Konzertbericht: Life Of Agony w/ Prong, Tarah Who?

23.01.2023 München, Backstage (Werk)

Mit dem Album „River Runs Red“ begann im Jahr 1993 die Karriere von LIFE OF AGONY. Knapp 30 Jahre später ist die US-amerikanische Alternative-Metal-Band immer noch (beziehungsweise nach mehreren Bandpausen wieder) aktiv. Den runde Geburtstag des Debüts nutzt die Band um Sängerin Mina Caputo für eine Jubiläumstour unter dem Motto „30 Years Of ‚River Runs Red’“. Als Support fungieren die alten Hasen PRONG sowie die Newcomer TARAH WHO? aus Los Angeles – ein Mix, der viel verspricht.

Tarah Who Live 2023Dennoch beginnt der Abend alles andere als vielversprechend. Das liegt nicht etwa daran, dass TARAH WHO? als Vorband nicht ordentlich abliefern würden – im Gegenteil: Das Trio um Fronterin Tarah Carpenter legt viel Elan in seine Grunge-Rock-Show. Trotzdem will der Funke heute so gar nicht überspringen. Vielleicht auch, weil die Ansagen von der ansonsten so resolut wirkenden Tarah ziemlich zaghaft vorgebracht werden, geht das Publikum auf keine davon ein: Die Bitte nach einem Moshpit verklingt ohne Wirkung, und auch der humorige Support-Aufruf mit Prong-Referenz („Pick up, pick up, pick up the fucking CD“) verhallt als Dead Joke im bereits gut gefüllten Werk. Dass sich TARAH WHO? davon die Laune nicht verderben lassen, zeugt von der Charakterstärke dieser jungen Band – so einen Gig muss man erst einmal so souverän hinter sich bringen.

PRONG live 2023Ganz andere Ausgangsbedingungen bieten sich da PRONG, die heute unverkennbar ihr eigenes Publikum gezogen haben, und auch bei den Oldschool-Fans von Life Of Agony, die – ebenfalls unverkennbar – heute zahlreich erschienen sind, einen Stein im Brett haben. Schließlich waren es Tommy Victor und Konsorten, die Life Of Agony von Anbeginn an unterstützt und sie auf ihrer “Cleansing“-Tour 1994 mit nach Europa genommen haben. So hat die Show der Crossover-Legende heute nicht ansatzweise Vorband-Charakter: Obwohl die Soundqualität je nach Position in der Halle leider sehr unterschiedlich ausfällt, können PRONG das Publikum mit dem „Cleansing“-Hit „Test“ als Opener direkt mitreißen.

PRONG live 2023Dass auch sonst größtenteils ’90er-Jahre-Klassiker auf dem Programm stehen, passt zwar gut zum Tourkonzept, hat aber einen pragmatischen Grund: Mit dem bekennenden PRONG-Fan Jason Bittner als Tour-Drummer waren die altbekannte Hits schneller einstudiert. Im Gegenzug liefert der Overkill– und Shadows-Fall-Schlagzeuger eine so energiegeladene Performance ab, dass sich PRONG fragen müssen, ob sie diesen Mann wieder gehen lassen wollen: Besser als mit Bittner hat das Power-Trio PRONG lange nicht funktioniert.

  1. Test
  2. Whose Fist Is This Anyway?
  3. Beg To Differ
  4. Unconditional
  5. Ultimate Authority
  6. Cut-Rate
  7. Disbelief
  8. Broken Peace
  9. Another Worldly Device
  10. Snap Your Fingers, Snap Your Neck
  11. However It May End
  12. Revenge

Für den die Fans im nahezu ausverkauften Backstage Werk heute aber eigentlich gekommen sind, wird während des Soundchecks klar: Lässt sich LIFE-OF-AGONY-Gitarrist Joey Z auch nur kurz blicken, wird sogleich lautstark gejubelt. Ehe die Show um 21:50 Uhr schließlich beginnt, muss allerdings noch klargestellt werden, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Im Namen von Sängerin Mina bittet ein Roadie das Publikum darum, keine Becher zu werfen. Der Hintergrund ist ernst: Am Vorabend in Wien war Mina direkt im ersten Song von einem Becher am Kopf getroffen worden und musste die Show mit einer Platzwunde unterbrechen.

Schlimmeres scheint zum Glück nicht passiert zu sein: Als der Pink-Floyd-Klassiker „Hey You“ als Intro verklungen ist, stürmt Mina mit ihren Mitstreiter:innen von LIFE OF AGONY regelrecht die Bühne. Das Publikum wiederum rastet schon zu den ersten Klängen von „This Time“ und dem folgenden „Underground“ schier aus. Dass der Sound – insbesondere auf der linken Hallenseite, also der von Bassist Alan Robert – extrem basslastig ausfällt, hält hier und heute niemanden auf, die Hits von „River Runds Red“ abzufeiern.

LIFE OF AGONY live 2023Dass LIFE OF AGONY ihr Debüt in voller Länge und originaler Reihenfolge durchspielen, macht die Darbietung extrem authentisch. Dass die ’90s-typischen, mehrminütigen Interludes der Show dabei objektiv betrachtet etwas den Drive nehmen, können LIFE OF AGONY in großartiger Zusammenarbeit mit dem Münchner Publikum locker kompensieren: Insbesondere in den ruhigeren Stücken singen die Fans bisweilen lauter aus Mina und sorgen so für Gänsehaut-Atmosphäre – vielleicht sogar mehr als die Fronterin selbst, die auf der Bühne zwar viel unterwegs ist, gerade in ihren Ansagen aber leider etwas die Leidenschaft vermissen lässt.

An das immerhin auch schon 50-minütige „River Runs Red“-Set hängen LIFE OF AGONY noch ein Best-Of-Set an, das neben „Scars“ vom 2019er-Album „The Sound Of Scars“ ausschließlich weitere Hits aus den 1990ern bereithält: „Other Side Of The River“ oder „Lost At 22“ dürfen dabei ebenso wenig fehlen wie „Weeds“ – doch dazwischen ist, sehr zur Freude der Fans, auch noch Zeit für das großartige und dennoch vergleichsweise selten live gespielte „Let’s Pretend“.

  1. This Time
  2. Underground
    Monday (Interlude)
  3. River Runs Red
  4. Through And Through
  5. Words and Music
    Thursday (Interlude)
  6. Bad Seed
  7. My Eyes
  8. Respect
  9. Method of Groove
  10. The Stain Remains
    Friday (Interlude)
  11. Other Side Of The River
  12. Scars
  13. Let’s Pretend
  14. Lost At 22
  15. I Regret
  16. Weeds

Etwas mehr nach außen getragene Begeisterung seitens Mina Caputo für die wirklich großartige Stimmung an einem Montagabend in München hätte die Show nochmal auf ein anderes Level gehoben. Doch auch so wird der Auftritt zu einer gelungenen Jubiläumsparty für „River Runs Red“. Dass das Album nicht nur das Debüt, sondern, wie man leider sagen muss, zugleich auch der musikalische Höhepunkt in der Karriere von LIFE OF AGONY war, trägt seinen Teil dazu bei: Schwache Songs gibt es heute wahrlich keine zu hören.

Das gilt auch für die beiden Vorbands: Während TARAH WHO? allenfalls noch an ihrer Bühnenpräsenz arbeiten müssen, sollten PRONG alles daran tun, Jason Bittner zumindest zeitweise in der Band halten zu können – denn ohne Frage stimmt, was Tommy Victor später auf Social Media schrieb: „Best Show ever in Munich“!

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