Review Accept – Humanoid

  • Label: Napalm
  • Veröffentlicht: 2024
  • Spielart: Heavy Metal

ACCEPT-Boss Wolf Hoffmann machte unlängst durch die kontroverse Aussage Schlagzeilen, die Idee, Bands müssten ewig in Originalbesetzung verweilen, sei eine romantisch verklärte Fehlannahme. Nein, sie müssen sicherlich nicht auf Krampf eine womöglich kriselnde Besetzung erhalten, aber ab einer bestimmten Fluktuation muss sich wohl jede Gruppe die Frage gefallen lassen, ob der eigene Name wirklich noch immer für das Gleiche steht. Wie sagte Dee Snider? „Ringo ain’t the Beatles, baby.“ Nun zeigt sich nicht zuletzt an Metallica, dass der Erhalt der Kern-Besetzung mitnichten Garant für gleichbleibende musikalische Qualität ist und es gibt gewiss eine Vielzahl an Gründen über monetäres Interesse hinaus, eine Band am Leben zu halten. Mit „Humanoid“ hat Herr Hoffmann jetzt Gelegenheit, diese für ACCEPT darzulegen.

Einer dieser Gründe ist schnell identifiziert: Niemand schreibt Riffs wie Wolf Hoffmann und damit hat der Mann seit jeher den größten Anteil daran, dass ACCEPT klingen, wie sie klingen. Da kann man noch so sehr darüber nörgeln, dass seine Chemie mit Martin Motnik nicht die gleiche wie mit Peter Baltes ist – das ist hier genauso wie auf „Too Mean To Die“ spürbar – oder sich beklagen, dass Mark Tornillo nicht Udo Dirkschneider ist. Letzteres schien auf „Blood Of The Nations“ niemanden zu stören und auf „Humanoid“ klingt er nicht schlechter. Und weil Songs wie „Frankenstein“, „The Reckoning“ und das Gänsehaut-verdächtige „Unbreakable“ eben von den schneidenden, kantigen, angriffslustigen Riffs des Bandkopfs angetrieben werden, sind sie auch authentische ACCEPT-Nummern – das alleine stellt diesem Album schon alle nötige Berechtigung aus.

Natürlich ist der Effekt dieser Platte ein anderer als der des Comeback-Werkes oder seines Nachfolgers „Stalingrad“. Das liegt aber weniger in den seither vollzogenen Besetzungswechseln begründet als in der Tatsache, dass die Sensation allmählich zur Gewohnheit geworden ist. ACCEPT sind seit 14 Jahren wieder voll im Geschäft und veröffentlichen regelmäßig neue Alben, die mit dem gleichen Team entstehen. Der anfängliche Wow-Effekt, das Hoffman’sche Riffing im Edel-Sound von Andy Sneap zu hören, ist der selbstverständlichen Erwartungshaltung gewichen, dass das Kunststück, ein phänomenales Post-Dirkschneider-Album zu schreiben, regelmäßig wiederholt wird. Da können Nummern wie die fürs Live-Programm prädestinierten Hymnen „Man Up“ und „Mind Games“ oder der grandiose Rausschmeißer „Southside Of Hell“ noch so sehr mitreißen, sie werden nicht genauso aufgenommen werden wie „Teutonic Terror“ oder „Pandemic“.

Das soll nicht heißen, dass Unzufriedenheit mit „Humanoid“ ein reines Empfängerproblem wäre. Auch ACCEPT sind von diesem Abrutschen in die Gewohnheit nicht ganz frei und die Platte klingt tatsächlich nicht so frisch wie die ersten beiden Werke mit Mark Tornillo. Mit dem etwas blutleeren Einstieg „Diving Into Sin“ und den beiden reichlich belanglosen Feelgood-Rockern „Nobody Gets Out Alive“ und „Straight Up Jack“ fährt die Truppe hier sogar gleich drei eher banale Nummern auf. Das Album ist aber weit davon entfernt, der Cashgrab einer unglaubwürdigen Tribute-Band zu sein, wie die Solinger von manch (über-)kritischem (Ex-)Anhänger betitelt werden. Selbst mit den genannten Füllern ist die Hitdichte dieser Platte noch überdurchschnittlich.

ACCEPT im Jahre 2024 zu fragen, ob ihr Name noch für das Gleiche steht, ist sicherlich berechtigt. Mit „Humanoid“ findet die Truppe um Gitarrist Wolf Hoffmann eine souveräne Antwort darauf, denn das Album ist noch immer voll von edelsten Riffs aus dessen Feder. Dennoch ist es nicht zu leugnen, dass die Band inzwischen ein Plateau erreicht hat, auf dem sie regelmäßig grundsolide Werke, aber keine unvergesslichen Hit-Alben veröffentlicht. Das wird die meisten Fans zufriedenstellen und im Falle von „Humanoid“ bedeutet dieser Umstand auch eine ganze Reihe echter Höhepunkte. Letztendlich enttäuscht die Band damit natürlich jedes Mal die Hoffnung ihrer Fans auf ein zweites „Blood Of The Nations“ oder „Stalingrad“ – das ist schade, aber im Grunde doch noch immer genug.

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Wertung: 7.5 / 10

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