Konzertbericht: „Empire Of The Undead“-Tour

17.04.2014 Hamburg, Docks

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Was braucht es eigentlich, um GAMMA RAY aufzuhalten? Nach einem Besuch auf der „Empire Of The Undead“-Tour muss man sagen: mindestens eine Dampframme. Denn die Stehauf-Qualitäten der Hamburger Metalinstitution sind schlicht beachtlich. Erst brennt ihnen ihr Studio ab – sie veröffentlichen dennoch ihr neues Album. Jetzt sind sie auf Tour in Europa und Sänger Kai Hansen bricht die Stimme wegen einer akuten Bronchitis. Dennoch lassen sich die Hanseaten nicht entmutigen und variieren die verbliebenen Shows mit drei Gastsängern um. Heraus kommt ein wahres Fest des Power Metals, das man keinesfalls verpasst haben will.

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Bevor Gamma Ray aber auf die Bühne kommen, sind noch Kai Hansens ehemaligen Zöglinge von STORMWARRIOR dran. Die ebenfalls aus Hamburg stammende Truppe spielt Heavy Metal der alten Gangart, irgendwo in der Nähe von Running Wild. STORMWARRIOR sind zur Zeit gut in Form, haben sie doch erst unlängst auf der Tour von Majesty den Supportslot gefüllt und zudem noch mit „Thunder And Steele“ ein aktuelles Album im Gepäck. In gut 30 Minuten Spielzeit präsentiert die spielfreudige Band vor allem Songs vom „Heading Northe“-Album. Obwohl STORMWARRIOR unpassenderweise zu früh anfangen mussten und deshalb zum eigentlich Beginn des Konzertes schon fertig sind, versetzen sie die ersten Köpfe in Bewegung und lockern das Publikum auf.

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Das bekommt schon kurz darauf die zweite Vorband, RHAPSODY OF FIRE, zu sehen, die eine knappe Stunde Spielzeit zur Verfügung haben. RHAPSODY sind nicht gerade oft live zu erwischen, weshalb der Auftritt einige Erwartungen geweckt hat, die nur zum Teil erfüllt werden. Denn obwohl spieltechnisch und vor allem am Gesang – was für eine Stimme! – keine Kritik anzubringen ist, zeigen nicht alle Songs die erwünschte Wirkung beim Publikum. Besonders am Anfang der Show wirken viele Menschen im inzwischen locker be-, aber keineswegs überfüllten Docks eher teilnahmslos, und das bei einem Klassiker wie „Land Of Immortals“.

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Erst mit „The March Of The Swordmaster“ werden Publikum und Band etwas wärmer miteinander. Zugleich wird immer deutlicher, dass der Auftritt von RHAPSODY OF FIRE massiv sample-gestützt ist – auch an Stellen, wo es gar nicht nötig ist. Wieso ein Backgroundchor vom Band zur Unterstützung des Refrains? Hätte es nicht auch ein Halleffekt am Mikro getan? Nun ja. Besonders mit den neueren Songs fremdelt das Publikum zudem sehr, „Dark Wings Of Steel“ vom aktuellen Album erzeugt reihenweise lange Gesichter. Erst gegen Ende der Setlist reißt die Band das Ruder noch herum und präsentiert mit dem Tripple „Dawn Of Victory“, „Reign Of Terror“ und „Emerald Sword“ ein gelungenes Ende eines etwas durchwachsenen Auftritts. Schade, denn sympathisch wirkt die Band auf der Bühne auf jeden Fall, zumal Sänger Fabio Lione zwischendrin die Kutte eines Fans signiert, die dieser auf die Bühne wirft.

Es bleiben wesentlich zwei Eindrücke. Erstens: Die Musik von RHAPSODY OF FIRE ist live selbst mit dem massiven Sampleeinsatz und veränderten Arrangements schwieriger umzusetzen, als man erwartet hätte. Zweitens: Fabio Lione ist gesangstechnisch momentan nicht zu schlagen – was er auch beim folgenden Auftritt von Gamma Ray eindrucksvoll unter Beweis stellt.

