Review Accept – Restless And Wild

  • Label: Metronome
  • Veröffentlicht: 1982
  • Spielart: Heavy Metal

Was? Was zum Henker ist das? Heidi-Heido-Heida? Ich denke das ist ’ne Heavy Metal Scheibe!
OK! Zugegebenermaßen: Das Intro zum ACCEPT-Meisterwerk „Restless And Wild“ hat schon so manchen geschockt. Aber trotzdem haben die Ruhrpottler mit diesem Meilenstein Heavy Metal Geschichte geschrieben.

Ausfälle sind keine zu beklagen. Jeder Track ist es wert, erwähnt zu werden. Aber fangen wir vorne an: Über den Sinn und Unsinn des Intros zum ersten Track „Fast As A Shark“ ist ja schon viel diskutiert worden. Deshalb wollen wir das hier einmal bei Seite lassen und uns ganz der Musik zuwenden. Denn wer diesen Track hört, dem wird sofort klar, wo sämtliche Speed- und Powermetal-Bands ihre Einflüsse herhaben. Der Titel ist schon fast ein Prototyp für diese Stilrichtungen: Fettes, erdiges Riffing, eine treibende Double-Bass und die Chöre im Refrain. Alles Dinge die später in den angesprochenen Stilrichtungen Eingang fanden. Und das 1982! Dazu kommen noch die beiden typischsten Elemente von Accept: Die signifikante Reibeisenstimme von Udo und das berühmte Gitarrenduell im Solo, das Maßstäbe gesetzt hat. Erstaunlich dabei ist allerdings, dass dieses Gitarrenduell allerdings keineswegs von zwei Gitarristen stammt. Während der Aufnahmen zu „Restless And Wild“ verließ der zweite Gitarrist Jörg Fischer die Band, so dass Wolf alle Gitarrenparts alleine einspielen musste.

Von diesem Überhit aus geht es direkt weiter zum Titeltrack, der ebenfalls direkt nach vorne los geht. Den verbliebenen vier Musikern gelingt es eine unheimlich energiegeladene Atmosphäre zu schaffen. Dazu tragen vor allem die marschierenden Riffs, die groovende Drum und die sehr eingängige Melodie bei. Die Highlight von „Restless And Wild“ liegen jedoch eindeutig auf der Seite der Vocals. Zunächst einmal sorgt der Gesang in den Strophen, der halb gesprochen, halb geschrieen ist, für eine unheimliche Dynamik. Dieser Effekt wird jedoch später noch getopt, wenn Udos in ein Gesangsduell mit seinem Backround tritt. Einfach atemberaubend!

Der dritte Track „Ahead Of The Pack“ wird von einem verzerrten Gitarren-Intro eingeleitet, das mit einem erdigen Riff verschmilzt. Auch in diesem Titel ist Udos charakteristische Stimme abermals der alles dominierende Moment. Die Mitgröhl-Zeile „Ahead Of The Pack“ löst sofort Party-Laune aus, die von dem flotten Rhythmus noch weiter Nahrung erhält. Schlussendlich erhebt sich das obligatorische Gitarrenduell fast schon majestätisch über den ganzen Song, der mit einem Schrei abrupt endet,

Das daran anschließende „Shake Your Heads“ ist die Hymne für alle Headbanger schlechthin. Schließlich besingt Udo hier nichts anderes, als diesen „Tanzstil“. Und dementsprechend ist natürlich auch der ganze Song angelegt. Fette Riffs und treibende Drums animieren den Hörer sofort dazu seine Mähne kreisen zu lassen, während die zweite Gitarre dafür sorgt, dass der Song dabei nicht irgendwo stecken bleibt.

Das Intro des fünften Titels „Neon Nights“ ist dann wieder was besonderes. Allerdings so ganz anders als jenes von „Fast As A Shark“. Zunächst einmal erinnert die Gitarre für einige Augenblicke an das Intro zu Metallicas „Enter Sandman“, entwickelt dann aber schon nach wenigen Sekunden einen Sound, der an die spanischen Flamenco-Gitarren erinnert. Dieses Bild wird dann abgelöst von einem sehr abgespacten Übersteuereffekt und schließlich leitet eine Art „Schuss“, der von Stefan an den Drums abgeliefert wird, das Riffing ein: Die abgehackten kurzen Riffs, die abwechselnd von Bass und Gitarre vorgetragen werden, sorgen für eine unwahrscheinliche Dynamik, während Udos Stimme sich erneut klar in den Vordergrund drängt. Diese lockere Stimmung wird lediglich im Refrain durchbrochen, wenn die zweite Gitarre erneut für Vielschichtigkeit sorgt. Bemerkenswert an „Neon Nights“ aus außerdem das Solo, das einzig und allein aus sehr tiefen Licks besteht. Der helle Wahnsinn!

