Review Captain Planet – Treibeis

Wenn sich Bands musikalisch über den Verlauf mehrerer Alben stilistisch von dem Sound ihrer ersten Veröffentlichungen entfernen, fällt häufig der Satz, dass das „neue Zeug“ ja ganz gut ist, aber an das erste Album würden „die sowieso nie wieder rankommen.“ Bleibt eine Band ihrem eigenen Musikstil über Jahre hinweg treu, heißt es dagegen meistens, dass man das alles schon einmal gehört hat und der Band nichts Neues mehr einfällt. Wie man es auch macht, bei irgendwem scheint man sich jedes Mal in die Nesseln zu setzen.
Doch es gibt manche Bands, für die diese Urteile keine Gültigkeit besitzen. Bands, die ihren Weg konsequent beschreiten und lediglich feine Nuancen an ihrem Stil verändern. Bands, die einem bereits beim ersten Hördurchgang ihres neuen Albums das Gefühl geben, einen alten Freund wiederzusehen und ihn in die Arme zu schließen. Bands, bei denen einfach alles stimmt, bei denen alles zusammenpasst. CAPTAIN PLANET sind eine dieser Bands und legen mit ihrem dritten Album „Treibeis“ das beste deutschsprachige Punk-Album der letzten Jahre und eines der besten Alben des Jahres 2012 vor.

Wo auf dem Debüt-Album „Wasser kommt, Wasser geht“ noch eine rohe Produktion dominierte und die Songs sich häufig sperrten, war auf dem Nachfolger „Inselwissen“ eine glattere Produktion und ein unwiderstehlicher Pop-Einfluss in den melodischen Indie-Punk-Songs der Band aus Hamburg erkennbar. Gemeinsam sind beiden Alben sowie allen anderweitig veröffentlichten CAPTAIN-PLANET-Songs die poetischen, emotionalen Texte, treibende, stets nach vorne peitschende Songstrukturen und der unvorstellbar leidenschaftliche Gesang von Sänger Jan Arne. „Treibeis“ verbindet die rohe Produktion des ersten Albums mit den poppigen Momenten des Zweitlings und bringt als Gesamtprodukt den Sound hervor, der CAPTAIN PLANET schon immer ausgemacht hat, ohne vorher auf Platte festgehalten worden zu sein.

Bereits der Opener „Pyro“ reißt den Hörer durch einen stärker verzerrten Gitarrensound als bei den Vorgängern und ein treibendes Schlagzeug in den Sog hinein, der „Treibeis“ bestimmt. Marcos Bass wummert mächtig wie immer und gibt der Musik von CAPTAIN PLANET einen ganz eigenen Klang. Die geschrammelten Gitarren in Verbindung mit den zerbrechlichen Melodien verursachen spätestens beim Einstieg von Jan Arnes Stimme absolute Gänsehaut: Passte diese hohe, leidenschaftliche Stimme auf den vorhergehenden Alben schon großartig, klingt diese auf „Treibeis“ beinahe bis zur Aufgabe getrieben. Wenn zum Schluss des Openers  der Ausruf „Viva Allein“ ertönt, wird klar, dass sich bereits zu Beginn des Albums das Highlight der Platte wiederfindet – allerdings sinkt das Level danach nicht mehr weiter ab.

Auch wenn sich die Gitarren hinsichtlich ihrer Verzerrung und Lautstärke an manchen Stellen etwas zurücknehmen, wird der Fuß zu keiner Sekunde vom Gaspedal genommen, wie besonders im sehnsüchtigen „Nest“ deutlich wird. Wenn sich im „Baumhaus“-Nachfolger „Spielplatz“ am Ende zur Textzeile „Wie gehst du nur mit den Niederlagen um? Wo leben die, die immer siegen?“ die Produktion beinahe überschlägt, wird das Sprichwort von der Hand, dem Eisfach und der Herdplatte musikalisch umgesetzt. Ähnliches gilt für die schier umwerfenden Refrains in „Stichling“ und „Land unter“, welche in ihrer Leidenschaft als Paradebeispiel für den Sound von CAPTAIN PLANET stehen und bereits beim ersten Hören zum Mitschreien animieren.
Neben der Musik spielen hier auch die poetischen, sehnsüchtigen, verzweifelten Texte eine essenzielle Rolle. Im Fokus steht hier selten das „Ich“, sondern das angesprochene „Du“, welches allerdings immer in den Kontext eines „Wir“ gestellt wird. Die Tiefe dieser Texte durch einzelne Ausschnitte und losgelöst von ihrer musikalischen Verarbeitung genauer zu beschreiben, verbietet sich allerdings.

„Treibeis“ dauert gut 30 Minuten und viele würden vielleicht – zurückblickend auf den Beginn dieser Kritik – behaupten, dass hier stilistisch keinerlei Abwechslung geboten ist. Dabei stellt jeder Song vielmehr ein mitreißendes Stück Musik dar, welches mit packenden Melodien, treibendem Schlagzeug und leidenschaftlichem Gesang keine Gefangenen macht. Wenn es daher einer Band zu wünschen wäre, endlich den ihr zustehenden Erfolg zu bekommen, sind es die sympathischen und stets an Qualität gewinnenden Hamburger von CAPTAIN PLANET. Oder um den umwerfenden Abschlusstrack „Gehwegflattern“ zu zitieren: „Lasst uns jetzt nicht warten – lasst uns endlich gehen!“

Wertung: 10 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert