Konzertbericht: Rhapsody w/ Freedom Call

2012-12-05 Bochum, Matrix

In Metalkreisen ist die Matrix wohl die bekannteste Diskothek in Bochum und der näheren Umgebung – herrscht doch ein starker Mangel an Klubs, die ihr Abendprogramm beinahe ausschließlich härteren Klängen widmen. Der „Rockpalast“ (bis 1996) erfreute sich schon früher größter Beliebtheit und ist heute schlichtweg legendär. Heute erstrahlt der Hauptraum der Diskothek, die „Tube“, in weihnachtlichem Glanz: Glitterbällchen hängen von der Decke und in dem Käfig steckt eine weiblich formierte Puppe, welche ein äußerst knappes Weihnachtsmannkostüm trägt. Doch unsere Vorfreude ist nicht der Adventszeit, sondern viel mehr RHAPSODY und ihren hochkarätigen Vorbands gewidmet.


Erstaunlich leer ist die Halle, als VEXILLUM, eine italienische Power-/Folk-Metal-Band, die Bühne fast pünktlich gegen 18:30 betreten. Wahrlich kein Kampf ist es da, sich in die erste Reihe zu drängen.
Und gleich beginnen die Musiker auch, ohne große Worte der Begrüßung, zu spielen und Dario Vallesi widmet sich mit seiner recht eigenwilligen, aber durchaus markanten Stimme dem Gesang. Diesen kann man jedoch leider nur etwa ab Mitte des Raumes vernehmen, da die Vocals einzig aus einer Box, welche in etwa auf Höhe der ersten Reihe angebracht ist, zu tönen scheinen. Die Lautstärke ist immens und treibt einen Teil des Publikums nach hinten, während nur wenige sich der Bühne nähern.
In erträglicher Lautstärke klingt die Musik der Italiener gar nicht mal schlecht – recht schnell gespielter Power Metal, mit orchestralen Elementen vom Band und einem Hauch Folklore. Stilvoll in blau-grüne Schottenröcke gekleidet und wild headbangend (meistens synchron, sei hier hervorzuheben) spielt die Band ihr Programm ab, hin und wieder hüpft der Sänger von der Bühne, um gleich darauf wieder aufzutauchen und das Publikum wild gestikulierend zu animieren. Ein Talent kann man ihm dabei leider nicht nachsagen und auch die Musik von VEXILLUM bietet, obwohl sie nicht schlecht ist, relativ wenig Abwechslung.

Setlist VEXILLUM
01. The Wanderer’s Note
02. Dethrone The Tyrant
03. Dancing Goddess
04. Avalon
05. The Marketsquare Of Dooly


Nach einer kurzen Umbaupause betreten die Arnsberger ORDEN OGAN in fantasievoller Kostümierung die Bühne. Der Saal füllt sich merklich, das Publikum wächst, drängt nach vorne. Der Auftritt wird von dem Intro der aktuellen Scheibe eingeleitet, schließlich folgt … und Seeb Levermann fordert das Publikum zum Mitsingen auf, indem er den Refrain erklärt. Das funktioniert sogar – das Publikum zeigt sich hier um einiges aktiver als bei der vorherigen Band. Die Show wird gefeiert, ORDEN OGAN scheinen hier eine feste Fangemeinde zu haben – was nicht zuletzt an der dominierenden Anzahl der „We Are Pirates“-Shirts der Band (am gut sortierten Merchandise-Stand zu erwerben) im Publikum auszumachen ist. Geschätzte zehn Prozent der ersten Reihen sind demnach „Piraten“.
Eine Überraschung ist die Beteiligung des Gitarristen von Rage, Victor Smolski, am letzten Song. Zuletzt fordert die Band das Publikum auf sie beim Spielen ihres Songs „Angels War“ zu filmen, da sie das dabei entstandene Videomaterial der Fans in das hierfür geplante Video mit einbeziehen wollen. Das nimmt dem Publikum zwar die Bewegung, ist aber eine witzige Idee und kommt – der aufleuchtenden Smartphones zufolge – gut an.
Einzig zu bemängeln ist am Auftritt der Arnsberger, dass die Matrix dem Bombast ihrer Musik von der Akustik her nicht ganz gewachsen ist. Zwar ist die aus dem Boxen dröhnende Musik hier nicht so laut wie bei der Vorherigen Band und klingt auch in sich stimmiger, aber etwas Entscheidendes fehlt – der Saal hallt leider, was bei den orchestralen Elementen ORDEN OGANs nicht unbedingt von Vorteil ist.

