Review Noêta – Elm

„I am inhabited by a cry / Nightly it flaps out / Looking, with its hooks, for something to love / I am terrified by this dark thing / That sleeps in me / All day I feel its soft, feathery turnings, its malignity“

Mit einer Zudringlichkeit, furchteinflößender als der lauteste Schrei, flüstert Êlea, die Sängerin des Ambient-Folk-Duos NOÊTA, unter anderem diese Zeilen zu Beginn des Titeltracks ihres zweiten Albums „Elm“. Es ist ein Auszug aus Sylvia Plaths gleichnamigem Gedicht, das die amerikanische Schriftstellerin, nicht lange bevor sie sich im Februar 1963 selbst das Leben nahm, verfasst hat. Seelische Untiefen, zu finster, um sie sich ausmalen zu können, klaffen zwischen diesen Worten. Doch NOÊTA kennen diese Abgründe, haben selbst bereits in dieselbe Schwärze geblickt – und wagen es, ihr auf ihrer zweiten Platte eine Stimme zu verleihen.

Ob die norwegisch-schwedische Band auf dem knapp 40 Minuten langen Werk noch tiefer in die Unterwelt des menschlichen Geistes vordringt als auf ihrem faszinierenden Debüt „Beyond Life And Death“ (2017), ist schwer zu beurteilen. Fest steht, dass „Elm“ nicht bloß ein stilistischer Aufguss des ersten Albums ist, sondern NOÊTA verändert zeigt. Ambient und Folk koexistieren hier nicht mehr in relativer Eigenständigkeit, sie durchdringen einander, nähren einander.

Êleas geheimnisvoll über die Instrumentierung gleitender Gesang („Above And Below“) und karge Akustikgitarrenmotive bilden das Rückgrat nahezu sämtlicher Tracks, während sphärische Klangflächen den Stücken den Weg bereiten und sie hintergründig begleiten („Disillusion“). Manchmal hört man eine betrübliche Lap-Steel-Gitarre oder ein einsam scharrendes Akkordeon („Fade“). Perkussionen, die den Anschein von Antrieb und Vorankommen erwecken könnten, gibt es nicht.

Doch da ist etwas Anderes: Ungreifbar und bedrohlich wie ein entferntes Echo durchziehen eintönige Tremolo-Gitarrenriffs die Lieder – eine Heimsuchung aus Êleas früheren Umtrieben im Black Metal, der aus der Vergangenheit raunende Ruf der Leere. Dementsprechend verschwommen und unwirklich klingt die Produktion, die mit Ausnahme des von Tore Stjerna übernommenen Masterings von NOÊTA selbst inszeniert wurde. Von „Beyond Life And Death“, das in seiner Unnahbarkeit doch zumindest einen kristallklaren, definierten Sound hatte, hebt dessen Nachfolger sich also auch in dieser Hinsicht deutlich ab.

Obwohl „Elm“ ohne reine Ambient-Stücke einen etwas konventionelleren Eindruck als das experimentelle erste Album macht, ist es um keinen Deut einfacher zu verinnerlichen. Mit ihrem konsistenteren Songwriting, Êleas hypnotischen Vocals und der weniger scharf umrissenen Produktion haben NOÊTA eine unfassbar beklemmende Aufbereitung von Depressionen und anderen seelischen Ungetümen geschaffen. Wer zu wissen meint, wie tief menschliche Gedanken sinken können, wird von NOÊTA spätestens im zweiteiligen Titelstück mit beunruhigenden Pianotönen und Gitarren eines Besseren belehrt. Denn „Elm“ birgt eine beängstigende Erkenntnis: Es geht immer noch ein Stück tiefer.

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Wertung: 8.5 / 10

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