Amorphis - Silent Waters
August 2007

Review Amorphis – Silent Waters

Ich muss schon zugeben, dass ich von AMORPHIS’ letztjährigem Schlag „Eclipse“ ziemlich beeindruckt war, hatte ich die Band mit „Far From The Sun“ doch quasi abgeschrieben. Plötzlich war sie jedoch wieder da, die einzigartige finnische Stimmung inklusive der großartigen Melodien, massiven Refrains, gefühlvollen Atmosphäric-Passagen, die man aus den vielen Jahren zuvor kannte. Somit war klar: die Band war nicht tot, sie war nur verreist und hatte den Koffer unterwegs ordentlich angefüllt. Ob im Gepäck auch mehr drin war als Material für ein überzeugendes Album, lässt sich dieser Tage anhand des Nachfolgers „Silent Waters“ überprüfen. Sicher, die Messlatte liegt hoch, aber daran ist AMORPHIS in erster Linie selber schuld.

Bereits nach weniger Durchläufen ist auch klar, dass die angesprochene Messlatte der richtige Gradmesser für „Silent Waters“ ist. Alles in allem ist es auf den ersten Blick sehr ähnlich im Vergleich zu „Eclipse“, aber warum soll auch nicht das alte Motto „Never Change A Winning Team“ greifen. Immerhin ist es den Finnen zum ersten Mal gelungen, auf zwei aufeinander folgenden Alben die gleiche Besetzung aufzufahren. Dass auch noch das Produktionsteam ohne Personalwechsel auskam, ist ein weiterer Pluspunkt, welcher dem Album hörbar gut getan hat. „Silent Waters“ nur simpel auf den Nachfolger von „Ecplise“ zu reduzieren, wäre auf der anderen Seite aber auch nicht richtig. Sicher treffen die angesprochenen Punkte zu, trotz aller Brüderlichkeit zum Vorgänger ist eine deutliche Weiterentwicklung aber nicht von der Hand zu weisen – und immerhin dauert die Bandgeschichte von AMORPHIS inzwischen fast 18 Jahren, womit es sich ganz nebenbei um eine der dienstältesten Bands aus Suomi handelt. Die in der Einleitung genannten Trademarks sind nach wie vor existent und wurden entsprechend der Progression weiter ausgebaut. Und das heißt vor allem Melodie und Atmosphäre. Toll allerdings, auf welch vielfältige Weise es Frontmann Tomi Joutsen und Konsorten gelingt. Spielend leicht kreieren sie ebenso eine Melange aus Aggression und Melodie (z.B. „Weaving The Incantation“) sowie die wesentlich langsamere Kombination, wie es in der Mehrzahl der Lieder der Fall ist.

„Weaving The Incantation“ erinnert dabei in Geschwindigkeit und Härte, aber auch im Songaufbau an den Opener des Vorgängers, allerdings ist der Song zu cool, um den Finnen vorwerfen zu können, sie seien damit nur auf Nummer Sicher gegangen. Zudem sorgen vereinzelte weibliche „Ah“-Gesänge für ein ganz eigenes, ein ganz neues Flair, welches ganz entfernt an die weibliche Stimme auf Moonspells „Wolfheart“ erinnert. Allerdings kommen die Growlgesänge wie schon bei „Two Moons“ auf der ganzen CD nicht mehr so ausgiebig zum Einsatz wie beim Opener. Das folgende, recht kurz gehaltene (Double-Bass!!) „A Servant“ wird fast während des gesamten Songs von einer Sologitarre begleitet (tatsächlich gilt dies in weiten Teilen für das gesamte Album, der Sologitarrenanteil war wohl noch nie so hoch), worunter auf den ersten Blick die Eingängigkeit etwas zu leiden hat. Dem wirkt jedoch vor allem der prägnante Gesang von Joutsen entgegen und zieht den Wiedererkennungswert deutlich nach oben. „Silent Waters“ ist der Titeltrack, die Band selber gibt zu, diesen eher nicht ganz repräsentativen Song auch als Singleauskopplung ausgewählt zu haben, weil er aufgrund des massiven Akustikgitarreneinsatzes und der entspannten Stimmung sicher für diverse Radiostationen, welche AMORPHIS sonst eher ignorieren würden, interessant sein könnte. Diese Intention dürfte der/die Metal1-LeserIn vermutlich nicht haben, dafür setzt bei ihr/ihm der Effekt ein, dass mit diesen drei sehr unterschiedlichen Liedern die Eckpunkte bereits gesetzt sind: in diesem Spannungsfeld bewegt sich sehr homogen das gesamte Album. Mal aggressiver („Towards And Against“), dann wieder sehr melodiös („I Of Crimson Blood“), die Finnen haben es inzwischen locker raus, wie man den Hörer über ein ganzes Album fesselt. Ein kleiner Kritikpunkt bleibt, aber je nach Standpunkt kann dieser auch durchaus als positiv angesehen werden: stachen auf „Eclipse“ noch einige Songs ganz erheblich aus dem Gesamtwerk hervor – ich denke dabei vor allem an das ultraeingängige „House Of Sleep“ – fehlen diese potentiellen Hits auf „Silent Waters“, vielmehr wirkt alles aus einem Guss. Der zweite auffällige Unterschied zum Vorgänger – dies ist jedoch nicht als Kritik gemeint, sondern als das genaue Gegenteil – ist der größere Abwechselungsreichtum. Beinahe jedes Lied hat schnelle und langsame Parts, der hohe Medodiefaktor wurde schon angesprochen, es gibt diverse Bridges, Zwischenteile oder einfach eingestreute Riffs, die es dem Hörer möglich machen, auch nach vielen Durchläufen noch neue Dinge zu entdecken. Obwohl man sehr schnell warm wird mit „Silent Waters“ würde ich es dennoch als ein Album bezeichnen, welches sich erst mit der Zeit mehr und mehr erschließt.

Das Auftreten diverser Gastmusiker, wovon hier nur Marco Hietala von Nightwish zu nennen ist, der einige Gesangslinien beigesteuert hat, ist zwar nicht zu vernachlässigen, es fällt aber auch gar nicht so sehr auf, was sicher daran liegt, dass AMORPHIS die Songs perfekt arrangiert haben. So bleiben die Gastmusiker aber auch das, was sie sein sollen: Gäste und nicht Musiker, die der Band quasi die Show stehlen, denn das hätte AMORPHIS überhaupt nicht nötig. Eine andere Person, die nicht zur Band gehört, macht dafür um so mehr von sich reden. Es ist Travis Smith, der sich für das Artwork verantwortlich zeichnet. Und dieses ist ebenso wie die Platte großartig geworden: episch tief zeigt das Cover den Schwan von Tuonela, der im Gegensatz zum schwarzen Rest in geheimnisvolles Rosa getaucht ist, das Booklet selber zeigt einige Szenen, die wohl nur in Finnland Realität werden können. Eine perfekte Abrundung für ein rundum tolles Album.

Ein Fazit fällt hier leicht: Fans werden die CD kaufen und alle anderen sollten es auch tun. Hier wird melodiöser Metal der Extraklasse geboten, an dem man auch in einigen Jahren noch seine Freude haben wird, vor allem auch deshalb, weil Abwechselung diesmal noch größer geschrieben wird. Dafür bürgt der Name AMORPHIS ganz einfach. Punkt.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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