Achtung liebe Kinder! Aufgepasst! Eine Lehrstunde in Sachen Heavy Metal: Man beginne mit einem gedämpften Schrei als Einleitung. Darauf lasse man dann die Drums und eine Gitarre folgen, die für einen eingängigen Sound sorgen. Daran schließt sich dann der Einsatz des Basses an, der für den nötigen Groove sorgt. Letztendlich verpasse man dem ganzen eine ordentliche Ladung Power durch den dynamischen Gesang. Im Verlauf des Stückes füge man dann noch drei unerlässliche Elemente hinzu: Chöre im Refrain, eine Mitgröl-Zeile an eben derselben Stelle und ein Gitarrensolo. Um ganz sicher zu gehen wiederhole man dann den eingangs vorgenommenen Aufbau noch einmal, bevor sich der Titel langsam dem Ende nähert. Setzen! Eins! Name des Schülers: „Get Ready“!

Der siebte Track „Demon’s Night“ wird von einem sehr archaisch wirkende Drum-Intro eingeleitet, das durch einen kleinen elektronischen Effekt mit den fetten Riffs und dem erdigen Groove des eigentlichen Songs verbunden ist. Dieser zeichnet sich wiederum durch die Elemente des klassischen Heavy Metal aus: fette Riffs, erdiger Groove und ein Mitgröl-Refrain. Aber dabei bleibt es nicht. Kleine Einsprengsel und Variationen des eigentlichen Hauptriffs durch die zweite Gitarre verleihen dem Stück eine ungeahnte Tiefe. Diese findet letztendlich ihren Ausdruck vor allem in dem fast schon psychedelischen Solo, das schließlich in ungeahnte Sphären abhebt und noch lange nachklingt, während Udo schon wieder am singen ist.

Das darauf folgende „Falsh Rockin‘ Man“ beweist einmal mehr: Zwei Gitarren sind besser! Denn während die eine das Grundthema spielt, kann die zweite für zusätzliche Einsprengsel und Effekte sorgen, so dass eine große Dynamik entsteht. Vermischt man das Ganze dann noch mit einem erdigen Riff und einer treibenden Drum, so erhält man einen Track, der die Vermutung nahe legt für den „Headbanging Man“ von Grave Digger Pate gestanden zu haben. Dieser Schluss lässt sich im Übrigen nicht nur aus dem ähnlich klingenden Titel ziehen, sondern auch aus der typischen Struktur Titelzeile-Riff-Titelzeile-Riff.

Der vorletzte Track „Don’t Go Stealing My Soul Away“ klingt dem Titel nach eher schwierig. Aber nichts da! Hier regiert der Party-Rock! Das wird schon im stark an den Hardrock angelehnten Gitarrensolo klar, an das sich der Einsatz von Drum und Bass anschließt, die locker, fast schon sleazig klingen. Auch Udos Gesangsstil zeigt in diesem Stück einen betont fröhlichen Charakter. Kleine Percussioneinlagen verstärken diesen Eindruck sogar noch weiter.

Den Abschluss dieser runden Scheibe bildet das düstere „Princess Of The Dawn“. Hier wird Spannung vor allem durch den sehr verhaltenen Einsatz der Instrumente erzeugt, die lediglich die Grundrhythmik liefern. Und auch Udos fast schon gesprochener Gesang trägt zu diesem Eindruck bei. Diese Spannung wird lediglich im Refrain etwas gelöst, wenn die Instrumente etwas mehr in den Vordergrund treten und auch Udos Stimme mehr Power entwickelt. Der Track verliert sich letztendlich in einer sehr ausgeklügelten Struktur und bildet somit den idealen Rausschmeißer für dieses großartige Album, mit dem Accept alles gesagt haben, was man 1982 so im Bereich des Heavy Metal sagen konnte. Ich bin platt! Was für ein Album!

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert