Februar 2010

Review Dark Tranquillity – We Are The Void

Manche Künstler machen es sich selbst nicht leicht. Einige saufen und koksen sich bis ans Ende ihrer kreativen Schaffenskraft, die anderen liefern einen Meilenstein nach dem anderen. Und obwohl DARK TRANQUILLITY definitiv der zweiten Gruppe zuzuordnen sind, kann großer Erfolg gleichzeitig auch ein Fluch sein. Im Fall der schwedischen Melodic Death-Meister bedeutet das eine immense Erwartungshaltung seitens der Fans und Presse, letztendlich aber vor allem auch von sich selbst. Kaum eine Göteborger Band konnte über 20 Jahre annähernd konstant derart hochwertige Alben veröffentlichen. Drei Jahre nach „Fiction“ und nur wenige Monate nach dem Release der „Where Death Is Most Alive“-DVD und gleichnamigen Live-CD steht uns nun ein neues Studiowerk namens „We Are The Void“ ins Haus.

Der mittlerweile neunte Silberling wurde zusammen mit dem dänischen Erfolgsproduzent Tue Madsen in dessen Antfarm Studios aufgenommen und kommt nun via Century Media in die Regale. Mikael Stanne berichtete schon im Vornherein, dass das 20-jährige Jubiläum im Rücken sowohl Anreiz als auch Druck war.
„Shadow In Our Blood“ gibt den Startschuss, fährt wohlbekannte Synthesizer-Klänge auf, lässt die beiden Gitarren immer weiter nach oben schrauben. Hierbei besonders gelungen: Das sich beim Refrain durch Gitarren und Keyboard verdichtende und wieder auflockernde Soundbild, womit die Schweden ein songwriterisches Glanzstück abgeliefert haben. Stanne präsentiert sich in gesanglicher Hochform, führt das beinahe schon epochale „Dream Oblivion“ in altgediente Härtegrade.

Kaum sind also die ersten zwei Songs ins Land gezogen, dürfte dem Großteil der Hörer und Fans schon klar geworden sein: DARK TRANQUILLITY sind nicht an ihrem – teilweise selbst hervorgerufenen – Druck zugrunde gegangen, haben sich allerhöchstens von ihm anspornen lassen und präsentieren sich anno 2010 wieder in Hochform. Insgesamt finden sich in den 47:40 Minuten Spielzeit zwar kaum weltbewegende Neuerungen, aber nach denen dürfte es wohl auch den wenigsten wirklich gedurstet haben. Dafür gibt es weitaus mehr Stimmungswechsel innerhalb der einzelnen Songs („The Fatalist“), die die immer wieder aufblühende Harmonie zwischen Gesang und Instrumentalfraktion gekonnt in Szene setzen.
Dazu gesellen sich rasantere Nummern, die ausnahmslos mit intelligent arrangierten Keyboard-Passagen und mächtig bretternden Sechssaiter-Attacken begeistern. „In My Abscene“ und „The Grandest Accusation“ reichern das Ganze mit einer traurigen Grundstimmung an, die den letzten Funken Hoffnung aber dennoch nie verliert. Auf letztgenanntem Midtempo-Kracher (melodisch die logische Folge des Vorgängers) stellt Mastermind Mikael Stanne erstmals auf „We Are The Void“ das Gekeife ein und packt den Klargesang aus. Der kommt voluminös wie eh und je daher, veranschaulicht das auch mit „Her Silent Language“ und wird immer wieder vom elektronischen Piano umspielt.

Qualitative Ausfälle darf man lange suchen, obwohl „Arkhangelsk“ den Verdacht in den Raum wirft, dass DARK TRANQUILLITY seit dem Vorgänger-Album „Fiction“ hin und wieder vom Schwarzwurzel-Tee gekostet haben. Wo sich die teilweise recht ähnliche Keyboard-Themen wie ein roter Faden durch die Scheibe ziehen, wird vor allem durch Stannes unglaubliche Stimme viel Dynamik ins Spiel gebracht. Thrashiges old school-Riffing ist auf dem Titelsong (übrigens einer der besten der gesamten Scheibe!) anzutreffen, auf dem sich dann auch Schlagzeuger Anders Jivarp ordentlich austoben darf und erst bei „Surface The Infinite“ langsam wieder in geordnete Bahnen lenkt. Am Ende steht mit „Iridium“ kein wirkliches Schlusslicht, sondern erneutes Prachtstück, das Stannes Klargesang auf den Höhepunkt treibt und die ganze Genialität, die hinter „We Are The Void“ steckt, auf den Punkt bringt.

Es bleibt die Gewissheit, dass DARK TRANQUILLITY weiterhin über allem thronen, was im Melodic Death Metal-Sektor die letzten Jahre veröffentlicht wurde, dass sie mit immensem Druck umgehen konnten und, so erstaunlich es klingt: Immer noch eine Steigerung möglich ist. Bei einem Vorgänger wie „Fiction“ war die Messlatte beinahe in unerreichbare Höhe gesetzt, „We Are The Void“ scheint sie trotzdem mit Leichtigkeit zu überspringen. Für DARK TRANQUILLITY-Fans ist der Silberling sowieso Pflicht, alle Melodic Death-Gourmets müssen ebenfalls zugreifen. Falsch machen kann man mit „We Are The Void“ jedenfalls nicht. Prädikat: Unbezahlbar!

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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