Review Beardfish – Destined Solitaire

Die Flower Kings haben sich vorerst in eine Ruhepause begeben und widmen sich zahlreichen Soloprojekten. Erben oder zumindest Zwischenmieter der Vorreiterrolle im traditionsbewussten Retroprog-Genre könnten jetzt BEARDFISH werden.

Rikard Sjöblom (Gesang, Keyboards), David Zackrisson (Gitarre), Robert Hansen (Bass) und Magnus Östgren (Schlagzeug) sind seit der Veröffentlichung ihres dritten Albums „Sleeping In Traffic: Part One“ vor zwei Jahren bereits in aller Munde. Ihre Platten werden abgefeiert, hochgelobt, ihr Stilmix bewundert. Dem Rezensenten fiel es bisher jedoch recht schwer, diese Begeisterung nachzuvollziehen und er machte sich bereits ernsthafte Gedanken, ob etwas mit seinen Ohren nicht stimmt. Doch mit dem neuen, bereits fünften Longplayers der Combo, der auf den Namen „Destined Solitaire“ getauft wurde, bekennt sich der Verfasser dieser Zeilen schließlich auch dazu, dass die Band einiges drauf hat und nicht (wie bisher behauptet) bloß langweilt oder nervt.

Die vier Herren zünden auf ihrem neuen Werk ein 76-minütiges Retroprog-Feuerwerk, das nicht nur durch das zweifelsfrei vorhandene Können der Musiker zu gefallen weiß. Es ist das lockere, organische Zusammenspiel und das zwang-, aber doch nicht konzeptlose Verbinden von verschiedenen Stilen, das BEARDFISH ausmacht. Die Zutaten sind dabei im Grunde ähnlich geblieben: Spannender Retroprog trifft auf Canterbury-Sounds, sodass die Schweden nicht allzu weit von The Tangent entfernt sind, ohne so klebrig zu sein wie die Flower Kings oder Transatlantic. Hinzu kommen dieses Mal aber Hip Hop-Vocals („In Real Life There Is No Algebra“) und sogar Growls („Destined Solitaire“); zwei Ingredienzen, die nicht gerade alltäglich in dieser Sparte sind. Allerdings setzt die Band diese Stilmittel sehr bedacht ein, der ängstliche Retroprogger braucht also keine Bedenken zu haben.

Eine gefühlte Steigerung von 500 Prozent kann man auch im Melodienlager ausmachen: Viele der Gesangsarrangements packen den Hörer sofort, andere erschließen sich nach und nach; das war auf den beiden Vorgängern ganz und gar nicht so. Die Band an sich agiert mit großem Teamgeist, keiner der Beteiligten spielt sich unnötig nach vorn oder macht die Produktion damit kaputt, dass er sich heimlich lauter gedreht hat. Spielwitz zeichnete BEARDFISH immer schon aus, dieses Mal ist er auch noch überzeugend in die Kompositionen eingebunden, die zudem geschickt die Waage zwischen rockig-proggig, jazzig, elegisch-getragen und ausgeflippt halten.Longtrack-Freunde werden natürlich auch wieder vorzüglich bedient: Von den neun Nummern kommen drei über die Zehn-Minuten-Grenze, „Until You Comply including Entropy“ schafft es sogar auf 15 Minuten. Weitere drei Tracks sind länger als acht Minuten. Aber auch im kommerziellen Vier-Minuten-Format geben BEARDFISH eine gute Figur ab, wie das locker-flockig groovende „In Real Life There Is No Algebra“ beweist. Erstaunlich, wie gut hier die Rapeinlage kommt. An mancher einer Stelle der Platte sorgen übrigens auch nicht ganz jugendfreie Texte zum Aufhorchen.Das kurze Akustik-Zwischenspiel „At Home…Watching Movies“ erinnert entfernt an Jethro Tull. „Coup De Grace“ wartet mit einem ungemein charmanten Akkordeon auf, während das großartige, treibend-verspielte und gegen Ende psychedelische Titelstück das künstlerische Selbstverständnis dieser Band überaus deutlich macht; neben „Coupe De Grace“ ist es ein guter Anspieltipp. Allerdings ist die Qualität der Stücke durchgehend so gut, dass es im Prinzip egal ist, womit man beginnt. Für das Titelstück spricht vielleicht, dass Sänger und Keyboarder Rikard Sjöblom es als das Stück bezeichnet, auf das die Band am stolzensten ist.

Stolz dürfen sie auch darauf sein, dass sie von Mike Portnoy, seines Zeichens Schlagzeuger der Progmetal-Heroen Dream Theater, zu deren Progressive Nation Tour in Amerika eingeladen wurden – zusammen mit Pain Of Salvation. Leider wird aus diesem Paket nichts, denn aufgrund der Insolvenz von SPV können Beardfish die Kosten für die Tour nicht zugestanden werden.

Fazit: Mit „Destined Solitaire“ legen die Schweden ein starkes Retroprog-Werk vor, dass dieses Jahr bisher außer Konkurrenz ist. Die neue Transatlantic kommt ja noch, wird aber wohl etwas mehr Pomp und Kleister beinhalten und eher die Hollywood-Bedürfnisse befriedigen.

Wertung: 9 / 10

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