Review Gamma Ray – Skeletons & Majesties Live

Moment, schon wieder eine DVD von GAMMA RAY? Hatten wir das nicht gerade erst? Ja, die DVD und Live-CD „Hell Yeah“ ist tatsächlich erst aus dem Jahr 2008, also schlappe vier Jahre alt. Hinzu kommt, dass das davor liegende Live-Album „Skeletons In The Closet“ von 2003 ist, also auch noch kein biblisches Alter erreicht hat. Was hat den Hamburger Jung Kai Hansen und seine Mannen also geritten, mit „Skeletons & Majesties Live“ im April 2011 in Prattlen schon wieder bewegte Bilder aufzunehmen und verkaufen zu wollen? Und: Brauche ich das?

Die Antwort auf die zweite Frage ist ohne Zweifel „Hell Yeah“, um im Thema zu bleiben. Denn keineswegs präsentiert GAMMA RAY uns hier einfach eine leicht variierte Setlist der vorigen Live-Scheiben. Nein, stattdessen standen auf der Mini-Tour „Skeletons & Majesties Live“ unbekanntere und weniger gespielte Songs der Band auf dem Programm. Viele der Titel auf der Setlist wurden bisher selten oder in dieser Fassung noch gar nicht live aufgeführt. Als besonderes Schmankerl durften die Fans zudem online darüber abstimmen, welche der Songs es in die Setlist schaffen sollten. Die DVD zeigt also weder eine aktuelle Promo-Tour noch gibt es ein Best-of. In der Mitte der Show steht außerdem ein Akustik-Set. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, hat GAMMA RAY auch noch Michael Kiske im Gepäck, der sich auf drei Songs am Mikrofon die Ehre gibt.

Das alles führt zu einem Konzerterlebnis der besonderen Art, bei dem die Musik einwandfrei im Vordergrund steht. Lediglich durch die Beleuchtung wird Atmosphäre aufgebaut, ansonsten ist sich die Band mit ihrer Musik selbst genug: Weder gibt es besonders große Showelemente noch wird viel geredet – und wenn, dann übrigens auf Englisch, obwohl eine deutsche Band in der Schweiz auftritt. Der internationale Markt lässt grüßen. Um diese eher minimalistische Show für die DVD etwas aufzumotzen, hat die Videoproduktion sie nachträglich mit Farbfiltern poliert und die Kontraste erhöht, was aber nicht weiter stört und manchmal die Wirkung der Performance eher unterstreicht. Die eingefügten Vintage-Elemente, wie Störstreifen im Bild, die Erinnerungen an VHS-Kassetten wecken (sollen), sind hingegen Geschmackssache, die ganz selten eingefügten Splitscrenes schlicht überflüssig.

Ihre Wirkung entfaltet „Skeletons & Majesties Live“ aber ohnehin durch die Spielfreude der Band und die tolle Auswahl der Songs. Besonders im Gegensatz zur „Hell Yeah“-DVD fällt zudem Kais Gesang angenehm auf – er singt treffsicher, ausdrucksstark und präsentiert sein gesamtes Stimmspektrum. Dabei wird er streckenweise von Bassist Dirk Schlächter unterstützt, der trotz einer Erkältung überzeugen kann. Und so gelingt eigentlich jeder Song, manche sorgen gar für Überraschungen, wie das verspielte „Money“ vom Debütalbum – wer hatte schon damit gerechnet, diesen Track noch einmal live zu hören? Ähnliches erlebt man bei „The Spirit“, „Brothers“, „Hold Your Ground“ oder dem großartigen „Watcher In The Sky“. Aber auch die beiden Hits „Send Me A Sign“ und „Rebellion In Dreamland“ haben es dank eines Tricks in die Setlist geschafft: Sie werden als Akustikversionen präsentiert und machen in dieser Form auf ganz neue Art und Weise Spaß. Besonders die launige Western-Interpretation von „Send Me A Sign“ zeigt, wie genial diese Idee war.

Die ganz besonderen Momente der „Skeletons & Majesties Live“ sind aber sicher die Gastauftritte von Michael Kiske. Schon auf „Time To Break Free“ nimmt er das Publikum für sich ein, und wenn er zusammen mit Kai Hansen spontan (?) und vom Textblatt „A While In Dreamland“ als Duett singt, wobei die beiden sich spielerisch anschmachten und doch immer wieder falsch singen, dann ist das zwar nicht unbedingt professionell, aber in jedem Fall ein bemerkenswertes Zeugnis einer der ältesten Männerfreundschaften in der deutschen Metal-Szene. Beim abschließenden „Future World“ merkt man schließlich, dass Kiske nach dem Einsingen immer noch eine verdammt gute Leistung bringen kann, was auch vom Publikum honoriert wird.

Kurzum: Das Konzert macht von vorne bis hinten 130 Minuten lang Spaß. Auch das Bonusmaterial ist eine gute Ergänzung – es gibt eine kurze Dokumentation über die Band und eine halbe Stunde (ur)altes Material in VHS-Qualität, das die Band in den 90ern freiwillig und unfreiwillig komisch zeigt. Die Bonusaufnahmen aus der Zeche in Bochum vom Vortag des Prattelner Konzertes bieten hingegen nichts Neues. Dennoch, „Skeletons & Majesties Live“ ist ein Pflichtkauf für jeden Fan von GAMMA RAY und für alle Fans des Power Metals, die mal wieder etwas abseits der ausgetretenen Pfade hören wollen.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

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