Das Cover von "Winter Carols" von Blackmore's Night

Review Blackmore’s Night – Winter Carols

Die Frage, wer genau den Heavy Metal erfunden hat, lässt sich nicht eindeutig klären, allerdings kommen drei Männer maßgeblich als Väter des Riffs und damit auch der harten Musik in Frage: Jimmy Page (Led Zeppelin), Tony Iommi (Black Sabbath) und Ritchie Blackmore. Vor allem Letzterer hatte beträchtlichen Anteil an der Entstehung des Genres sowie mindestens einer weiteren Ausprägung. Als Gitarrist von Deep Purple komponierte er mit „Smoke On The Water“ nicht nur den Inbegriff des Gitarrenriffs, sondern lieferte dank Nummern wie „Stormbringer“ die Blaupause für Heavy-Metal-Songs und schrieb mit „Burn“ oder dem Rainbow-Hit „Kill The King“ Power Metal, lange bevor irgendwer diesen Begriff das erste Mal in den Mund genommen hatte. Ohne Ritchie Blackmore also kein Whitesnake, kein Dio und in der Folge auch kein Metal.

In den letzten drei Jahrzehnten machte der britische Gitarrengott allerdings eine Entwicklung durch, die mehr als nur einen Anflug von „Spinal Tap“ versprüht: Als er 1989 seine spätere Ehefrau Candice Night kennenlernte, entwickelte die sich schnell zu seiner persönlichen Yoko Ono. Die in den Augen vieler einstiger Fans recht abgründige Vereinigung der beiden gipfelte nicht nur in einer vollkommen überflüssigen Rainbow-Reunion, bei der die Songs in Zeitlupe dargeboten wurden, sondern auch darin, dass der Mann heute unter dem Banner von BLACKMORE’S NIGHT im Fantasykostüm und mit Mandoline bewaffnet vermeintliche Renaissance-Musik spielt, umgeben von Mitmusikern mit solch klangvollen Pseudonymen wie „Bard David of Larchmont“ oder „Troubador of Aberdeen“ – die Parallelen zu Rob Reiners Kultfilm sind wahrlich frappierend.

Somit bietet ein Projekt wie BLACKMORE’S NIGHT für alle, die nicht ernsthaft auf solch weichgespülten Renaissance-„Rock“ abfahren, hauptsächlich Anlass für eine Mischung aus Spott, Entrüstung und belustigtem Unglauben, die sonst nur in den Niederungen des allabendlichen Trash-TVs zu reproduzieren ist. Und „Winter Carols“ stellt einige Angriffsfläche zur Verfügung: Furchtlose Hörer bekommen es hier passend zur Jahreszeit mit einer Sammlung an mehr oder minder traditionellen Weihnachtsliedern aus dem angelsächsischen Raum zu tun, die eigentlich schon 2006 auf den Markt kam und hier nun in remasterter Fassung um eine zusätzliche CD erweitert vorliegt. Wie einfallsreich diese Zusammenstellung genau ist, lässt sich u. a. daran ablesen, dass sich viele dieser Lieder auch auf Weihnachtsalben wie „Winter Songs“ von Halford oder „A Twisted Christmas“ von Twisted Sister finden – war übrigens jedes Mal eine Katastrophe. Weil BLACKMORE’S NIGHT anders als etwa der Judas-Priest-Sänger für ihre Weihnachtsandacht auf Eigenkompositionen verzichten, ist die Liste an traditionellem Liedgut hier eben noch etwas länger.

Da BLACKMORE’S NIGHT mit Metal nichts am Schlapphut haben, erheben sie auch nicht den Anspruch, die Vorlagen entsprechend „aufzurauen“, was einem Unterfangen wie „Winter Carols“ durchaus in die Hände spielt – Kitsch in Kitsch zu verpacken ist nun mal leichter, als ihn schwermetallisch aufzubereiten. Einzelne Songs herauszugreifen ist kaum nötig, es sind eben traditionelle Weihnachtslieder, die meisten kennt man. Und ehrlicherweise könnten die auch schlimmer umgesetzt werden als hier. Auf Basis luftiger Saiteninstrumente erklingt neben dem durchaus ansprechenden Gesang von Frau Night hier mal die Schalmei und dort mal die Flöte, in besonders süßlichen Momenten wird man obendrein von Synthie-Streichern überrollt. Über weite Strecken ist das überraschenderweise vollkommen in Ordnung und dem hundertsten Durchlauf von „Last Christmas“ bzw. einer öffentlichen Hinrichtung wie Danzigs Elvis-Covers zu jeder Zeit vorzuziehen. Nun hat man es hier eben mit Weihnachtsmusik zu tun, da darf man sich nicht wundern, wenn die heile Welt mit dem Holzhammer propagiert wird – es hat also keinen Wert, den erwähnten „Kitsch“ negativ zu bewerten, Weihnachten ist einfach nicht das Fest der Realisten und soll es auch nicht sein.

Man kann die Musik von BLACKMORE’S NIGHT mögen – auch als Metalfan, schließlich sind auch die weitaus facettereicher, als vom Mainstream kolportiert. Ob man selbst als Fan der Zusammenarbeit von Ritchie Blackmore und Candice Night ausgerechnet eine wenig einfallsreiche Ansammlung abgedroschener Weihnachts-Traditionals wie „Winter Carols“ abfeiern würde, sei dahingestellt, aber man kann das generell mögen. Man sollte nur nicht versuchen, Gefallen daran zu finden, einfach, weil Ritchie Blackmore daran beteiligt ist, denn der hat mit dem eingangs gezeichneten Urvater des Metal seit 25 Jahren schlicht nichts mehr zu tun. Für sich genommen ist „Winter Carols“ eben das, was zur beginnenden Adventszeit zuhauf auf den Markt geworfen wird, nämlich zuckrige Weihnachtsmusik, hier vielleicht mit minimal höherem musikalischem Anspruch, weil mit traditionellen Instrumenten vertont. Das kann man so stehen lassen, man kann es sogar bei der obligatorischen Familienzusammenkunft am heiligen Abend im Hintergrund dudeln lassen, es ist nichts falsch damit, was nicht auch an anderen Weihnachts-CDs auszusetzen wäre. Somit bleibt als bester Grund, sich damit bei einem Magazin zu befassen, das den Metal schon im Namen trägt, die Lust am Spott. Manchmal reicht die aber auch aus, darum hier nochmal zur Erinnerung: Der Schmachtlappen mit den Siebenmeilenstiefeln und der Akustikgitarre rechts im Bild hat vor 50 Jahren „Smoke On The Water“ geschrieben.

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