Review Max Cavalera – My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond

Während gerade in der Pop-Musik vor allem Musiker eine Biographie schreiben, deren Karriere zwar sprunghaft, allerdings nicht sonderlich dramatisch verlaufen ist, ist das im Metal-Sektor noch anders: Hier traut sich wirklich nur, den Stift in die Hand zu nehmen, wer auf ein bewegtes Leben in der Szene zurückblicken kann. Einer, von dem sich viele Fans schon längst eine Biographie gewünscht hätten, ist Max Cavalera. Mit „My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond“ veröffentlichte der Frontmann von SOULFLY und Begründer von SEPULTURA im vergangenen Jahr seine lange erwartete Lebensmitschrift, welche nun unter dem Titel „Roots, Karma, Chaos – Mein Leben mit Sepultura und Soulfly“ auch auf Deutsch erschienen ist.

Wie es sich bei einer Biographie gehört, beginnt auch „My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond“ in der frühen Jugend des Max Cavalera. Ausführlich, wenn auch nicht immer mitreißend spannend, wird die Kindheit bis hin zur Gründung von SEPULTURA beschrieben. Einen ersten tieferen Einblick in das Leben von Max Cavalera bietet jedoch erst der Abschnitt über den frühen Tod des Vaters, welcher die Familie aus der Upper-Class in Armut stürzt.

Wie nicht anders zu erwarten, baut „My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond“ auf die Spannung, mit der der Leser dem Kapitel über das Ende von SEPULTURA entgegenfiebert, und berichtet von der Zeit davor und danach eher nüchtern und ohne echte Offenbarungen: Keine Skandale, keine Ausschweifungen, kaum Anekdoten – von einer recht ehrlichen Schilderung seiner mittlerweile überwundenen Abhängigkeit von Alkohol und Schmerzmitteln abgesehen, findet klassisches Rockstar-Leben in „My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond“ nicht statt. Auch Gott und Ganja, die beiden Stichworte, die man mit Max Cavalera automatisch in Verbindung bringt, spielen in keine übergeordnete Rolle: Während sein Bezug zu Religion nur am Rande thematisiert wird, dürfte Max‘ Bekundung, er habe in seinem Leben nur einmal gekifft, die größte Überraschung des Buches sein.

Ist man schließlich bei dem zentralen Wendepuntk, Max forciertem Ausstieg bei SEPULTURA, angekommen, stellt man rasch fest, dass auch dieser Teil – entgegen der Verheißungen im Klappentext („Max gibt erstmals die genauen Hintergründe seiner Trennung von Sepultura preis“) – eher kurz und bündig gehalten ist: Ohne große Enthüllungen, ohne viel dreckige Wäsche zu waschen, beschreibt Max seine Sicht der Dinge, die, objektiv betrachtet, fast trivial anmutet. Allein gegenüber SEPULTURA-Bassist Paulo Xisto Pinto, Jr. bemüht sich Max nicht, den guten Ton zu wahren. So lässt er über das ganze Buch hinweg keine Gelegenheit aus, klarzustellen, dass Paulo nur Teil von SEPULTURA werden durfte, weil er im Besitz eines Basses war – nicht etwa, weil er ihn (bis dato) spielen könnte. Die harte Zeit nach dem Split bis zur Gründung von SOULFLY wird im Weiteren zwar recht ausführlich beschrieben, dennoch bleibt das Buch auch hier eher distanziert. Während die Anfangsjahre mit SOUFLY eher kurz heruntergerissen werden, wird Max erst beim Thema CAVALERA CONSPIRACY und SOULFLYs „Dark Ages“ wieder ausfühlicher: Hier rückt Max neben seinem damaligen Alkoholproblem auch im Kontext mit Igors Ausstieg bei SEPULTURA nochmals die Gefühlswelt der Brüder hinsichtlich ihrer ehemaligen Band in den Fokus.

Generell ist der Stiel, in dem „My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond“ gehalten ist, nicht sehr ausgefeilt: Bereits früh im Buch fällt die Sprunghaftigkeit der Erzählung auf, die den Lesefluss bisweilen durch unerwartete oder zusammenhangslose Einwürfe und Gedanken unterbricht. Hier wäre ein etwas regideres Redigieren durch Co-Autor Joel McIver, seines Zeichens immerhin Verfasser von mehr als 25 Büchern über Rock und Metal, wünschenswert gewesen. Sprachlich bleibt die englische Originalausgabe nahe am bisweilen nicht sonderlich geschliffenen Englisch von Max Cavalera. Entgegen der steiffen und bisweilen auch plumpen Übersetzung ins Deutsche für „Roots, Karma, Chaos – Mein Leben mit Sepultura und Soulfly“ macht das das Buch aber zumindest authentischer, auch wenn sich manche Episode deshalb nicht so pointiert und witzig liest, wie sie vermutlich gedacht war.
Gelungen hingegen ist die Sammlung privater Familien- und Bandfotos in der Buchmitte sowie das gelegentliche Einflechten von Kommentaren verschiedenster Personen, die an der jeweiligen Stelle eine Rolle spielen: Durch die zweite Sichtweise wird dem Leser ein mehrdimensionales Bild des Geschehens vermittelt.

Max Cavalera präsentiert sich in seiner Biographie so sympathisch wie erwartet – verkauft sich jedoch deutlich unter seinem Wert: Für einen Mann, der eine der größten Thrash-Metal-Bands und eines der spannendsten modernen Metal-Projekte aller Zeiten begründet hat, der seit mehr als 30 Jahren nicht nur in der Szene aktiv ist, sondern quasi in der Szene lebt, der die Welt bereist und mit den Augen eines weltoffenen Musikers gesehen hat und der seitens der Fans, aber auch im Kreise seiner Kollegen mehr Respekt genießt als so mancher Superstar, ist „My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond“ überraschend farblos. Pflichtbewusst arbeitet das Buch alle relevanten Stationen im Leben von Max Cavalera ab. Die Tatsache, dass dabei kein ungekanntes Geheimnis zur Causa SEPULTURA ans Licht kommt, ist verkraftbar – eine sensationelle Enthüllung hätte sich hier eh niemand erwartet. Viel bedauerlicher ist, dass es dem Buch klar an witzigen, vielleicht auch skurrilen Anekdoten mangelt, die dem Fan nicht nur die Biographie von Max Cavalera, sondern den Menschen dahinter näherbringen.

Fazit: Als echter Fan kann man sich „My Bloody Roots – From Sepultura To Soulfly And Beyond“ zulegen, muss man aber nicht: Gerade, wer sich schon eingehender mit dem Brasilianer und seinen Projekten auseinandergesetzt hat, erfährt hier nicht all zu viel Neues. Wer sich jedoch dafür entscheidet, sollte definitiv zur englischsprachigen Originalfassung greifen: Der einfachen Sprache wegen ist diese sehr leicht verständlich und bewahrt – anders als die deutsche Fassung – zumindest sprachlich den Charme der Erzählung.

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