Konzertbericht: Obituary w/ Macabre, Support

13.12.2012 München, Backstage (Halle)


Ende der Achtziger steckte der Death Metal noch in den Kinderschuhen. Zwei Jahre nach „Scream Bloody Gore“ erscheint neben „Altairs Of Madness“ ein weiterer Klassiker: Obituary lassen „Slowly We Rot“ auf die Metal-Welt los. Mehr als zwei Dekaden Später sind die Pioniere aus Florida in Europa unterwegs, um ausschließlich Songs aus der frühen Schaffensphase zum Besten zu geben. Ein Classic Set bestehend aus den ersten drei Alben kündigen die Amis auf der „Rotting Slowly in Europe 2012“ Tour an. Mit im Gepäck ist eine weitere Band der ersten Stunde: Macabre haben sich mit ihrem schwarzen Humor und der Faszination an Serienkillern einen Kultstatus in der Extreme-Metal-Szene erarbeitet. Mit Psycroptic und The Amenta stehen zwei weitere Death Metal Acts auf dem Zettel. Klingt nach vielversprechendem Geballer heute Abend im Münchener Backstage.

Den Anfang machen die THE AMENTA. Der Industrial Death Metal, den die Gruppe aus Sidney spielt, ist an Belanglosigkeit kaum zu übertreffen ist. Der dürre Sänger „Cain Cressall“ kommt mit seinen ungewöhnlichen Gesten und den total mit Effekten überladenen Vocals überhaupt nicht an. Deswegen ist es kaum verwunderlich, dass, obwohl die Halle eigentlich schon halbwegs gut besucht ist, sich niemand vor die Bühne begeben will. Da hilft auch Augenrollen und merkwürdiges Gepose nichts. Ihre Oberkörper sind von oben bis unten beschmiert. Was vielleicht wie Corpsepaint aussehen soll, sieht eher nach Eddingkritzeleien meiner kleinen Cousine aus. Musikalisch ist genauso wenig rauszuholen – völlig langweilige und unstimmige Riffs paaren sich mit mittelprächtigem Sound. Wenn die Truppe noch mal den Weg aus Australien antreten sollte, dann würde ich ihnen raten sich die Städte hier anzuschauen, anstatt mit ihrer schlechten Musik die Besucher zu langweilen.

Noch eine Band aus Australien ist heute am Start: Die Tasmanier von PSYCROPTIC zocken anspruchsvollen Technical Death Metal. Und prompt stehen auch einige Gäste vor der Stage, um sich Blast Beats um die Ohren pusten zu lassen. Ziemlich schnell und brutal gehen PSYCROPTIC zu Werke, wissen aber auch zwischen den coolen Riffs groovige Passagen einzubauen. Die ersten Haare wirbeln durch die Luft zum etwas dünnen Sound (vor allem die Bassgitarre), welcher erst gegen Ende des Sets druckvoller wird. Schlecht ist die Performance sicher nicht – zu wenig jedoch, um in Jubelstürme auszubrechen. Der Großteil ist wegen der beiden Alteisen da, da haben es jüngere Bands immer schwer. Trotzdem lässt sich die fehlende Energie der Jungs nicht wegreden.

Mit MACABRE folgt eine Kultband aus Illinois, die inzwischen über ein Vierteljahrhundert Bühnenerfahrung auf dem Buckel hat. Von vielen werden sie als eine der ersten Death Metal Bands überhaupt bezeichnet, was zum einen an dem hohen Grindcoreanteil liegt und zum anderen an dem Inhalt ihrer Texte. Für die drei Männer, die übrigens seit Beginn der Band in derselben Besetzung spielen, sind Horrorfilme und Geschichten über Serienkiller Stoff für den Inhalt ihrer lyrischen Ergüsse. Deswegen bezeichnen sie ihre Musik auch als Murder Metal.
Als sie dann die Bühne betreten, wird schnell klar, dass die alten Säcke eine ganze Ecke gnadenloser zu Werke gehen als die beiden anderen Bands zuvor. Zu Beginn nervt der Sound etwas, denn die Gitarre ist zu leise und Sänger Corporate Death, der in ein Kopfbügelmikro grölt, ist kaum zu hören. Das ändert sich aber schnell und der erste Moshpit des Abends tut sich auf. Eine eindrucksvolle Performance liefert Drummer Dennis the Menace, dessen unglaublich rohes und energisches Schlagzeugspiel so richtig kickt. Ein Markenzeichen der Band sind die häufigen Rhythmuswechsel und Grenzübergänge zu andere Genres. Zu Beginn der Songs gibt’s immer einleitende Worte, damit wir alle auch Bescheid wissen, um welchen Killer es sich im nächsten Song handelt und was er verbrochen hat. Der Band kauft man ab, dass sie selbst Spaß am Morden haben würden. Corporate Death würde sich bestimmt erstklassig in so manchen Splattern verkaufen. Highlight in der Hinsicht ist wohl der Song über Fritz Haarman, bei dem die Band die Menge auffordert, den deutschen Text (welcher an das Lied „Warte nur ein Weilchen“ angelehnt ist) mitzusingen: Die Zeilen „Warte noch ein Weilchen, warte noch ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir. Mit dem Hackebeilchen, mit dem Hackebeilchen macht er Leberwurst aus dir“ gepaart mit dem Folk-Einschlag treiben den morbiden schwarzen Humor wirklich an die Spitze. Mit „Countess Bathory“ ist ein Venom Cover im Set – auch das feiert die Menge richtig ab. Da stören auch zwischenzeitliche Probleme mit irgendwelchen Kabeln auf der Bühne nicht – die Band geht routiniert damit um und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Das Ende dieses extrem kultigen Gigs bildet der Song über Peter Kürten, dem „Vampire Of Düsseldorf“.

