Review Pineapple Thief – Tightly Unwound

Es dürfte kein Zufall sein, dass der Bandnamen der Briten THE PINEAPPLE THIEF die gleichen Anfangsbuchstaben hat wie die momentan stark angesagten Porcupine Tree. Das „The“ ist hierbei zu vernachlässigen und war auf der ersten Veröffentlichung der Combo, die sich auf das Jahr 2000 datiert, noch nicht vorhanden.

Bandchef Bruce Soord und seine Mitstreiter kreieren auf ihrem neuen Album „Tightly Unwound“ nämlich einen Sound, der sich überdeutlich an den End-Neunziger Veröffentlichungen des Stachelschweinbaumes, wie „Stupid Dream“ und „Lightbulb Sun“, orientiert. Folgerichtig verzichten PINEAPPLE THIEF größtenteils auf elektrische Gitarren bzw. die von Steven Wilson & Co. wenig später entdeckten, immergleichen Riffs und überlassen den Akustikgitarren die Bühne. Und damit wären wir auch schon beim größten Nachteil der Scheibe: Sie kommt nicht aus den Puschen! Wen es aber nicht stört, dass sich hier quasi durchgehend Balladen, Midtemponummer oder Epics tummeln, den kann „Tightly Unwound“ gut unterhalten. Ein Fan von ausführlichen Gitarrensoli sollte man auch nicht sein, denn die stehen bei den Jungs nur äußerst selten auf dem Programm.

Bereits der Opener „My Dept To You“ führt gut in den Klangkosmos ein: Zwar bleibt die Instrumentierung über die etwas mehr als fünf Minuten Spielzeit relativ gleich und die Akkorde der Gitarre wiederholen sich, aber der Hörer wird durch die von Bruce Soord einfühlsam dargeboteten Melodien sofort in die Platte hineingezogen. Dessen Gesangsstil erinnert des Öfteres – Überraschung – an Steven Wilson höchstselbst. Der Titeltrack „Tightly Unwound“ bringt dann aber doch noch andere Einflüsse ans Tageslicht: Dieser Song erinnert an die experimentellen Radiohead und glänzt mit New Artrock-Strophen und einem wunderbar eingängigen Refrain. „My Bleeding Hand“ ist eine der wenigen Nummern, in denen Keyboarder Steve Kitch sogar zu hören ist, er hält sich ansonsten äußerst unauffällig im Hintergrund und steuert atmosphärische Flächen bei. Auch diese Nummer könnte von Radiohead stammen. „Different World“ eröffnet mit Mellotronklängen, die sofort andeuten, dass hier ein Longtrack auf dem Programm steht. Dieser Zehnminüter weiß gut zu unterhalten, hätte aber dramaturgisch besser in Szene gesetzt werden können.

„And So Say All Of You“ ist ein absolutes Highlight der Platte: Atmosphärisch, packend, emotional aufgeladen und schlicht Pflichtprogramm für Porcupine Tree-Fans. Der Track hätte auch problemlos auf „Stupid Dream“ stehen können, ohne dass der Hörer eine Sekunde daran gezweifelt hätte, dass es sich hierbei um Steven Wilson & Anhang handelt. Das abschließende „Too Much To Lose“ ist dann das zweite Epic, sozusagen das „Russia On Ice“ von Pineapple Thief. Eine spannende musikalische Reise, die allerdings etwas wirr strukturiert ist. Die unterschiedlichen Parts sind nicht besonders gut aufeinander abgestimmt, so dass der Eindruck eines Flickenteppichs entsteht, der ohne Zusammenhang gewebt wurde. Trotzdem: Definitiv die progressivste Nummer auf der Platte, mit einer Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann.

Da Produktion und Artwork der Scheibe rundum zu überzeugen wissen, lautet die logische Schlussfolgerung: Freunde der alten Porcupine Tree-Platten sollten „Tightly Unwound“ schnellstens in ihre Sammlung einverleiben. Es tut wirklich gut, New Artrock ohne die immergleichen, pseudo-neumodernen Bratgitarrenriffs zu hören, die auf den letzten Stachelschwein-Platten bis zur Bewusstlosigkeit eingesetzt wurden. Wer zudem die experimentelleren Outputs von Radiohead des Öfteren in den Player einlegt und Gefallen an den trauergetränkten Balladen von Coldplay findet, der kann mit dieser Songsammlung eigentlich nichts mehr falsch machen.

Wertung: 8 / 10

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