Review Die Kammer – Season III: Solace In Insanity

Nunmehr ein halbes Jahrzehnt bereichern Marcus Testory (Ex-CHAMBER) und Matthias Ambré (Ex-ASP) die schwarze Szene mit ihrer etwas anderen und – by the way – gar nicht mal so düsteren Interpretation gothischer Musik. Stromgitarren? Fehlanzeige. Synthesizer? Dito. DIE KAMMER ist ein Akustik-Projekt und hebt sich als solches wohltuend ab vom allgegenwärtigen Szene-Allerlei. Kein Wunder, finden sich doch allerlei Streicher, Tuba, Melodica, Glockenspiel, Spieluhr und weitere akustische Klangerzeuger auf der Besetzungsliste. Bereits zum dritten Mal gibt das Endprodukt der KAMMER recht. Bereits zum dritten Mal ist es der Gruppe gelungen, ein musikalisches Kleinod zu erschaffen. Es hört auf den Namen „Solace In Insanity“.

Trost im Wahnsinn also versprechen die Kämmerer – und halten prompt Wort. Der titelgebende Opener nimmt den Hörer mit auf eine mehr als einstündige Reise. „Wir wollen die Sonne, wir wollen die Sterne, den ganzen Himmel – wir wollen so viel. Wir laufen weiter und weiter und weiter. Erreichen dennoch niemals das Ziel“, so spricht die angenehme Stimme von Synchronsprecherin Sabine Bohlmann aus den Boxen. In turbulenten Zeiten wie diesen braucht jeder Einzelne sein eigenes kleines Refugium, eine KAMMER, in der die laute Welt die Klappe hält. „Solace In Insanity“ bietet sich förmlich an, eine solche zu sein.

Oft versprüht das Album einen mystisch angehauchten Jahrmarktsflair, ohne jemals in kitschige Mittelaltermarktromantik abzudriften. Dabei bedient sich die Scheibe eines breiten Gefühlsspektrums und einer breiten Palette musikalischer Ausdrucksformen. Da steht beispielsweise „The Drunk Welshman“, eine leichtfüßige Hymne an das Leben, neben dem schwelgerischen „The Way You Are“. Oder das düster-gallige „Intoxication Intravenous“ neben dem treibenden, regelrecht rockigen „Carnival Of The Peculiar“. Der feurige „The Galant Enticer’s Tango“ hat hier genauso wie das melancholische „Will You Close My Eyes“ seine Daseinsberechtigung.

Als besonders Alleinstellungsmerkmal entpuppt sich die allgegenwärtige Tuba, welche die Musik mit einem wohlig warmen Bass-Fundament unterfüttert und ihr darüber hinaus einen urwüchsigen Charakter verleiht. Überhaupt ist „warm“ wohl das treffendste Adjektiv, um die Musik der KAMMER zu beschreiben. Hier bezirzen geschickt arrangierte Streicher das Ohr, dort wickelt einen Marcus Testorys charmante tiefe Stimme um den Finger. Positiv hervorzuheben ist auch der hervorragende, glasklare und doch druckvolle Sound, der auf einer vernünftigen Stereoanlage einfach eine wahre Freude ist.

So ist „Solace In Insanity“ letztlich eine Schatztruhe voller Songperlen, die den Hörer umgarnen und die keine Effekthascherei nötig haben, um zu strahlen. Ein weiteres Mal steht DIE KAMMER für Tiefgang in einer Szene, in der sich viel zu viele oberflächliche Gewächse tummeln.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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