Review Kerry King – From Hell I Rise

  • Label: Reigning Phoenix
  • Veröffentlicht: 2024
  • Spielart: Thrash Metal

Eigentlich wollte Kerry King nach der Abschiedsshow von Slayer im November 2019 schnell ein Solo-Album folgen lassen; schließlich habe er, betrübt vom vorzeitigen Ende seiner Band, kreativ noch viel zu sagen und schon Material für zwei Full-Lengths in der Hinterhand. Darüber hinaus sei er bei Slayer ohnehin bereits seit längerem Hauptsongwriter gewesen. Doch dann kam die Pandemie und verurteilte die Fans der kalifornischen Thrash-Ikonen zum Motto „Edging Blood“. Mehr als vier Jahre nach der Zugrabetragung der Totschläger und etliche Ansagen Kings in der Szenepresse später (mal großspurig – über sich selbst, mal beißend – über Ex-Bandkollegen) liegt es vor, eines der wohl meisterwarteten Metal-Alben des Jahres. „From Hell I Rise“ verkündet KERRY KING via Plattentitel und wartet mit einem Line-up auf, das den überstrapazierten Begriff „Supergroup“ tatsächlich verdient. Was lange währt, wird also endlich gut?

Die stilistische Nähe zur Ex-Band von KERRY KING ist auf „From Hell I Rise“ so naheliegend wie omnipräsent – nicht zuletzt, weil allein der Gitarrist für sowohl Songwriting als auch Texte verantwortlich zeichnet. Daher dauert es nicht mal bis zum eigentlichen Opener, bis das erste Signature-Wah-Wah-Gekniedel aus den Boxen dröhnt – das serviert King schon im Instrumental-Intro „Diablo“. In ähnlicher Manier bietet der erste vollwertige Track „Where I Reign“ zwar neues, aber zugleich wenig überraschendes Material, ist er doch ein typischer Uptempo-Brecher, wie man ihn auch auf neueren Slayer-Werken wie „Repentless“ oder „Christ Illusion“ in eröffnender Position findet. Das Stakkato-Riffing im entschleunigten „Trophies Of The Tyrant“ ruft ebenso eine altbekannte Vertrautheit hervor wie der Slayer-typische Auftakt des mit den Geschwindigkeiten spielenden „Toxic“. Wiederkehrende lyrische Motive auf dem Longplayer (Religion, Hölle, regnendes Blut) kennt man ebenfalls von früheren Werken.

Musikalisch durch und durch neu in der Kombination mit Kerry King ist hingegen der Mann am Mikrofon: Mark Osegueda hat bereits bei seiner Hauptband Death Angel mit jedem Album gezeigt, dass seine Stimme wie ein guter Wein altert und liefert die vielleicht beste, zweifelsohne aber aggressivste Gesangsleistung seiner Karriere ab. Neben dem aus vorheriger Zusammenarbeit bereits bekannten Drummer Paul Bostaph und dem nicht weiter auffallenden Bassisten Kyle Sanders (Hellyeah) ist vor allem die Performance des zweiten Gitarristen Phil Demmel (ex-Vio-lence, Ex-Machine Head) hervorzuheben, dessen Soli „From Hell I Rise“ durchaus veredeln.

Der Vollgas-Thrash, den diese Truppe bietet und mit dem sie das Album mittels Opener und dem abschließenden Titeltrack einrahmt, wechselt sich in auffälliger Regelmäßigkeit mit Stücken in Midtempo oder eher getragenem Tempo ab. Die beiden vorab veröffentlichen Singles – das mal rastlose, mal flott stampfende „Idle Hands“ sowie „Residue“ mit seinem stark an „World Painted Blood“ erinnernden Breakdown – stehen repräsentativ für die Ausrichtung der Platte.

Doch wie das auch bei Filmen so ist, können selbst die besten Schauspieler:innen ein mittelmäßiges Script nicht in oscarverdächtige Sphären erheben. Zu häufig krankt „From Hell I Rise“ an diversen Stellen: Das reicht vom erwartbaren, strukturell eingestaubten Songwriting über die durchkalkulierte Tracklist (Uptempo folgt auf Midtempo usw.) bis hin zu lauwarmen, scheinbar einfallslosen Riffs ohne Erinnerungswert. Brechen KERRY KING und Konsorten aus dem Strophe-Refrain-Bridge-Schema aus, wirkt das Resultat ziel- und orientierungslos (das zwischen Interlude und vollwertigem Song feststeckende „Tension“) oder kann nur ein kurzes Ausrufezeichen setzen (das 81-sekündige „Everything I Hate About You“).

Und so kann man den Songs auf „From Hell I Rise“ attestieren, dass sie solide Kost sind, unterm Strich jedoch selten ohne Haken auskommen. Ein Track wie „Crucifixation“ etwa mag zunächst Spaß machen, kommt auf seine über fünf Minuten Spielzeit aber vor allem durch einen ermüdenden Instrumental-Part nach dem typischen Break in der Songmitte. Nicht minder dröge wirkt das zwischen Tempos mäandernde und laut King von den Scorpions inspirierte „Shrapnel“, wohingegen die Abrissbirne „Rage“ zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinauswütet. Mit „Two Fists“ ist KERRY KING immerhin eine schmissige Hardcore-Nummer in bester Sick-Of-It-All-Manier gelungen, die die Tracklist angenehm auflockert. Durchgehend fragwürdig ist wiederum die Produktion von Josh Wilbur (u. a. Gojira, Lamb Of God, Megadeth), der „From Hell I Rise“ mit einem übertrieben bulligen Sound ausgestattet hat, der außer Druck und Bombast nicht viel zu bieten hat.

KERRY KING selbst hat im Vorhinein versichert, dass sein Solo-Debüt danach klingen werde, wofür er bekannt sei. Wer also an den letzten Slayer-Alben – vor allem an „Repentless“, aus dessen Songwriting-Phase Material auf „From Hell I Rise“ stammt – Gefallen fand, könnte auch diese neue Scheibe mögen. Ausgehungerte Die-hard-Fans dürften ebenso darauf anspringen; doch selbst wenn man nicht davon ausgehen konnte, dass King an diesem Punkt seiner Laufbahn – selbst mit frischer, hochtalentierter Mannschaft – den Thrash Metal neu erfindet: Ein Selbstläufer ist „From Hell I Rise“ bei weitem nicht. Um der Jahreshöhepunkt zu sein, als der sie angekündigt wurde, ist die Platte schlicht zu berechenbar, spielt zu sehr auf Nummer sicher und ist mit einigen halbgaren Ideen und blassen Selbstzitaten zu viel ausgestattet. Es bleibt zu erwarten, wie das kommende Album ausfallen wird – und ob es auch hinsichtlich Produktion und Artwork mehr Charakterstärke haben wird.

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Wertung: 7 / 10

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