Gamma Ray 2014

Mit Spannung wird nun der Auftritt des Headliners GAMMA RAY erwartet, mit mehr Spannung vielleicht noch die Gesangsleistung von Kai Hansen. Seit dem Auftritt in Aschaffenburg vor sechs Tagen gilt er als angeschlagen und lässt sich von einer bunten Mischung gerade verfügbarer Sänger teilvertreten. Umso beruhigter ist die Fanschar, als Kai die ersten vier Songs selbst singt, obwohl man ihm die Krankheit deutlich anhören kann. Nach dem etwas trägen Opener „Avalon“ hat die Band das Publikum beim Klassiker „Heaven Can Wait“ sofort im Griff – und lässt es für den Rest der Show mit ihrer gut gemischten Setlist nicht mehr los.

Denn eines steht fest: Dieser Prophet gilt etwas in seinem Vaterland. Die Reaktionen in der Heimatstadt GAMMA RAYs sind gelöst und überwältigend, überall wird laut mitgesungen, getanzt und gebangt als gebe es kein Morgen. Eine solche Reaktion lässt auch eine erfahrene Band nicht kalt, die sichtlich mehr und mehr Vergnügen an dem Auftritt findet, der schließlich knapp 120 Minuten dauern soll. Niemand im Publikum scheint es Kai übel zu nehmen, dass er sich ab dem fünften Song fast immer vertreten lässt, und das von sehr unterschiedlichen Sängern.

Gamma Ray Photoshoot for "Empire Of The Undead"

So bekommt die Show eine besondere Spannung, weil man sich bei jedem Song neu fragt, wer ihn wohl singen wird. Mit dabei sind Alex Dickinson von der Maiden-Coverband „Powerslave“, der Sänger von Rhapsody Of Fire, Fabio Lione, und der vorher unbekannte Frank Beck, wohl ein Freund von Bassist Dirk Schlächter. Alle drei bringen unterschiedliche Klangfarben in die Show, wobei der am meisten eingesetzte Frank Beck nicht nur am nahesten an Kai Hansens Gesang ist, sondern auch eine ganz hervorragende Leistung abliefert. Was macht der Mann sonst so? Hoffentlich bald in einer großen Band singen, möchte man meinen.

Ebenfalls überzeugend ist der Einsatz von Fabio Lione, der seine unglaublich wandlungsfähige Stimme für „Empire Of The Undead“ und die Ballade „Time For Deliverance“ zur Verfügung stellt. Lediglich Alex Dickinson klingt sehr gewöhnungsbedürftig, als er „Razorblade Sigh“ und „Seven“ intoniert. Neben den Gastsängern hilft die Band dem angeschlagenen Kai mit einem langen Drumsolo und einer Reggae-Einlage während „I Want Out“, und auch das Publikum lässt sich in den Mitsingspielen wie bei „Blood Religion“ nicht lange bitten. Eine runde Sache!

Setlist GAMMA RAY
01. Avalon
02. Heaven Can Wait
03. Tribute To The Past
04. I Want Out
05. Razorblade Sigh
06. Seven
07. Empire Of The Undead
08. Time For Deliverance
09. Drum Solo
10. Blood Religion
11. Master Of Confusion
12. Rebellion In Dreamland/Land Of The Free
13. Man On A Mission

14. To The Metal
15. Send Me A Sign

Als der Abend schließlich zu Ende geht, entlässt das Docks eine Menge glücklicher Menschen in die Nacht. GAMMA RAY, das ist einfach in jedem Zustand eine großartige Liveband, die von den besonderen Umständen durch die gut ausgewählten Gastsänger fast noch profitiert hat – ein Abend zum Erinnern.

 

 

Publiziert am von Marc Lengowski

Ein Kommentar zu “„Empire Of The Undead“-Tour

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