Review My Dying Bride – Evinta

  • Label: Peaceville
  • Veröffentlicht: 2011
  • Spielart: Doom Metal

Als wir Aaron Stainthorpe 2009 im Interview zum letzten Album, „For Lies I Sire“, danach fragten, ob schon irgend etwas anlässlich der Feierlichkeiten zum zwanzigsten Geburtstag von MY DYING BRIDE geplant wäre, war er sich noch nicht ganz sicher, wie man das begehen könnte. Er zog Feierlichkeiten mit Familie, Freunden und Fans in Betracht, vielleicht auch ein paar Geburtstagsshows. Von einer neuen CD war allerdings damals noch nicht die Rede. Und das, obwohl er das Projekt „Evinta“ angeblich schon seit über 15 Jahren auf dem Schirm hatte. Allerdings tauchten erst Ende letzten Jahres die ersten Meldungen dazu auf. Und kurz darauf wurde auch bekannt, was man auf dem neuen Album finden wird: „Neun Alben voller Dunkelheit erschafften ein Neues, um 20 Jahre MDB zu markieren.

Wem das jetzt zu kryptisch klingt, den kläre ich gerne darüber auf, was MY DYING BRIDE hier im Sinn hatten. Sie durchforsteten das Archiv ihrer bisherigen Alben nämlich und suchten sich die schönsten und prägendsten Riffs und Melodien ihrer Karriere heraus, stellten sie in neuen Songs zusammen, klingelten dann bei Bal-Sagoth-Keyboarder und Ex-MY-DYING-BRIDE-Mitglied Johnny Maudlin an und fragten nach, ob er diese neu geschaffenen Songbastarde nicht gerne mit Keyboard, Viola und Cello arrangieren würde. Dazu noch neue Texte aus der Feder von Aaron Stainthorpe, der Meister höchstpersönlich am Mikro und dazu noch die französische Sopranistin Lucie Roche, zuständig für weibliche Vocals. Das ist „Evinta“. Zwei CDs mit insgesamt neun neuen alten Songs (ursprünglich sollte noch eine 3-CD-Version erscheinen, die scheint allerdings noch nicht fertig zu sein), die zwanzig Jahre MY DYING BRIDE abdecken und gleichzeitig etwas ganz neues erschaffen.
Ich war ehrlichgesagt nach der Ankündigung etwas… zwiegespalten. Alte Riffs neu aufwärmen, noch mal auf ’ne CD pressen und verkaufen… Ob da wirklich was interessantes bei rumkommen würde? Zumal die grandiosen Melodien von MY DYING BRIDE für mich immer daher ihre Faszination zogen, dass sie nicht wirklich exaltiert dastanden, sondern immer irgendwo zwischen bockschweren Doomriffs plötzlich wie aus dem Nichts auftauchten. Das konnte doch ohne das „Drumherum“ eigentlich nicht funktionieren… Auch der erste Hördurchlauf war nicht so sonderlich ergiebig. Den mächtigen Worten, die Stainthorpe über die Entstehung verlauten ließ, zum Trotz hing der fade Beigeschmack eines Cash-ins nach wie vor wie eine dunkle Wolke am Horizont.
Die verzogen sich mit weiteren Durchgängen aber ziemlich schnell und vollständig. MY DYING BRIDE waren zwar nie wirklich für ihre besonders hektische oder aufregende Musik bekannt, aber selbst für ihre Verhältnisse ist „Evinta“ ein extrem ruhiges Album geworden. Wenn einmal mehr als nur eine Gesangsstimme und Maudlins Keyboard durch die Boxen dringen, dann kann man das schon im Kontext des Albums einen „extrem vollen Sound“ nennen. Die leisen, zerbrechlichen Töne langweilen aber eigentlich nie, stattdessen packen sie den Hörer, nehmen ihn mit, lassen ihn träumen. Und durch diese sphärischen Teppiche dringt dann immer mal wieder etwas, was man kennt. Das gottgleiche Lead-Riff von „A Kiss To Remember“. Die fantastischen Melodien von „For My Fallen Angel“. Die markanten Riffs von „The Crown Of Sympathy“. Und wann immer irgend eine Melodie, die man kennt und schon seit Jahren liebt auf diese zerbrechliche Art und Weise anklingt, dann ist die Gänsehaut quasi schon vorprogrammiert. MY DYING BRIDE nehmen den Hörer tatsächlich mit auf eine Reise durch die zwanzig Jahre ihrer Existenz.

Allerdings auf eine Reise, von der der Hörer nur etwas hat, wenn er diese zwanzig Jahre lang dabei war. Damit meine ich jetzt nicht, dass man, um „Evinta“ zu „verstehen“ oder gut zu finden MY DYING BRIDE vom ersten Augenblick an gehört haben muss. Aber man muss sie irgendwann einmal (möglichst) komplett gehört haben. Mit „Evinta“ wird die Band sicherlich keine neuen Fans finden. Das will sie aber bestimmt auch gar nicht, sondern – ohne das jetzt irgendwie wertend zu meinen – sich selbst und ihre Musik feiern (was meiner Meinung nach nach zwanzig erfolgreichen Jahren im Geschäft nichts verwerfliches ist). Wer das bisherige Oeuvre der Band nicht kennt, der wird hin und wieder mal auf eine tolle Gesangslinie oder eine schöne Melodie stoßen, aber der große Gesamtzusammenhang wird ihm verschlossen bleiben. Den gibt es nämlich vielleicht gar nicht. Außer man stellt den Zusammenhang daraus her, dass DAS, genau DIESE CD und DIESE Musik darauf Episoden aus der Karriere von MY DYING BRIDE und dadurch in letzter Konsequenz ganz einfach die Quintessenz dieser Band sind.
Wie gesagt, MY DYING BRIDE feiern sich selbst. Wer der Band zugesteht das zu dürfen und – vielleicht sogar noch wichtiger – die Bereitschaft mitbringt, die Band genau so sehr zu feiern, der muss „Evinta“ besitzen. Alle anderen werden mit dieser CD bestimmt nicht glücklich werden, was jetzt allerdings kein negatives Urteil sein soll. Denn ist sie jetzt gut oder schlecht? Keine Ahnung, das kann und will ich gar nicht beurteilen. Aber eins ist sie auf jeden Fall: etwas ganz besonderes.

Keine Wertung

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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