Review Poor Genetic Material – Island Noises

Hier ist es also, das bereits vor vier Jahren direkt nach dem Release des Vorgängers „Paradise Out Of Time“ angekündigte Doppel-Konzeptalbum der Schönklang-Progger POOR GENETIC MATERIAL. Für das mehr als 95-minütige Werk hat sich der Fünfer von Shakespeares Drama „Der Sturm“ inspirieren lassen. Allerdings wird nicht die gesamte Geschichte erzählt; vielmehr haben Sänger Philip Griffiths & Co. einzelne Charaktere und Abschnitte der Geschichte herausgegriffen und gezielt vertont.

Stilistisch bleibt sich die Combo aus dem Südwesten Deutschlands treu. Es regiert der seit dem zweiten Album „Summerland“ etablierte Edel-Artrock mit geschmackvollen Instrumental-Arrangements, blitzsauberer Produktion, viel Liebe zum Detail und ausdrucksstarken, theatralischem Gesang. Der etwas direktere, kompaktere Ansatz des Prequels „Paradise Out Of Time“ war also doch nur eine einmalige Sache. Der Konzeptcharakter des Doppeldeckers wird durch immer wieder eingestreute Rezitationen aus Shakespeares Epos untermauert. Als Erzähler konnte niemand geringeres als Martin Griffiths, Vater von Sänger Philip Griffiths und bekannt als Vokalist der 70er-Progband Beggar’s Opera, gewonnen werden. Allerdings stören diese Passagen meiner Ansicht nach eher den Fluss des an sich sehr schön runden Gesamtwerks, da die Songs des Öfteren für den Erzähler unterbrochen werden oder den Übergang zum nächsten Stück in die Länge ziehen – hier geht man unnötig ambitioniert zu Werke, zumal die Musik für sich genommen überzeugend genug ist.

Der technisch beeindruckende, aber emotional nicht immer authentische Gesang von Philip Griffiths ist nach wie vor Geschmackssache, passt aber hervorragend zum POOR GENETIC MATERIAL-Sound. Nur in wenigen Passagen, wie z. B. dem Refrain von „Let Them Beware“, wirkt er angestrengt. Griffiths‘ Stimme ist immer dann brillant, wenn der instrumentale Unterbau ruhig, getragen oder grazil ist – und das ist bei „Island Noises“ meistens der Fall. Rockige Parts stehen Griffiths nicht so gut. Besondere Erwähnung verdient auch Keyboarder Philipp Jaehne, der nicht nur durch eine geschmackvolle Soundauswahl glänzt, sondern auch ganz genau weiß, das weniger manchmal mehr ist.

Highlights und Anspieltipps gibt es jede Menge. Besonders beeindruckend ist gleich der Opener „Roarers“, der auch erstaunlich kraftvoll daher kommt. Die darauf folgenden Songs „A Dance So Strange“ und „Brave New World“ sind ebenfalls ganz großes Progrock-Kino, das jeden Fan symphonischer Klänge im Nu gefangen nehmen dürfte. Der beinahe 20-minütige Titeltrack ist zu Beginn etwas zäh, belohnt den Hörer dann aber spätestens nach einigen Durchgängen mit einer unheimlich vielseitigen und atmosphärischen, hauptsächlich instrumentalen Achterbahnfahrt. Auf CD2, die gegenüber dem ersten Silberling ganz leicht abfällt, überzeugen vor allem „Assasins And Sleepers“ und „Fountain Of Innocence“.

Insgesamt ist die Platte zum Durchhören etwas lang geraten, was wohl dem recht eingefahrenen Sound der Band geschuldet ist. Da die beiden CDs aber auch einzeln hervorragend funktionieren, fällt das kaum ins Gewicht. Sie ergeben so gewissermaßen zwei einzelne Alben mit sehr angenehmer Spieldauer.

Ein echter Hingucker ist das grandiose, stilvolle Coverartwork und Booklet mit handgemalten Bildern. Für diese zeichet sich ebenfalls Martin Griffiths verantwortlich. Schon lange nicht mehr waren CDs so passend und wunderschön verpackt.

Das Fazit ist – trotz der Konzentration auf Kritikpunkte in dieser Rezi – eindeutig: Freunde des symphonischen, hochmelodischen Progrocks sollten zuschlagen. Auch für „Island Noises“ gilt wieder: Es ist kein anstrengendes Album, aber eines, bei dem man genau hinhören (können) sollte. Denn je mehr Aufmerksamkeit man ihm schenkt, desto mehr gibt es einem zurück. Gewohnt hochklassige POOR GENETIC MATERIAL-Qualität!

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert