Review October Tide – Winged Waltz

  • Label: Agonia
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Doom Metal

Viele mögen sich nicht mehr daran erinnern, aber es gab eine Zeit, in der Katatonia noch waschechten Metal spielten und Frontmann Jonas Renkse den Hörern seine Melancholie noch wütend entgegenbrüllte, anstatt sie ihnen sanft ins Ohr zu flüstern. Das tat er damals auch in der von ihm und Fredrik Norrman gegründeten Band namens OCTOBER TIDE. Über 20 Jahre später hat längst ein anderer seinen Platz eingenommen, dennoch wird den schwedischen Death/Doom-Veteranen nachgesagt, sie seien die musikalischen Erben alter Katatonia. Trifft das tatsächlich zu oder handelt es sich hier um einen klassischen Fall von Wunschdenken?

Wenn man sich „Winged Waltz“, das nunmehr fünfte Album von OCTOBER TIDE, anhört, muss man ihnen diesen Ruf streng genommen absprechen. Dafür klingen die Schweden dann doch etwas zu konventionell. Dessen ungeachtet muss jedoch gesagt werden, dass das Album trotzdem nicht enttäuscht, zumindest nicht im Kontext des bedienten Genres. Die tiefen, gelegentlich in ihrer Höhe variierten Growls besitzen zwar nicht so viel Wiedererkennbarkeit und Emotion wie die gemarterten Screams von Renkse, klingen dafür aber professioneller, kraftvoller und düsterer. Letzteres ist generell ein Unterscheidungsmerkmal zwischen OCTOBER TIDE und Katatonia, denn erstere vertonen mehr Unheil denn Melancholie.
Die Gitarren werden natürlich überaus melodisch gespielt, aber eben auch sehr bedrohlich und stets mit rauen Rhythmusgitarren unterlegt. Selbst in den ruhigeren Clean-Passagen, die in „Reckless Abandon“ sogar doch kurz an „Dance Of December Souls“ zurückdenken lassen, steckt eine tiefe Finsternis. Auch ein paar Soli haben es in die Songs geschafft, so beispielsweise ein sehr stimmungsvolles in „A Question Ignite“ und ein fast schon zurückgelehntes in „Nursed By The Cold“. OCTOBER TIDE setzen also über weite Strecken auf eine Laut-Leise-Dynamik, die übrigens auch der guten Hörbarkeit des Basses zugutekommt. In diesem Zusammenhang muss aber auch die klare und doch wuchtige Produktion lobend erwähnt werden.
Wie bereits erwähnt zeichnen sich OCTOBER TIDE durch eine unheimlichere Herangehensweise aus als die katatonischen Depressive-Rocker, doch die Melancholie kommt keineswegs zu kurz. Als Beispiel dafür kann die einprägsame und tragische Hauptmelodie des Openers „Swarm“ herangezogen werden. Darüber hinaus halten die Schweden ihre Songs etwas kürzer als Katatonia auf ihrem Debüt, von leicht verträglichem Pop sind sie mit ihren fünf- bis achteinhalbminütigen Trauermärschen aber immer noch ein ganzes Stück weit entfernt.

„Winged Waltz“ ist keine Offenbarung und auch nicht unbedingt ein Meisterwerk. Wer aber nach bedrohlichem Death/Doom sucht, der seinem Namen gerecht wird, kann hier bedenkenlos zuschlagen. OCTOBER TIDE haben damit zwar eine etwas zu homogene und genretypische Platte veröffentlicht, aber es besteht kein Zweifel daran, dass sie ihr Handwerk beherrschen. Als Reinkarnation der alten Katatonia sollte man sie zwar nicht betrachten, zumal sie sich schon in vielen Punkten voneinander unterscheiden, aber für sich genommen haben OCTOBER TIDE hier vieles richtig gemacht.

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Wertung: 7.5 / 10

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