Konzertbericht: Wishbone Ash w/ Steve Hill

20.01.2017 Sudhaus, Tübingen


Seit über 40 Jahren touren WISHBONE ASH durch die Welt und auch wenn die Tage, in denen die britischen Rocker noch riesige Hallen gefüllt haben, seit geraumer Zeit der Vergangenheit angehören, lässt sich nicht leugnen, dass das Quartett um Andy Powell zu den umtriebigsten Bands der Zunft gehört. Wie schon vor zwei Jahren – damals im Rahmen der „Road Warriors Tour“ – machen WISHBONE ASH auch auf der „Tough And Tender Tour“ wieder halt im schwäbischen Tübingen.

Dass sich Routine letztlich doch rechnet, zeigt sich auch an diesem Abend; bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Konzerts ist das Sudhaus sehr gut besucht und die meisten Besucher stehen bierflaschenbewährt an ihrem Platz, den sie, wie sich zeigen wird, den Rest des Abends nicht mehr verlassen werden. All jene, die während des Konzerts Durst bekommen, müssen sich förmlich durch menschliche Mauern kämpfen und sich empörte Blicke gefallen lassen. Böse Zungen mögen behaupten, dass dergleichen Spießigkeiten vielleicht mit dem Durchschnittsalter der Besucher zusammenhängen. Wir verkneifen uns das Urteil, stellen aber fest, dass die Anzahl an Besuchern unter 30 eher übersichtlich bleibt…

Den Abend eröffnet der Kanadier STEVE HILL, der für eine kleine Überraschung sorgt: Er steht völlig alleine auf der Bühne. STEVE HILL ist seine eigene Band. Sei es Gitarrist, Schlagzeuger, Sänger: Jeden dieser Posten füllt der sympathische Mann aus Kanada selbst aus. Was auf den ersten Blick vielleicht an eine etwas elaboriertere Version einer Jahrmarktsattraktion erinnert, entpuppt sich auf den zweiten Blick als eine faustdicke Blues-Rock-Granate. STEVE HILL zockt in der guten halben Stunde, die ihm vor dem Hauptakt gegeben wird, eine deftige Blues-Nummer nach der nächsten runter und zeigt dabei ein teilweise erstaunliches Rhythmusgefühl und Können an der Gitarre. Die pulsierende One-Man-Show kommt beim Publikum bestens an und gegen Ende des Sets hat der Applaus ein beachtliches Lautstärkelevel erreicht. Ob STEVE HILL in der heimischen Stereoanlage eine ähnliche Wirkung entfalten kann, sei dahingestellt, auf der Bühne und in dem gegebenen Zeitrahmen war der Mann aber unschlagbar.

WISHBONE ASH, die nach nur wenigen Minuten Pause auf die Bühne gehen, haben das Publikum dann von Anfang an im Griff. Man kennt sich ja schließlich seit Jahrzehnten und Überraschungen erwartet an diesem Abend wohl wirklich niemand. Der Sound kommt drückend und transparent aus den Boxen, der Bass brummt warm vor sich hin und das Markenzeichen der Band, die beiden Lead-Gitarren, bleiben den ganzen Abend über klanglich sauber differenziert. Mit einem solchen Sound hat die Band, die sich gewohnt bewegungsarm zeigt, ein leichtes Spiel und zockt solide und routiniert bekanntere und weniger bekannte Songs aus ihrem mittlerweile 22 Alben umfassenden Repertoire. Kernstück der Setlist bilden – wenig verwunderlich – die drei Songs „The King Will Come“, „Warrior“ sowie „Throw Down The Sword“, die in exakt dieser Reihenfolge gespielt werden und dabei zeigen, was das Problem bereits erwähnter Routine ist: Man bekommt, was man erwartet – aber eben auch nicht mehr. Leider werden auch eher belanglosere Nummern gespielt, darunter das schunkelnde „Rock ’n Roll Widow“ sowie das eher schwache Instrumental „The Spirit Flies Free“, dessen tonale Enge einen eher angeketten Geist vermuten lassen. Geradezu genial hingegen gestaltet sich das Ende des Konzerts, als die Band den überlangen Klassiker „Phoenix“ spielt und ihn den Menschen in Aleppo widmet. Wie auch immer man sich zu diesem Akt verhalten mag, die Zeilen „Rise High From The Cinders“ bekommen nach der Widmung eine unweit tiefere Bedeutung und der Song selbst hat sodann – zumindest für mich – etwas geradezu Hoffnungsvolles. Nach gut zwei Stunden Musik war dann Schluss und man durfte sich zurück in die Niederungen des Alltags begeben: Schlange stehen an der Garderobe.

  1. Bona Fide
  2. Eyes Wide Open
  3. You See Red
  4. The King Will Come
  5. Warrior
  6. Throw Down The Sword
  7. Rock ´n Roll Widow
  8. Take It Back
  9. Way Down South
  10. In Crisis
  11. Open Road
  12. Deep Blues
  13. Jail Bait
  14. Blowin´ Free
  15. Phoenix

Für 30 Euro ist der Abend nicht überteuert und das Gebotene hält definitiv allen Erwartungen stand. Überraschungen oder Spannungen gibt es zwar wenige, aber enttäuscht dürfte deswegen tatsächlich niemand gewesen sein. Lediglich der junge Mann am Ausschank, der sein „Kampf dem Kapital – Nehmt euch was euer ist“ T-Shirt als gut verdauliche Bourgoisie-Provokation mit sich herumträgt, reizt einen kurz, das eben bestellte Bier nicht zu bezahlen. Nur kurz. Dann zahlt man und reiht sich wieder ein …

Publiziert am von Manuel Förderer

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