Sonntag. Doch zunächst überzeugt das Billing mit live-erprobter Marktmusik auf großen Bühnen.

„Welcome home!“ – mit diesen Worten begrüßt Veranstalter Bläcky die anwesende Festivalgemeinde am Freitag Nachmittag. Am Tag zuvor weihten alle Anwesenden gemeinsam bereits das Piratenfloß als neue Attraktion und Konzertlocation abseits des eigentlichen Geländes ein. Zumeist treiben dort PYRATES ihr (musikalisches) Unwesen und verzücken bei Rum sowie allerlei Seemannsgarn. Für das kommende Jahr ist wiederum unter anderem ein mittelalterlicher Zirkus sowie eine spezielle Elfenbar in Planung. Doch zurück zur Gegenwart:

SONY DSCDIE RABENBRÜDER eröffnen bei ausbaufähiger Witterung den freitäglichen Reigen mit klassischer, mittelalterlicher Musik. Das zum Trio geschrumpfte Quartett hat seinen neuen Silberling „Zaubertröte“ mit nach Selb gebracht und spielt sich solide mit Laute, Drehleier und Percussion ausgestattet durch sein einstündiges Set. Ein wenig verloren wirken die drei Musiker manchmal auf der für sie zu großen Bühne, doch die musikalischen Qualitäten stimmen und besonders der Titeltrack der aktuellen Veröffentlichung sei an dieser Stelle allen Interessierten als Anspieltipp genannt.
Auf der kleineren Burgbühne haben TRISKILIAN anschließend weniger mit einer (für sie) überdimensionierten Location als mit dem stetig schlechter werdenden Wetter zu kämpfen. Gut gelaunt und mit Charisma gesegnet kämpfen Sängerin Jule Bauer und der Rest des Ensembles gegen die widrigen Umstände an, doch die Menge vor der Bühne hält sich auf Grund des Starkregens in argen Grenzen. Schade, denn mit Gitarrist Philipp Greb als Gastmusiker und Knud Seckel als Special Guest kann man der Kapelle musikalisch keinen Vorwurf machen. Die klassisch mittelalterliche vertonte Zeitreise führt den Hörer unter anderem durch verschiedenste Kulturwelten – von Irland, über Deutschland und Italien bis nach Galizien und den vorderen Orient.

SONY DSCIm Anschluss spielt das Wetter wieder etwas besser mit und VERSENGOLD drehen gewaltig an der Temposchraube. Auf eine erste erfolgreiche Clubtour 2013 folgte dieses Jahr mit der neuen EP “Auf in den Wind” im Gepäck eine weitere. Nach zwei Support-Touren mit Feuerschwanz machten Snorre, Pinto und Co. letzten Winter wiederum mit Saltatio Mortis die Republik unsicher. Im September 2014 kehren die Nordlichter nach einem ereignisreichen Jahr schließlich nach Selb an den Goldberg zurück. Dort geben sie – erstmals auf der großen Schlossbühne – ihr festivalerprobtes Set zum Besten, das besonders im Balladenteil mit “Vom Zauber des Wildfräuleins” anstatt des ähnlich ruhigen aktuellen EP-Titeltracks punktet. Im folkig-tanzbaren Block fügen sich die neuen “Seemannsgarn” und “Meuterey” munter bei den etablierten Livekrachern von “Im Namen des Folkes” ein und die Stimmung entwickelt sich noch einmal spürbar besser als bei den vorherigen Gastspielen der Norddeutschen. Die fröhlichen Markt- und Trinkkompositionen wie “Drey Weyber” und “Paules Beichtgang” geraten textlich wie musikalisch noch einen Tacken ausgereifter und variabler als ihr Headliner-Programm von der Burgbühne. Gekrönt wird das Spektal durch einen für Folkverhältnisse beachtlichen Circle Pit. Als Abschluss darf wiederum “Ich und ein Fass voller Wein” nicht fehlen und basierend auf dieser energiegeladenen Performance wäre es keine Überraschung, wenn VERSENGOLD 2015 den Süden nicht häufiger unsicher machen. Die einzig leidtragenden dieses fulminanten Auftritts sind Ausnahmecellist ADAM HURST, der zeitgleich auf einer kleinen Nebenbühne sein Talent unter Beweis stellt, und alle interessierten Gäste, die nur an einem Ort gleichzeitig zugegen sein können. Beide Konzerte hätten die gleiche Menge an Publikum verdient. So steht man hier vor der Wahl der Qual(ität). Dies sollte sich anschließend ändern.

