Review Gamma Ray – Lust For Live (Anniversary Edition)

GAMMA RAY, die norddeutsche Power-Metal-Institution, feiern seit letztem Jahr ihren 25. Geburtstag mit einer Reihe von Wiederveröffentlichungen. Neben dem gesamten back catalogue erscheinen dabei auch einzelne Perlen erstmalig auf CD. Mit „Lust For Live (Anniversary Edition)“ liegt eine solche vor. Aufgenommen im September 1993 in den Docks in Hamburg erschien die Aufnahme nur in dem damals üblichen VHS-Format. „Lust For Live“ debütiert damit 23 Jahre später als Audio-CD.

Die obligatorische Frage liegt allen auf der Zunge: Brauchen wir das? An und für sich ist das Vorhaben nicht nur aus historischer Perspektive lobenswert. Auch die Show kann sich durchaus hören lassen. Hoch motiviert und mit beinahe physisch spürbarer Energie ballert sich die Truppe um Gitarrist Kai Hansen und Sänger Ralf Scheepers durch die Songs. Noch dazu ist Tonmeister Eike Freese (erneut) ein Glanzstück gelungen – die Aufnahmen klingen keine Sekunde nach grindiger VHS-Qualität, sondern nach auch heute hochwertigem, konkurrenzfähigem Live-Sound (sieht man vom letzten Bonustrack ab, der trotz hörbarem Publikum eine Art Rohaufnahme zu sein scheint). So bleibt Luft, um die Setlist zu betrachten. 1993 hatten GAMMA RAY nach drei Jahren Bandgeschichte bereits drei Studioalben veröffentlicht. Der jüngste Streich „Insanity And Genius“ dominierte deutlich die Songauswahl des Abends. Ganze fünf Songs davon haben sich auf die CD geschlichen. Darüber hinaus gibt es ein Dreier-Medley von Hansens Vorgängerband, Helloween. Beim Abschnitt von „Ride The Sky“ schwingt sich der Großmeister zudem selbst ans Mikrofon.

Auf diese Weise ergibt sich auch die Abgrenzung von der jüngst bereits als Audiomitschnitt veröffentlichten VHS-Kassette „Heading For The East“. Die Konzertaufnahme aus Japan war im vorigen Jahr herausgekommen und auf dieselbe Weise aufgemotzt worden wie jetzt „Lust For Live“. Eine gewisse Deckungsgleichheit lässt sich trotzdem nicht vermeiden: Vier Songs finden sich in sehr ähnlichen Versionen auf beiden Scheiben. Das wird denjenigen sicherlich abschrecken, der sich nicht ins Lager der Hardcore-Fans zählt, und der bereits aus Vergangenheitsliebe „Heading For The East“ erworben hat. Zudem mag man argumentieren, die Songauswahl auf „Heading For The East“ sei spannungsreicher – aber das ist natürlich immer auch eine Geschmackssache.

Dessen ungeachtet bleibt „Lust For Live“ ein gelungenes Live-Album einer Band, die kurz vor dem ersten Wendepunkt ihrer Geschichte stand. Das Konzert in Hamburg markiert nämlich zugleich das Ende der Ära Scheepers, der wenige Monate später GAMMA RAY verließ. Performance und Ton lassen keine Wünsche übrig, und wer skeptisch angesichts der Dopplung zum Vorgänger ist, sucht sich einfach eine der beiden CDs aus.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

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