Review Fedrespor – Fra En Vugge I Fjellet

Mit „Tid“, dem Debütalbum seines Neofolk-Soloprojekts FEDRESPOR, schuf Varg Torden Saastad ein musikalisches Kunstwerk, wie man es nur ausgesprochen selten antrifft. Dass der Norweger darin den frühzeitigen Tod seines Bruders zu verarbeiten suchte, merkte man seinen Liedern in jeder einzelnen, schwermutgetränkten Note an. Zumindest sprichwörtlich heilt die Zeit alle Wunden, was umso zutreffender erscheint, als „Tid“ zu Deutsch „Zeit“ bedeutet. Demnach verwundert es nicht, dass Saastad, der seinen schmerzlichen Verlust inzwischen hoffentlich einigermaßen überwinden konnte, kaum ein Jahr später mit „Fra En Vugge I Fjellet“ ein weiteres Album vorlegt und darauf neue, musikalische Pfade beschreitet – oder besser gesagt, althergebrachte.

Schon einige Monate im Voraus verriet der vorab veröffentlichte, gewollt monoton voranschreitende Titeltrack, dass FEDRESPOR auf dem zweiten Album eine kleine, rückwärtsgewandte Zeitreise unternehmen würde. Der bereits auf „Tid“ in den wehmütigen Gesängen und der bedächtigen Perkussion zum Ausdruck gekommene, altertümliche Unterton der durchaus auch mit zeitgemäßen Stilmitteln ausgestatteten Stücke wurde auf „Fra En Vugge I Fjellet“ nun vollends in den Fokus gerückt. Im Gegensatz zum Instrumentarium des Debüts, das im Wesentlichen aus Akustikgitarre und Keyboard bestand, nutzt Saastad hier in erster Linie Klangerzeuger, die schon in grauer Vorzeit gebräuchlich waren, zum Beispiel Horn, Harfe und Lyra. Aus diesem Grund klingen die neuen Stücke um einiges archaischer als jene der Vorgängerplatte, was durch den zurückhaltenderen Einsatz von Gesang zusätzlich unterstrichen wird.

Dennoch ist der charakteristische Stil von FEDRESPOR auf „Fra En Vugge I Fjellet“ nach wie vor präsent. Von tiefsitzender Melancholie erfüllte Songs wie das beschwingte „Slipp Menneske Til“, in dem Saastad in einem kurzen Moment des Affekts all seine Wut in seinen Gesang legt, aber auch das Trost spendende „Vekst“, das die Hoffnung eines neuen Morgens zu verkünden scheint, tragen ganz klar dieselbe Handschrift wie das Debütalbum. Im über neun Minuten langen „Lengselens Morgenrøde“ widmet sich der Norweger dann doch beinahe ausschließlich seinem gefühlvollen, eleganten Spiel mit der Akustikgitarre und das kurze Outro „Stien…“ beendet die Platte mit verspieltem, neugierig machendem Piano, wie man es auch auf „Tid“ zu hören bekam.

Den essentiellen Kern seines Songwritings für FEDRESPOR hat der Solokünstler folglich keineswegs über Bord geworfen, sondern ihn bloß mit anderen Werkzeugen herausgearbeitet. Angesichts dieser authentischen künstlerischen Weiterentwicklung ist es nicht schwer, darüber hinwegzusehen, dass sich in dem kohärenten Ganzen, das „Fra En Vugge I Fjellet“ bildet, nur wenige Nummern als Anspielltipps anbieten und auch ein paar vereinzelte, eher unscheinbare Tracks ihren Weg auf die Platte gefunden haben („Du I Min Drøm“).

Wie zuvor bereits „Tid“ ist das zweite Album von FEDRESPOR ein bemerkenswertes Tonkunstwerk, das den Hörer mit entwaffnender Aufrichtigkeit für sich zu gewinnen vermag. Nichts wurde hier aufpoliert oder geschönt, weder die scharrenden Streicher, die heulenden Hörner oder die nicht immer fehlerfrei gezupften Saiteninstrumente noch der wehklagende Gesang, der sich bescheiden in den Arrangements einreiht, anstatt sie zu dominieren. Mag von „Fra En Vugge I Fjellet“ auch nicht ganz dieselbe Faszination ausgehen wie von der ersten Platte, was vermutlich auch der weniger bewegenden Entstehungsgeschichte geschuldet ist, so bleibt FEDRESPOR doch weiterhin ein einzigartiges Neofolk-Projekt, das geneigte Fans des Genres unbedingt weiter verfolgen sollten.

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Wertung: 8 / 10

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