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Wie Versengold merkt man dem niederländischen Spielmannsquartett RAPALJE stets seine Marktherkunft und jahrelange Eingespieltheit an. Allerdings hatten die Vier dank Plattfuß auf der Autobahn mit einer komplizierten Anreise nach Selb zu kämpfen. Dies ist beim verhältnismäßig drögen Auftritt von der ersten Sekunde an spürbar bzw. eben nicht. Selbst Besucher des Mittelalterlich Phantasie Spectaculums dürften sich hier nicht wie zuhause gefühlt haben. Das Bühnenbild bleibt weiterhin eher karg, so dass die vier Musiker mit ihren Instrumenten wie Geige und Cister das zentrale Element bilden. In der eher monoton-ruhigen Festival-Setliste fehlen zu allem Überfluss einige Klassiker, so dass im Zuschauerraum keine wirkliche Begeisterung aufkommen mag und die Band mehr routiniert ihr Programm abspult. Auch die Ansagen von William sind an diesem Tag verhältnismäßig belanglos, so dass sich die Show schnell im immer gleichen Ablauf festfährt: Ansage, Song, Ansage, Song. Mit „Hearts“ haben RAPALJE anno 2014 zwar ihre Albenquadrologie rund um die Spielfarben eines Kartendecks komplettiert, doch von einer gelungenen Abschlussfeier ist in Selb nichts zu spüren. Vielleicht einfach nur eine Verkettung unglücklicher Umstände. Jedenfalls muss dieses Gastspiel gemessen an den Standards der Niederländer als enttäuschend verbucht werden.

SONY DSCAls Headliner des „gepimpten MPS“ am Freitag finden sich schließlich die schottischen SAOR PATROL ein, die gleichzeitig ihr Debüt beim Festival-Mediaval spielen. Das Percussiongewitter dringt bereits früh durch Mark und Bein, während Charlie Allan sich in seinem besten Kauderwelsch an völlig unverständlichen Ansagen zwischen den Stücken probiert. Sei’s drum. Mögen die Gags und Hintergrundinformationen zu Duncarron zwar nur spärlich zum Auditorium durchdringen, die musikalische Performance stimmt. Zum bereits erwähnten Trommelfeuerwerk gesellen sich original schottische Dudelsackmelodien von Clan-Leader Charlie Allan sowie fetzige Riffs von Gitarrist Steve Legget. Besonders die Urgewalt hinter diesem vollständig akustischen Auftritt beeindruckt. Nach dem Ausscheiden von Marcus Dickson haben SAOR PATROL mit Dan Dean einen dauerhaften Ersatz an einem der drei Drumsets gefunden. Spürbare Unterschiede ergeben sich für den Zuhörer nicht. Einzig der über 90 Minuten fehlende Abwechslungsreichtum ist es, der für einen Wermutstropfen sorgt. Nicht umsonst spielen die Briten an anderer Stelle normalerweise nur 45 bis 60 Minuten und/oder mehrere Sets über den Tag verteilt. Dies scheint basierend auf der musikalischen Ausrichtung auch die bessere Wahl zu sein – ungeachtet der Qualität. Andererseits werden SAOR PATROL in Selb erstmals wie eine der Hauptbands des MPS inszeniert, was den Jungs scheinbar noch einmal einen kleinen Extraschub verpasst. Jedenfalls wirken Charlie, Steve und Co. sehr ambitioniert und engagiert, so dass am Ende des Tages von einem gelungenen Headliner gesprochen werden kann.

SONY DSCGleiches gilt für den ersten Festivaltag, der einzig unter dem Wetter und einem verkorksten RAPALJE-Auftritt litt. Ansonsten bot das Festival-Mediaval in all seinem Umfang wieder für jeden etwas. Die vorwiegend musikalisch interessierten Besucher hatten mit VERSENGOLD ein echtes Highlight auf der Hauptbühne und konnten beispielsweise mit ADAM HURST auch parallel zum Bummeln auf den verschiedenen Märkten echte Perlen genießen. Darüber hinaus zeigten besonders MPS-Bands wie SAOR PATROL, die hierzulande erstmals im ungeteilten Rampenlicht ohne den langen Schatten von SALTATIO MORTIS auftraten, dass sie in der Lage sind, auch auf großen Bühnen zu bestehen.

 

 

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