Setlist MACABRE:
01. Zodiac
02. The Ice Man
03. Night Stalker
04. The Trial
05. Countess Bathory
06. Fritz Harmann Der Metzger
07. Scrub A Dub Dub
08. You’re Dying To Be With Me
09. Hitchhiker
10. Vampire of Düsseldorf

Nach einer etwas längeren Umbaupause betreten dann endlich die Tardybrüder mit Gefolge die Bühne. „Stinkupuss“ startet den „Slowly We Rot“ Teil des Sets –gleich die ersten fünf Songs stammen vom Debüt. Von Anfang an reißt der charismatische John Tardy die Menge mit. Mit perfektem Sound ab der ersten Sekunde plätten OBITUARY alles. Das Backstage kocht, denn nicht nur die Amis auf der Bühne geben alles, auch vor der Stage gibt es kein Halten mehr. Für Münchner Verhältnisse ist das ja fast schon ein Ausnahmezustand, denn das sonst eher verhaltene (vielleicht auch übersättigte) bayerische Publikum mosht, wirbelt die Haare und grölt, was das Zeug hält. Es ist eben doch nicht irgendeine x-beliebige Death Metal Band, die hier zu Gast ist. Normalerweise tippe ich in mein Handy ein paar Stichpunkte, um den Konzertbericht nicht ausschließlich aus dem Gedächtnis holen zu müssen. Diesmal nicht, denn jede Sekunde wäre zu schade gewesen. Ich bin bestimmt nicht der einzige zu junge Fan, der sich (aufgrund unzähliger Bilder und Videos) bei solch Legenden oft denkt: Scheiße, wie geil muss das gewesen sein, als die Band zum ersten Mal in Europa gespielt hat und die Fans einfach komplett ausgerastet sind. Nach dem heutigen Abend bilde ich mir ein, zumindest ansatzweise eine Vorstellung davon zu haben.
Den Männern aus der Szene Hochburg Florida ist sichtlich anzumerken, wie anstrengend die Performance sein muss. Jedem steht der Schweiß auf der Stirn, doch die Freaks vor der Bühne kennen kein Erbarmen und hören nicht auf damit, die Band zu feiern und anzuspornen. Der „Cause Of Death“ Opener „Infected“ läutet jetzt die zweite Phase der Reise in die Vergangenheit ein. Leider bleibt das obligatorische Celtic-Frost-Cover außen vor. Egal, denn mit dem, was OBITUARY hier bieten, lassen sie keine Frage offen, wer die Hosen in der Death-Metal-Szene anhat. Noch weitere vier „Cause Of Death“-Hits lässt die Truppe auf die Menge los, bevor sie chronologisch folgerichtig mit „The End Complete“ weiter machen. Kaum zu glauben, dass schon zehn Songs gespielt wurden, denn die Zeit vergeht wie im Flug, während der Adrenalinpegel im Blut weiter steigt. Kein bisschen gnädiger geht es weiter, sondern Vollgas bis zum Schluss. Mit „Dead Silence“ verabschiedet sich die Band – natürlich nicht lange. Unter großen Jubel kehrt zunächst Donald Tardy zurück, um mit einem kurzen Drumsolo den Rest der Band eine Verschnaufpause zu gönnen. Zu guter Letzt werden noch „I’m In Pain“ und der Klassiker „Slowly We Rot“ gezockt. Die Band bedankt sich beim sichtlich begeisterten Publikum, erhält mächtig Applaus und geht von der Bühne. Auch wir gehen höchst zufrieden, verschwitzt und total baff aus der Halle. Das war Death Metal in Perfektion.

Setlist OBITUARY:
01. Stinkupuss
02. Intoxicated
03. Bloodsoaked
04. Immoratl Visions
05. Gates To Hell
06. Infected
07. Cause Of Death
08. Chopped In Half
09. Turned Insideout
10. Body Bag
11. Back To One
12. Killing Time
13. The End Complete
14. Dead Silence
15. I’m In Pain
16. Slowly We Rot

Fazit: Nach den zwei unbekannteren und leider auch wenig berauschenden Bands folgt mit MACABRE eine absolut geniale Truppe. Einen besseren Co-Headliner kann sich niemand wünschen. Doch so kultig der Auftritt auch war, OBITUARY waren heute einfach eine Macht und legen eine wahnwitzige Performance an den Tag, die mir persönlich wohl noch lange als einer der besten Death Metal Gigs überhaupt in Erinnerung bleiben wird.

Publiziert am von Michael

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