Konzertbericht: Steve Vai

07.12.2016 Pageant, St. Louis

Vor gut einem Vierteljahrhundert veröffentlichte der Ausnahmegitarrist STEVE VAI sein zweites Solo-Album „Passion And Warfare“, das ihn endgültig als einen der versiertesten Gitarristen seiner Zeit auswies und zudem eine Handvoll heute geradezu kanonischer Instrumentalstücke enthielt. Trotz des Erfolgs des Albums, das Gold- und Platinstatus errang, gab es weder im Jahr der Veröffentlichung noch im Folgejahr eine Tour. Über 25 Jahre später liegt jetzt nicht nur eine Jubiläumsedition des Albums vor, sondern wird auch besagte Tour nachgeholt, die STEVE VAI rund um den Globus führt und ihn auch in St. Louis, Missouri Station machen lässt.

Es mag an der Popularität des Albums „Passion And Warfare“ liegen, dass das Pageant an einem Mittwochabend so gut besucht ist. Um das Erscheinen des Albums vor gut 25 Jahren gebührend zu feiern, hat STEVE VAI angekündigt, das Album in voller Länge zu spielen. Als aber die Lichter dann relativ pünktlich ausgehen, startet die Band zunächst mit dem Song „Bad Horsie“ von der 1995er EP „Alien Love Secrets“, ein Stück, das durch seine fetten, zähen Slide-Riffs und der dazu aufgefahrenen Laser-Show ein idealer Opener ist. STEVE VAI, der mit Laser-Kapuze und leuchtendem Gitarrenhals auf die Bühne kommt, wird jedenfalls mehr als nur warm empfangen. Etwas betrüblich stimmt allerdings der Sound, der gerade in den Höhen hin und wieder an der Schmerzgrenze kratzt und der sich nur äußerst langsam austariert. Das ist schlicht ärgerlich, wenn man bedenkt, mit welcher Hingabe STEVE VAI die hohen Töne bedient. Nicht selten geht bei dergleichen Flageolett-Orgien das übrige Klanggeschehen völlig unter. Zudem fällt zu Beginn der Schlagzeug-Sound viel zu laut aus, was in Kombination mit der Schlagkraft von Schlagzeuger Jeremy Colson – der zwar ordentlich treibt und sich in Pose wirft, spielerisch aber mit seinen Mitmusikern nicht konkurrieren kann – dezent zu Kopfschmerzen führt. Erst als VAI dann das komplette „Passion And Warfare“-Album ankündigt, bessert sich auch der Sound.

Die Befürchtung, dass sich eine solche Angelegenheit – einmal Hit-Album runterspielen – eher langatmig ausnehmen könnte, wird relativ schnell ad acta gelegt. VAI und seine Truppe präsentieren sich in glänzender Spielfreude, wobei vor allem die spielerische und körperliche Präsenz des Bassisten Philip Bynoe beeindruckt. Bynoe tanzt förmlich mit seinem Instrument und die Art und Weise, wie er damit den Raum um sich herum einnimmt, gehört mit zum Besten, was dieser Abend zu bieten hat. Leider hätte man sich an der einen oder anderen Stelle gewünscht, dass der Bass-Sound etwas klarer und prägnanter ausgefallen wäre. Es ist aber nicht nur die spielerische Raffinesse, die man gerade bei einem Musiker wie VAI nicht mehr gesondert zu erwähnen braucht, sondern wie es VAI – der sich als überaus unterhaltsamer Ansager entpuppt – gelingt, den Abend zu einer Retrospektive der besonderen Art zu machen. VAI zeigt sich als versierter Geschichtenerzähler mit einer beachtlichen Portion Selbstironie – eine unverzichtbare Charaktereigenschaft für jemanden, der mit 56 noch Schlaghosen mit Flammenaufdruck trägt.

Nolens Volens spiegelt so ein Jubiläumskonzert auch das Älterwerden seiner wichtigsten Protagonisten. Das wird dann am deutlichsten, wenn im Hintergrund auf Video Konzertmitschnitte oder Musikvideos aus den 1990ern gezeigt werden. Die Diskrepanz zwischen Video und der aktuellen Aufführungsrealität zeigt dabei nicht nur, dass Mister VAI seit jeher eine elegante Mischung aus Spiritualität und Slapstick eigen war, sondern auch, dass die Zeit, in der Guitarerros vom Schlag STEVE VAI noch riesige Hallen füllten, vorbei ist. Von Wehleidigkeit ist an diesem Abend allerdings nichts zu spüren. Humorvoll zockt sich die Band durch „Passion And Warfare“ und wird dabei immer wieder von Videobotschaften musikalischer Weggefährten – darunter Joe Satriani und John Petrucci – auf amüsante Art unterbrochen und zum gemeinsamen Jammen aufgefordert. Hier wie auch in den Duellen zwischen STEVE VAI und seinem Zweitgitarristen Dave Weiner zeigt sich die perfide Leichtigkeit, mit der die anwesenden Musiker ihre Saitenakrobatik in Szene setzen. Dankbarerweise ist man an diesem Abend in St. Louis nicht nur von Gitarristen umgeben und so wird nach den einzelnen Songs – vor allem natürlich nach „For The Love Of God“ – nicht nur ungläubig gestaunt, sondern auch lautstark applaudiert. Und als nach über zwei Stunden die Lichter wieder angehen, dürfte es wohl wirklich niemanden im Pageant geben, der sich nicht über die gesamte Spielzeit ungemein amüsiert hat.

  1. Bad Horsie
  2. The Crying Machine
  3. Gravity Storm
  4. Tender Surrender
  5. Liberty
  6. Erotic Nightmares
  7. The Animal
  8. Answers
  9. The Riddle
  10. Ballerina 12/24
  11. For The Love Of God
  12. The Audience Is Listening
  13. I Would Love To
  14. Blue Powder
  15. Greasy Kid’s Stuff
  16. Alien Water Kiss
  17. Sisters
  18. Love Secrets
  19. Stevie’s Spanking
  20. Build Me A Song
  21. Racing The World
  22. Fire Garden Suite IV – Taurus Bulba

STEVE VAI hat mit seiner bestens eingespielten Truppe an diesem Abend nicht nur gezeigt, warum „Passion And Warfare“ eine der besten Instrumental-Scheiben im Bereich der Gitarrenmusik ist, sondern auch, warum er weithin als grandioser Musiker und Entertainer gilt. Alles in allem ein absolut gelungener musikalischer Blick zurück, dem es an wohlwollendem Augenzwinkern nicht gemangelt hat.

Publiziert am von Manuel Förderer

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