Review Orizen – Of Life, Death And Salvation

Was lange wird, muss ja irgendwann gut werden. Ein treffenderes Motto für die zweite Platte des Schweizer Ein-Mann-Projekts ORIZEN könnte es kaum geben, denn die Arbeiten an „Of Life, Death And Salvation“ begannen vor fast einer Dekade. Seit 2007 hat Richard Leishman an seinem Zweitwerk gearbeitet, eine zeitliche Investition, die sich absolut auszahlt.

Man kann es gleich eingangs sagen, wie es ist: Wenn diese Musik nicht bald einen Plattenvertrag in der Tasche hat, dann gleicht das einem handfesten Skandal. Selten begegnet dem Hörer ein derart ausgereiftes Album, welches dazu auch noch in Eigenregie produziert wurde. Dies merkt man der Platte allerdings in keiner Phase an, sowohl Songwriting als auch Produktion lassen sehr viele Labelveröffentlichungen weit hinter sich. Dazu kommt eine opulente Spielzeit von über 70 Minuten, die jedoch in kaum einer Sekunde langweilig werden.
Musikalisch ist ORIZEN – der Bandname ist eine Kombination aus „Horizon“ und „Urizen“, einer Gestalt aus dem Werk von William Blake – im dunkelmetallischen Bereich unterwegs. Für Black Metal ist die Musik insgesamt zu melodisch und in der Regel auch zu langsam, stören sollte man sich daran allerdings nicht. „Of Life, Death And Salvation“ zieht seine Kraft aus Intensität auf der einen und wohliger Atmosphäre auf der anderen Seite. Dazu gelingt ORIZEN eine selten gelungene Symbiose aus Musik, Kunst und Literatur, die Richard im Infoschreiben selber erwähnt. Die Texte sind philosophisch gehalten und beschreiben die ewige Suche nach dem, was die Welt in ihrem Inneren zusammenhält, ergänzt werden die Songs durch ausgewählte Zitate von Arthur Schopenhauer und Zeichnungen aus der Hand des Protagonisten. Diese zeigen spätestens die traurigen Botschaften, die ORIZEN vermittelt: In rein schwarz-weiß gehalten strahlen sie zwar einige Depressionen aus. Aber dem Zirkel aus Ende und Neubeginn folgend entsteht auch eine Botschaft der Hoffnung.
Zurück zur Musik. Diese ist Richard gemäß auf einem durchaus gehobenen technischen Niveau komponiert und irgendwie hört man den Songs auch an, dass da nicht die typischen 08/15-Akkorde bzw. Akkordfolgen rausgezockt werden. Dazu gelingt die Symbiose aller Instrumente hervorragend, nie hat man den Eindruck, etwa die Tasten würden sich in den Vordergrund drängen oder die Gitarren bekämen zu viel Raum. Erstaunlich, wenn man sich die Spielzeit der jeweiligen Lieder ansieht. Auch wenn ORIZEN Lieder über zehn Minuten kreiert, ist der Spannungsaufbau fast immer so gelungen, dass aus dem roten Faden ein handfestes Tau wird.
Und als wenn das alles noch nicht genug wäre, steigert sich „Of Life, Death And Salvation“ vom starken Beginn an noch weiter. Die besten Songs kommen somit erst am Ende auf den Hörer zu, das größtenteils sehr getragene „About Death“ ist todtraurig und berührend zugleich, weiß aber im zweiten Teil mit dezenter Härte eine logische Brücke zum nicht minder düsteren „Agony And Ecstasy“ zu schlagen. Den wirklichen Höhepunkt hat ORIZEN sich aber noch aufgespart, das unfassbar elegische „The Lot Of Solitude“ zieht noch mal alle Register des künstlerischen Schaffens und thront einem Kaiser gleich über einer goldglänzenden Pracht großartiger Lieder.

„Of Life, Death And Salvation“ nimmt sich nur ganz wenige Auszeiten. Selbst diese Momente würden andere Bands gerne als Opus Magnum auf ihren Platten verkaufen. Bei ORIZEN muss einfach jeder ran, der auch nur den Hauch eines Faibles für kraftvolle, düstere, verspielte und niveauvolle Musik hat. Ein wenig Zeit darf man gerne mitbringen, wobei die Lieder größtenteils trotz ihrer sperrigen Arrangements schnell ins Ohr gehen. Pflichtkauf!

Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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