Setlist ORDEN OGAN
01. To New Shores Of Sadness
02. We Are Pirates
03. The Things We Believe In
04. Masks
05. To The End
06. Angels War


Gut 20 Minuten später – eine erhebliche Vergrößerung des Schlagzeuges sei hier zu bemerken – präsentieren sich FREEDOM CALL dem noch einmal gewachsenen Publikum zur Freude im wohlgefälligen Licht der Scheinwerfer. Eine „Happy-Metal-Party“ wünscht sich der Sänger, Gitarrist und Kopf der Band, Chris Bay. Er animiert das Publikum zum Mitsingen, Headbangen und Springen, während das Programm – hier von längeren Pausen zur ausreichenden Kommunikation mit dem Publikum unterbrochen – abgespielt wird.
Der Sound von FREEDOM CALL passt klanglich wesentlich besser in die Gemäuer der Matrix. Die Gitarren, Schlagzeug und die kraftvolle Stimme Chris Bays sind klar und deutlich zu vernehmen und die hier dargebotenen Songs regen das Publikum durchweg durch eingängige Refrains zum Bewegen an. Es ist begeistert und auch die Band hat sichtlich Freude am Spielen.
Sich über die begrenzte Zeit beklagend, spaßen die Musiker damit, das Konzert einfach auf Samstag zu verlegen, beziehungsweise so zu tun, als ob selbiger Wochentag wäre. Das Ende des letzten Songs wird somit mehrmals wiederholt und das Publikum zu lautem Grölen und Applaudieren angeregt, bis die Lautstärke passt. Samstag wird es dadurch jedoch auch nicht, und FREEDOM CALL verlassen die Bühne. Was sie hier abgeliefert haben, sollte sich, knapp von „Orden Ogan“ gefolgt, als Höhepunkt des Abends herausstellen.

Setlist FREEDOM CALL
01. Freedom Call
02. The Eyes Of The World
03. Rockstars
04. Tears Of Babylon
05. The Quest
06. Power & Glory
07. Warriors
08. Land Of Light


Kommen wir zum Headliner: Lucas Turilli‘s RHAPSODY mit ihrer Cinematic-World-Tour.
Die Italiener brauchen ausgesprochen viel Zeit zum Umbau, was wohl nicht zuletzt an Leinwand und Beamer, sowie der Tatsache, dass ihre Musik hier in multimedialer Form dargeboten wird, liegt. Während der halben Stunde entfernt sich ein guter Teil des vorderen Publikums und der Altersdurchschnitt steigt wohl um zehn bis fünfzehn Jahre, ältere Menschen wagen hier einen Schritt nach vorn, woran das liegen mag, weiß ich nicht.
Nach mehrmaligem Soundcheck geht es dann auch endlich los. Und zwar mit dem Vorspann des Films, mit pompösen Lauten untermalt. Alessandro Conti begrüßt das Publikum und RHAPSODY geben ihr Bestes, während ein Musikvideo im Hintergrund läuft. Auch Stadtansichten und Landschaftsbilder werden hier, immer schön passend zur Musik, gezeigt. Bei dem nächsten Lied tritt erstmals Sassy Bernert, welche schon auf dem Album „Ascending To Infinity“ der Italiener mitgewirkt hat, zutage. Während Conti seine Kleidung wechselt, unterhält eine Tänzerin mit leuchtenden Flügeln das Publikum. Die Lichtershow ist beeindruckend und die Band lässt es sogar in den ersten Reihen schneien. Wenn Bernert und Conti Duett singen, wirkt es, als würden sie Theater spielen.
Das heißt also: RHAPSODY haben den waghalsigen Versuch unternommen Metal, Kino, Theater und Oper zu vereinen. Schade ist nur, dass zwar alles angeschnitten wird, aber nichts von dem vollkommen klappt. Man will professionell wirken, das ist nicht zu übersehen, doch leider mangelt es hier genau daran.
Die Stimmung in der Halle ist nicht so gut wie bei den vorherigen Bands, was auch kein Wunder ist, da das Publikum hier viel weniger in die Musik mit einbezogen wird. Auf der Leinwand ist leider die meiste Zeit über der Schatten des Kopfes vom Bassisten zu erkennen, was den Kinowert mindert. Für Theater ist das Liedgut von RHAPSODY zu wenig ausgelegt und man merkt den Unterschied zwischen Musikern und begnadeten Schauspielern klar und deutlich – in diesem Fall haben wir es mit Ersteren zu tun. Für die Form der Oper, letztendlich, ist die Matrix aufgrund ihres hohen Schalls nicht ausgelegt. Bernerts hohe Singstimme schmerzt hier leider im Ohr.
Von diesen Feinheiten abgesehen, haben RHAPSODY es dennoch geschafft, einen Teil des Publikums in ihren Bann zu ziehen. Die vorderen Reihen scheinen eher auf das Headbangen als auf die „Cinematic-Show“ konzentriert zu sein und schütteln zu Turillis Kompositionen eifrig die Haare. Nicht schlecht, nur leider schlechter als die beiden Vorbands, war damit der Headliner der Show.

Setlist RHAPSODY
01. Riding The Winds Of Eternity
02. Clash Of The Titans
03. Tormento E Passione
04. Rage Of The Winter
05. Demonheart
06. The Village Of Dwarves
07. Excalibur
08. Forest Of Unicorns
09. Warrior’s Pride
10. The Ancient Forest Of Elves
11. Of Michael The Archangel And Lucifer’s Fall
12. Son Of Pain
13. Dawn Of Victory
14. Dark Fate Of Atlantis
15. Emerald Sword
16. Ira Tenax
17. Warrior Of Ice

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